Hamburg, meine Perle!

Erstaunlicherweise hat sich Hamburg gestern per Volksabstimmung gegen eine Olympiabewerbung 2024 entschieden. Erstaunlich ist das deswegen, weil die Befürworter-Jubel-Werbung in den letzten Wochen erheblich präsenter war als die der Gegner, inklusive Radio-Spots und Großplakate. Das vorläufige Endergebnis listet das Nein mit 51,6 %, das Ja mit 48,4 %.

Selbstverständlich kann ich nicht sagen, warum „die Hamburger“ dagegen gestimmt haben. Ich möchte allerdings daran erinnern, dass wir in der Stadt mit der Elbphilharmonie leben, die irgendwann mal mit 77 Millionen Euro veranschlagt worden war und jetzt an die 800 Millionen kosten soll und immer noch der Vollendung entgegenwächst. Der Bund hatte bis gestern noch keine (!) Finanzierungszusage für Olympia gemacht. Das zumindest wird einige nachdenklich gestimmt haben.

Das nächste: In dieser Stadt wird viel gebaut. Das wäre für Olympia nicht weniger geworden. Aber was? Gefühlt zumindest sind es Bürokomplexe (die dann halb leerstehen) und Hotels. Was haben die Einwohner davon? Schon mal versucht, in Hamburg eine bezahlbare Wohnung zu bekommen? Nicht nur in den „guten“ Stadtteilen, auch am Popo der Stadt? Nein? Aha. Schon mal davon gehört, dass Hamburg gerade gefühlt überquillt vor Flüchtlingen, die auch irgendwann alle aus ihren Zelten raus wollen oder müssen? Und wohin? Aha.

Ist Olympia was für die „kleinen“ Leute? Also ich, ich bin verwöhnt dadurch, dass ich vor dem Fernseher hocke und den Läufern oder Springern ins Gesicht schaue. Könnte ich mir eine adäquate Karte für ein (noch zu bauendes/auszubauendes) Stadion leisten? Im Leben nicht, bei aller Begeisterung. Und sehr viele andere auch nicht.
Was vor Ort wirklich bleibt, ist Geschäftemacherei, Lärm, Dreck und eine dauerhaft verschandelte Umwelt. Der NABU, der nun nicht gerade für politische Linkslastigkeit bekannt ist, hatte das Nachhaltigkeitskonzept stark kritisiert. Nicht zu übersehen auch die Sicherheitsrisiken, die jede Großveranstaltung mit sich bringt, erhöhte Bedrohungslage hin oder her.
Und wofür? Dass „die Welt“ ein paar Tage nach Hamburg schaut? Meiner Meinung nach ist das Ergebnis ein Votum dafür, dass Hamburg den vollmundigen Versprechen seiner Politiker nicht traut. Ich finde das großartig.

Ich finde aber auch großartig, dass wir Bürger überhaupt gefragt wurden, und dass man sich jetzt daran halten wird. Das ist Demokratie, dafür mag ich Hamburg, dafür mag ich meinen Staat. In anderen Staaten geschieht das nämlich nicht, und das sind keine Bananenrepubliken.

Jetzt ist das Gehacke und Geklage groß, nachzulesen zum Beispiel auf Spiegel Online. Hamburg will nicht, München wollte nicht. Es tut sich was. Vielleicht werden einige mehr wach. Für ein friedliches Miteinander!

Generationskonflikt – 365tageasatzadayQuelle: ichmeinerselbst

 

Zu dem Spruch. Das Original lautet: „We don’t have to agree on anything to be kind to one another“ und ich sehe es zurzeit auf Facebook ständig. Der Autor wird nicht angegeben, die Suchmaschine fördert dieses Interview mit Erin Clemens als mögliche Quelle zutage. Wer mehr weiß, ist sehr willkommen.

 

39 Kommentare zu “Hamburg, meine Perle!

  1. Volksabstimmung. 52% zu 48%. Und nun? Was sagt uns das Ergebnis: Patt. Schlimmstenfalls: Spaltung. Wie bequem für die eigentlich repräsentative Demokratie, dass die Repräsentanten jetzt nicht mehr entscheiden müssen. Für mich machen Volksabstimmungen nur dann Sinn, wenn das Ergebnis eindeutig ist. Eine qualifizierte Mehrheit (2/3, 3/4) ist nötig. Alles andere wird zur Stimmungsdemokratie.

    Gefällt 3 Personen

  2. Ein feiner Post, der völlig mit meiner Denke in Einklang ist,
    bis auf Elbphilharmonie versus S21…

    Bei euch (noch) ein Millionengrab, bei uns schon ein mehrfaches Milliardengrab…

    Liebe Herbstregengrüße vom Lu

    Gefällt 3 Personen

    • Hier geht schon das Gezänke los, was mit den eingeplanten und jetzt freien 1,2 Milliarden Euro Olympiageld passieren soll. Sag mal, haben die Verantwortlichen keine Augen oder keine Ohren? Könnten die die Kohle nicht einfach für die MENSCHEN investieren? Wohnungsbau, Soziales, auch Polizei (die bitter unterbesetzt ist), Kindergärten … an jeder Ecke wird zusammengestrichen. Ich fass es nicht. Und „Flüchtlinge“ hab ich noch gar nicht gesagt.
      Liebe Dezembermorgengrüße in die Kesselstadt
      Christiane

      Gefällt 4 Personen

  3. Ich empfand eine große Erleichterung

    1. als ich hörte, daß es eine Bürgerbefragung gab
    und
    2. dass die Bürger gegen Olympia stimmten

    Ich empfinde es so, als hätte die Vernunft über dieses seltsame spportliche Event gesiegt, das ich schon lange nicht mehr als das sehen kann, was es ursprünglich mal war.
    Es ist verkommen durch die Gier nach Siegen und ich denke, das sollte es gerade im Sport nicht sein. Wenn Siege mit Doping und anderen unlauteren Mitteln erreicht werden, dann sind es keine, dann sind es in meinen Augen Niederlagen…

    Ich fühle mich erleichtert, besser kann ich meine Gefühle hier nicht ausdrücken.

    Liebe Grüße am Morgen
    von Bruni und danke für Deinen guten Beitrag zu dieser sportlichen *Weltgeschichte*

    Gefällt 2 Personen

    • Sport ist Geschäft, lange schon, liebe Bruni. Damit könnte man ja leben, wir leben ja auch beim Fußball damit, wenn nicht gerade bei Olympia dieser Amateur-Gedanke so im Vordergrund stünde. Ich will nicht unterstellen, dass überall gedopt wird, natürlich nicht, aber die Vermarktung ist ein riesiges Geschäft, und dem kann man nicht kritisch genug gegenüberstehen …
      Liebe Grüße und danke
      Christiane

      Gefällt 2 Personen

  4. Eine widernatürliche Geschichte ist es – das Doping, egal welcher Art, und wenn es zum Spitzensport gehören sollte, das läuft hier so etwas von falsch, daß ich es nicht akzeptieren kann.

    Gefällt 2 Personen

  5. Erstaunlich, dass dieses ’sportliche‘ Großevent abgelehnt wurde. Das spricht für mich für die Vernunft der Hamburger, wenn auch das Ergebnis etwas eindeutiger ‚gegen‘ hätte ausfallen dürfen. Aber immerhin. Bürgervernunft hat gesiegt. Nebenbei bemerkt kann ich es nicht fassen, wieviel Geld bei so manchem verpulvert werden soll, wo wir doch in Zukunft wirkliche Probleme haben werden …
    Liebe Grüße,
    Ingrid

    Gefällt 2 Personen

  6. Ich vermute stark, dass die Hamburger Volksseele kein Verständnis mehr für eine weitere Anheizung des völlig überhitzten Immobilienmarktes und der fortwährenden Gentrifizierung hat.

    Gefällt 1 Person

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.