Berauschter Abend

Purpurschwere, wundervolle Abendruhe
Grüßt die Erde, kommt vom Himmel, liebt das Meer.
Tanzgestalten, rotgewandet, ohne Schuhe,
Kamen rasch, doch sie versinken mehr und mehr.

Furchtbar rot ist jetzt die Stunde. Wutentzündet
Drohen Panther. Grausamfunkelnd. Aufgebracht!
Dieser bleibt: ein Knabe reitet ihn und kündet
Holder Wunder tollen Jubel in die Nacht.

Nacht! der Abend, aller Scharlach mag verstrahlen.
Auch der Panther schleicht im Augenblick davon.
Aber folgt dem Knaben! Sacht, in schmalen Glutsandalen
Tanzt er nackt im alten Takt von Babylon.

Alle Flammen abgeschüttelt? Auf der Füße
Blassen Spitzen winkt und fiebert jetzt das Kind:
Weltentschwunden? Sterne sind die sichern Grüße
Stiller Keuschheit überm Meere, vor dem Wind!

(Theodor Däubler, Berauschter Abend, aus: Das Sternenkind, 1916, Online-Quelle)

 

Däubler, Sternenkind | 365tageasatzadayQuelle: ichmeinerselbst

 

Letzte Woche schlug Marion mir vor, es müsse eigentlich jeden Montag ein Gedicht geben, und ich überlegte daraufhin, ob mir eine Reihe „Montagsgedichte“ passen würde. Ja, würde sie, wenn da nicht … ihr kennt das. Also gibt es jetzt ein Montagsgedicht, das am Dienstag erscheint.

Dieses Gedicht mogelte sich letzte Woche in Fetzen in mein Gedächtnis. Erst war es was mit „Sterne“ (klar, ich war Sternenwandern), dann was mit „Zehenspitzen“ und „Kind“ (sucht das mal, ihr werdet verrückt!), dann mit „blass“. Und ich wusste die ganze Zeit, dass ich es mal gut gekannt hatte … Ich hatte die Zeit schon ungefähr eingekreist und nichts gefunden, bis ich zu meinem alten Lieblingsgedichtbuch griff und fündig wurde. Dann spuckte natürlich auch das Internet was aus; und ich entdeckte, dass ich das schmale Büchlein, aus dem das Gedicht stammt („Das Sternenkind“) in einer alten Insel-Ausgabe selbst hier stehen hatte … welche Freude!

Planet Lyrik bringt hier unter „Nachbemerkung“ (unten) etwas zur Rezeption des „blaubesternten Bändchens“, was ich ebenfalls in meiner Ausgabe am Ende finde, und hängt eine Lesung von Konstantin Wecker an, die ich euch natürlich ebenfalls nicht vorenthalten will.

Kommt gut durch die Woche!

 

 

42 Kommentare zu “Berauschter Abend

  1. Herzlichen Dank für dieses Gedicht, jetzt weiß ich endlich, nach was ich gesucht habe ohne es zu merken…
    Einfach nur wunderbar, passt grad total!
    Liebe Grüße

    Gefällt 1 Person

      • oh ja, da gibt es viel, z.B. Gotfried Benn, eigenlich alle,
        oder aber Georg Heym, Der Gott der Stadt, Georg Trakl mit seinen eindruckvollen Schöpfungen und natürlich Else Lasker-Schüler mit ihrerm bunt bewegten Leben und ihrem berühmten Tibetteppich oder dem blauen Klavier, einem meiner Lieblingsgedichte.
        Bei den Expressionisten komme ich ins Schwärmen, Du merkst es 🙂

        Gefällt 1 Person

          • Das kann man wohl sagen und deshalb zog sie die Männer so an, auch Gottfried Benn *g*.
            Eine Vagabundin kann man sagen. Sie schlief auch mal auf einer Bank, wenn es sein mußte, bzw. wenn sie kein Geld hatte, und das kam vor … Aber sie sorgte gut für ihren Sohn

            Gefällt 1 Person

          • So viel ich weiß, mochten sich Mutter und Sohn sehr.
            Er starb jung, viel zu jung und sie litt sehr darunter.

            Schlaf gut, liebe Christiane

            Gefällt 1 Person

          • Aber ihre Dichtung war eines vor allem, herausragend hervorragend und von unglaublich intensiver Sprache. Eines habe ich in meinen nun schon länger andauernden Jahren mit der Lyrik gelernt und es fiel mir anfangs sehr schwer, den Menschen gesondert von seinen Werken zu sehen.
            Ich habe kein inniges Verhältnis zu ihr,sondern eines,das ausschließlich ihr Werk sieht und wäre sie da nicht so gut gewesen, wäre sie so normal gewesen wie du oder ich, hätte sie nicht diese Berühmtheit erlangt.
            Die hat sie einer besonderen Gabe zu verdanken
            Liebe Morgengrüsse von bruni

            Gefällt 1 Person

          • Ja, das ist auf jeden Fall so, dass sie eine besondere Gabe hatte. Wie und ob man den Künstler von seinen Werken trennen kann und/oder muss, ist eine heiß diskutierte Sache, ganz allgemein gesprochen, nicht nur auf sie bezogen.
            Liebe Grüße zum Morgen zurück
            Christiane

            Gefällt 1 Person

          • oh ja, das stimmt. Wass haderte ich anfangs mit einem sehr berühmten Dichter und ich wurde immer nur verständnislos angesehen, doch nach und nach begann ich ihn zu verstehen und erkannte auch, manchmal muß man dann doch auch noch etwas mehr von den Werken eines Menschen gelesen haben, um sich einen Eindruck zu verschaffen, der ihm oder auch ihr einigermaßen gerecht wird.
            Else Lasker-Schüler war mit normalen Maßstäben nicht zu messen, man könnte auch sagen, sie war eine komplett verrückte Nudel, aber mit hehrem Gedankengut, doch scheinbar auf Dauer schwer zu ertragen

            Liebe Grüße zum Morgen

            Gefällt 1 Person

          • 🙂 das weiß jeder, der sie kannte oder der sie einmal erlebt hatte, liebe Christiane.
            Sie lebte viele Jahre in HD und hatte auch Lesungen in den Büchereien der Umgebung u. eine Freundin erzählte mir, wie schwierig und auch sehr bestimmend sie war. Sie hatte sie erlebt…
            Aber lies mal ihre Gedichte, das ist dann die andere Hilde Domin ´…
            Ihr Grab ist sehr bescheiden und an einem eher unauffälligen Platz. Man findet es nicht gleich, obwohl es einen kleinen Wegweiser dorthin gibt *g*

            Gefällt 1 Person

          • Ich mag ihre Gedichte sehr, Bruni, und ich habe sie auch deshalb erwähnt, weil ich von deiner Verbundenheit mit HD weiß.
            Ich kenne Bilder von ihrem Grab, ich habe sie sogar hier auf dem Blog, aber ich suche dir jetzt nicht den Link raus … 😉

            Gefällt 1 Person

  2. Eine schöne Idee die du da aus dem Montag hebst.
    Ja
    Gedichte.
    Verdichtete.
    Eingekochte
    Reduziertes
    Sehr sehr fein.
    Gegen alle übermächtige Prosa / und mit ihr.

    Gefällt 2 Personen

    • Ja, eben. Prosa ist verlockend, aber ich kann und will nicht nur Etüden schreiben (oder lesen), so verlockend sie sind, mit dem Schreiben habe ich es mir die letzten Wochen echt bequem gemacht … 😉
      Kleine, feine Wortperlen. Manchmal vielleicht auch nicht so fein, aber auf jeden Fall ausgesucht. Bin mal gespannt, wohin mich das noch führt.
      Liebe Grüße
      Christiane

      Gefällt 3 Personen

  3. das werden ja grandiose Wochenstarts! Ludwigs Etuden-Anregungen und deine Montagsgedichte – kann ja nichts mehr schiefgehen! Der Frühling kann kommen! By the way, wie wärs mit einem Frühlingsgedicht ? 🙂

    Gefällt 1 Person

    • Wenn du dich auf meinem Blog umschaust, wirst du feststellen, dass ich von der Sorte schon ein paar habe, und natürlich will ich mich erst mal nach Möglichkeit nicht wiederholen. Andererseits kann ich diese klassischen, ellenlangen Frühlingsgedichte nicht so wirklich gut ab, und die, die ich richtig schick finde, fallen dagegen unter das Copyright – und da bin ich ziemlich hinterher. Aber du hast recht, was den Frühling angeht, so für nächste Woche …
      Danke für die Inspiration!
      Liebe Grüße
      Christiane

      Like

  4. Gebändigt? *lach*
    Dein heutiges ist aber nicht gebändigt, es zeigt volle Breitseite. Grandios ist es und mit großer Wucht geschrieben, wie eine Ballade. Tolle Auswahl, liebe Christiane!
    Mit Bruchstücken, einzelnen Worten, im Netz auf die Suche zu gehen, ist fast so, als würdest du die Nadel im Heuhaufen suchen und alle Bücher im eigenen Bücherreal habe ich nur als Kind gehabt. Da war es noch nicht so verwirrend wie heute …

    Eine feine Idee mit einem Gedicht/Woche, liebe Christiane

    Liebe Abendgrüße von mir

    Gefällt 1 Person

    • Vielleicht hätte ich „geformt“ statt „gebändigt“ schreiben sollen, liebe Bruni. Bei allem anderen stimme ich dir zu und freue mich, dass du dich freust 😉
      Liebe Grüße
      Christiane

      Like

  5. Pingback: Die Amseln haben Sonne getrunken | Irgendwas ist immer

  6. Pingback: Regen – Regensucherin

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.