Fallwind | abc.etüden

Vor einer Minute war noch alles okay gewesen: der Himmel blau, ihr Glück einzigartig, ihr Gang schwebend leicht. Bis sie sich umdrehte. Der Schreck ließ ihren Schritt stocken und traf sie wie ein Fallwind einen Schmetterling in einer engen Straßenschlucht: keine Überlebenschance.

Vor dem Eiscafé stand ER mit einer Frau zusammen, die all das war, was sie immer gern gewesen wäre, nämlich groß gewachsen und schlank, und die ihre blonden Locken herrlich lässig über die Schultern warf; und sie strahlten um die Wette, lachten und amüsierten sich prächtig! Allein dafür hasste sie sie spontan inbrünstig und kam sich einmal mehr klein und unscheinbar vor.

Sie fühlte sich wie gelähmt, am liebsten wäre sie unsichtbar in die Kanalisation gesickert. Der Tag war ruiniert, ach, es war nicht nur der Tag, es war doch ihr ganzes Leben! Verdammt sei diese Achterbahn der Gefühle, warum traf es immer wieder ausgerechnet sie?

Er sah sich um, entdeckte sie und streckte einladend den Arm nach ihr aus: „Schatz, wie schön, dass du auch hier bist! Komm zu uns, du kennst meine große Schwester noch nicht, oder?“

 

lz abc.etueden schreibeinladung 1 wortbehagen 27.17 | 365tageasatzadayvisuals: lz. (ludwigzeidler.de | odradet.de)

 

Ja, schon okay. Sag mir keiner, dass sie ein ernsthaftes Problem hat, was ihr Selbstbewusstsein angeht. Erzählt mir lieber, dass ihr so was nie kanntet …

Für die abc.etüden, Woche 27.17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von Bruni (wortbehagen.de) und lauten: Achterbahn, Straßenschlucht, einzigartig.

 

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31 Kommentare zu “Fallwind | abc.etüden

  1. Grins. Sie ist nur klein? Nun, es gibt Leute, die sind zudem mit einer unmodernen Figur und unregelmäßigen Gesichtszügen ausgestattet. Und haben dazu eine Haarfarbe, die nicht gerade en vogue ist (und die sie nicht ändern können, weil jede andere nicht zu ihrem Teint passen würde). Ach, ist das angenehm, alt geworden zu sein und das eigene Aussehen den Jahrzehnten zuschreiben zu dürfen! Eine nette Geschichte übrigens, obwohl die Pointe sich erraten ließ.

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    • Ja, wenn man älter wird, sieht man vieles gelassener, das ist zum Glück wahr.
      Ich wollte eine simple Geschichte mit einer simplen Pointe, liebe Elke, weil sich alles ja nur in ihrem Kopf abspielt – und das kennen wir ja alle irgendwie, oder?
      Liebe Grüße
      Christiane

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  2. An einmal kann ich mich deutlich erinnern. Es war an einer Bushaltestelle. Sie stand vor mir – groß, ganz schlank und eine wundervolle Frisur aus ganz dichten, vollen Haaren, die ich mir auch immer gewünscht hatte.
    Nach einiger Zeit drehte sie sich um —– und war ein Mann. Da habe ich noch mehr gestaunt.

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  3. Seltsam. GROSS sein wollte ich eigentlich nie. Vielleicht galt das in meiner Jugend nicht als so erstrebenswert. Außerdem habe ich eine Bekannte, etwa 190 cm groß und sehr wohlproportioniert und hübsch, die gerade unter ihrer Größe außerordentlich gelitten hat. Ihr Mann ist nur 180 cm kurz. Inzwischen ist das in Ordnung für sie, aber als Teenager fand sie ihre Situation ganz grässlich. Wie vermutlich die meisten von uns als Pubertiere die eigene Lage grässlich fanden.

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    • Ich wurde schon in meiner Pubertät eine der Kleinsten der Klasse – ich hörte einfach auf zu wachsen. Normal, meine Eltern sind beide keine Riesen, ich bewegte mich größentechnisch zwischen ihnen. Ich fands doof, aber sehr gelitten habe ich nicht drunter. Aber heute, wo die Mädels GNTM gucken und die Latte höher liegt, wer weiß … In dem Fall bin ich froh, nicht mehr so jung zu sein.
      Liebe Grüße
      Christiane

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  4. Da kann ich mitfühlen, nur beim Happyend nicht, denn nach mir hat öffentlich noch nie ein Mann, weder mit oder ohne Schwester, die Arme nach mir ausgestreckt….seuffzzz, aber ich lebe immer noch glücklich und zufrieden -:)))

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  5. Ja, das ist ein vielfältiges Thema, wer was an sich nicht mag und warum. Ich bin mit Absicht sehr oberflächlich geblieben, hatte noch überlegt, ob ich ihr irgendwelche Komplexe wegen „zu fett“ andichten sollte und dann gedacht, neee, das lass ich mal.

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  6. Oh – was ein Schock. Da würde sich bei mir auch ein Abgrund auftun und mich dann gerne verschlingen lassen, wenn die Auflösung präsentiert wird. Gut, dass sie nichts gesagt hat.

    LG

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  7. Der Schreck in der Straßenschlucht und weg ist das einzigartige Gefühl, das einen mit dem Liebsten verbindet.
    Dann die wunderschöne Auflösung, und die Achterbahn der Gefühle kommt wieder auf Kurs.
    Eine Geschichte nach meinem Herzchen, liebe Christiane

    Herzlichst, Bruni

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