Aber – Mutter??? | Etüdensommerpausenintermezzo 2

Jedes Jahr stand sie am gleichen Augusttag vor der Tür. Oma. Am Freitag nach dem Geburtstag der Zwillinge, denn am Samstag stiegen alle in das Auto und fuhren an die See. Es gab Krabbenbrötchen und das erste Bier für Papa (ab da fuhr Mama), dann gingen sie für mehrere Stunden an den Strand, schwammen oder sonnten sich oder rannten herum, später kehrten sie in einem Landgasthof ein, der für verboten gute, selbst gebackene Torten berühmt war, und schließlich juckelten sie heim. Und am Sonntag brachten sie Oma zurück.
Jedes Jahr. Auch wenn aus der Kür längst schon viel Pflicht geworden war. Man sah sich ja auch sonst nicht mehr so oft.

Dieses Jahr hatte Oma angerufen, dass sie sich den Fuß auf der Treppe verknackst hätte und nicht laufen könne. Nun packten die Zwillinge ein Care-Paket für sie.

„Gute Idee“, sagte Mama, „sie bläst todsicher Trübsal, wenn sie herumliegen muss. Was soll denn rein?“
Schokokekse!“
„Die werden aber leicht zerdrückt.“
„Wir tun die in eine Flasche mit einem ganz breiten Hals. So eine Art süße Flaschenpost.“ Sie kicherten albern. Teenies. „Und die Sonnenblumen im Garten haben wir auch fotografiert und ausgedruckt. Ist bestimmt gut für die Laune.“

Als sie bei ihr ankamen, öffnete Oma nicht. Die herausgeklingelte Nachbarin gab ihnen einen Brief.
„Sie hat gemeint, da stünde alles drin. Ist nichts Schlimmes.“

Ihr Lieben! Macht euch bitte keine Sorgen, mir und meinem Fuß geht es gut. Wenn ihr dies lest, bin ich bis Montagabend weg. Ich habe nämlich einen netten Mann kennengelernt, den will ich mir übers Wochenende näher anschauen. Es gab leider nur diesen Termin. Ich gehe bis dahin nicht ans Handy! Claudia, guck nicht so, das gibt Falten.

Es waren natürlich die Zwillinge, die als erste einander lachend High five gaben und altklug „Pflaster für die Seele“ murmelten.

 

drabblemezzo 3 | 365tageasatzadayVisuals: ludwigzeidler.de

 

Mein erstes Triple-Drabble ever, und natürlich für das Etüdensommerpausenintermezzo! Ich finde es echt erstaunlich, was man in 300 Wörtern alles so erzählen kann. Und weil mir das Schreiben zugleich auch noch einen Ohrwurm beschert hat, hänge ich den mal gleich mit an. Schönen Sonntag euch!

 

 

 

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27 Kommentare zu “Aber – Mutter??? | Etüdensommerpausenintermezzo 2

  1. Die Tochter jener Luise hieß Sandra. Und ich hätte ihren Hut erwähnt. Und vermutlich Jutta (oder meine Geschichten) verlinkt.
    Also vielleicht ihre Schwester. Wobei du recht hast, ich habe an sie gedacht.
    Liebe Grüße
    Christiane

    Gefällt 1 Person

  2. Eine schöööne Geschichte, liebe Christiane.
    Daß es der gleiche Termin sein mußte, war doof, aber dieses Date hatte auf jeden Fall Vorrang!
    Eine Oma, die nochmal mutig wird. Toll!
    Gefällt mir sehr.

    Liebe Grüße von Bruni

    Gefällt 2 Personen

    • Als mein Vater starb, liebe Bruni, war meine Mutter Anfang 60. Kein Alter. Ich hätte ihr sehr gewünscht, noch einmal eine Liebe zu erleben, aber es kam für sie überhaupt nicht in Betracht. Gut, damals wusste ich einiges nicht über ihr Leben, was ich heute weiß, und verstehe sie besser, aber dennoch unterstütze ich Neuanfänge, und sei es nur in meinen Geschichten 🙂
      Liebe Grüße, gute Nacht
      Christiane

      Gefällt 2 Personen

      • Anfang 60 ist in meinen Augen noch sehr jung 🙂
        Auch später kann es neue Lieben geben, die wunderschön sein können.
        Oh ja, ich bin auch dafür

        Liebe lächende Grüße von Bruni an Dich

        Gefällt 2 Personen

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