Lebensqualität | abc.etüden

Immer, wenn es ihm richtig mies ging, verschwand er im Keller. Das Herumfriemeln an alten Armbanduhren oder an alten Weckern gab ihm das Gefühl, noch für irgendwas gut zu sein. Die Welt draußen mit Internet und Smartphones, die war nichts mehr für ihn. Zu laut, zu schnell, zu oberflächlich. Seine Enkelin, Laura, die flippte ja schon aus, wenn ihr beim Tippen auf dem Display mal ein Fingernagel abbrach. Und alle sprachen ständig davon, dass er das nicht verstünde, dass sie so gut vernetzt wären und wie viel Lebensqualität sie gewännen. Alle außer ihm. Er nahm sich einfach Zeit.

Mit einem großen Becher Schokoladenpudding mit Vanillesoße schlurfte er ins Wohnzimmer und setzte sich vor den Fernseher. Gleich kam Tatort.

 

abc.etueden schreibeinladung 14.17 1 | lzVisuals mit freundlicher Genehmigung von ludwigzeidler

 

Für die abc.etüden des Herrn Textstaub, Woche 14/ 17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von mickzwo (Alles mit Links.) und lauten: Pudding, Fingernagel und friemeln.

 

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25 Kommentare zu “Lebensqualität | abc.etüden

  1. Neee, ehrlich gesagt, bewusst nicht. Im Haus neben uns wohnte, als ich Kind war, ein alter Mann, der ein Händchen für derartigen Bastelkram hatte.
    (Er hatte auf jeden Fall Kriegstraumata, das weiß ich heute. Mir hat seine Frau immer leidgetan, ich fand ihn unangenehm.)
    Liebe Grüße
    Christiane

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  2. Pudding
    Fingernagel
    Friemeln

    Fein, dass Du mit den Etüden weitermachst! Einen lieben Gruß auch an den fleißigen Herrn Textstaub!

    Fein, Deins. Gern gelesen.
    Dank auch an Mick, den edlen Wort-Spender.
    Zehn Sätze? Los geht es:

    Wenn sie nicht gerade Schnürsenkel auseinanderfriemelte oder Rosinen aus dem Kuchen, friemelte sie woanders. Irgendwie erschien ihr alles was sie tat, ja, ihr ganzes Leben, wie ein einziges Gefriemele. Nix Ganzes, nix Rundes, nix Homogenes, so wie die glatte schwabbelige gelbe, noch warme Vanille-Puddingmasse in der blauen Porzellanschüssel. Mutter sagte, den könne sie nicht mit den Fingern essen, doch natürlich glaubte sie ihr wieder nicht, so wie immer. Dafür durfte sie jetzt den Vanillepudding unter ihrem Fingernagel herausfriemeln, pfui bah! Doch sie hatte die Schüssel leergeschöpft, geradezu orgiastisch mit den Fingern in der Masse herumgewühlt und es drängte sich ihr eine einzige schwammig gelbe Frage in den Kopf: Wie soll ich den anderen glaubhaft klarmachen dass ich nächstes Jahr schon fünfzig werde und nicht erst fünf? Ihr Mund war süßklebrig pudding verschmiert, ihre Finger klebten, ihre Nase sowieso. Sie eine Friemlerin vor dem Herrn und bacchianthisch von innen und von außen beckleckert mit Puddingseim. Woran erinnerte sie das nur? Sie grinste, selig und wissend.

    Liebe Morgengrüße von der Fee✨

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  3. Sie hat den Pudding nicht nur unterm Nagel, sie IST Pudding, von innen und von außen. Und sowas mit fast fuffzig…das ist der Fortgeschrittene Zustand der totalen Auflösung in die formlose Fülle von Vanillepudding….

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    • Ging mir auch so. Wie ich weiter oben schon geschrieben habe, hat der Mann ein einem gewissen Umfang ein reales Vorbild, sein Enkel ist nur ein paar Jahre jünger als ich …
      Herzliche Grüße zurück
      Christiane

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  4. So einen Praktiker könnte ich hier oben gebrauchen; er bekäme Pudding in allen Sorten von mir als Belohnung und den Tatort würde ich auch mit ihm gucken-:))) Grüß ihn von mir!

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