„Ich setzte den Freunden einen Heiligenschein auf …“, sie nickte bestätigend zu den Zeilen, das kam ihr sehr bekannt vor. Immer waren die anderen besser, wichtiger, richtiger gewesen, sie hatte sich völlig selbstverständlich zurückgenommen, machte man doch so, nicht? Ihre Rolle war die der Unentbehrlichen im Hintergrund: Taschenträgerin, Steigbügelhalterin, geduldige Ratgeberin im Namen der Freundschaft.
Die auf dem Sockel ließen sich das nur zu gern gefallen.
Sie gab freiwillig, also sah sie es als ihr gutes Recht an, dass sie auch fragte, wenn sie etwas brauchte. Dass daraufhin die Frequenz der Hilferufe stark zurückging, öffnete ihr die Augen: Die sogenannten Freunde verschwanden, ihre Heiligenscheine nahmen sie gleich mit, mit ihnen ging das Gefühl, etwas Besonderes und wertgeschätzt zu sein.
„Ich lernte spät, doch ich lernte es gut, nämlich, dass ein gewöhnlicher Hut es (meistens wenigstens) ebenso tut.“ Bis sie darüber erleichtert war, verstrich einige Zeit. Aber sie wollte ein neues Leben, alles anders, Beziehungen auf Augenhöhe, wusste, sie müsste dafür auch ihre eigenen Überzeugungen auf den Prüfstand stellen und vieles verändern, konnte sie das? …
Es gab kein Zurück.
Visuals: ludwigzeidler.de
Würdet ihr sagen, dass diese Frau ausgenutzt wurde, auch wenn sie all das, was sie für andere getan hat, freiwillig getan hat (und dafür ja mit „Freundschaft“ bezahlt wurde, bzw. dem, was sie darunter verstand)? Das ist nämlich, unter anderen, die Frage, die sie sich rückblickend stellt, da man sie das immer wieder fragt, warum sie das mit sich hat machen lassen.
Oder ist die Frage so vielleicht falsch gestellt?
Die verwendeten Zeilen sind meinem Gedächtnis entsprungen (daher übernehme ich keine Garantie für den genauen Wortlaut bzw. die Interpunktion) und stammen aus einem Gedicht von Mascha Kaléko, „Heiligenscheinheilige“. Die Werke von Mascha Kaléko sind bei dtv erhältlich.
Für die abc.etüden, Woche 36.17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von mir und lauten: Heiligenschein, Frequenz, erleichtert.
Ja, die Frau hat sich ausnutzen lassen. Das ergibt sich für mich aber vor allem aus ihrer Reaktion: Sie hat nicht wirklich gegeben, weil ihr das ein Bedürfnis und ein Herzensanliegen war, sondern weil sie unbewusst eine Gegenleistung erwartet hat, die nicht kam.
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„Unbewusst“, *nick*. Und das macht es so schwierig, das zu trennen, ob es ein echtes Bedürfnis war oder nicht. Danke!
Liebe Grüße
Christiane
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Ah, ich kenne das Wort zwar nur aus Suchtzusammenhängen, aber das macht Sinn, ja. Es kommt mir übrigens so vor, als ob Beziehungen oft so funktionierten, kann es also sein, dass Co-Abhängigkeit ziemlich häufig ist?
Liebe Grüße
Christiane
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Yo. Kann ich mir vorstellen, danke.
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Ich denke, Elke hat es gut auf den Punkt gebracht, das unterschreibe ich sofort.
Liebe Grüße
Anna-Lena
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Ich auch so.
Liebe Grüße
Christiane
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Wer andere auf einen Sockel stellt, macht sich selber klein! Begegnung auf Augenhöhe ist somit nicht möglich.
Menschen reagieren auf andere Menschen. Was ich ausstrahle geht in Resonanz. Die auf dem Sockel reagieren nur auf das Verhalten der vermeintlich „Unterwürfigen“.
Wirklich ausgenutzt, wenn das Wort an dieser Stelle mit der allgemein gültigen Interpretation hier überhaupt Bestand hat, werden die da auf dem Sockel, denn sie haben sich nicht selbst dorthin gestellt!
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Ich danke dir sehr, dass du mich darauf aufmerksam machst, dass auch die, die auf dem Sockel landen, darüber vielleicht ziemlich unglücklich sind und dort möglicherweise gar nicht stehen wollen!
Liebe Grüße
Christiane
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Sehr interessante Geschichte mit einem anderen Verlauf als erwartet. Dieser Typ Mensch kenne ich so ähnlich, aber eben ohne Forderungen bei Bedarf, eher der Typ ‚alles alleine machen‘ und die anderen sollen den Bedarf sehen, die Hilfe wird aber abgelehnt. Zwiespältig eben.
Gruß von einer Unterwegspause…
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Oh, dieses „Lies mir gefälligst von der Nasenspitze ab, dass es mir schlecht geht / alles zu viel ist, denn ich jammere nicht, ich doch nicht?“ Hilfe dann abzulehnen, ist aber eine üble Falle, damit baut man sich ein Hamsterrad vom Feinsten. „Meine Mutter ist schuld, dass mir die Hände abfrieren, warum hat sie mir keine Handschuhe angezogen.“ Ja, ja.
Nachdenkliche Grüße zurück auf deinen Weg …
Christiane
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Ich nutze jemanden aus, wenn ich erkenne, dass er nicht „Nein“ sagen kann und ich trotzdem weiter um Gefälligkeiten bitte. „Sie gab freiwillig …“. Es ist jedermanns, jederfraus Recht, um Hilfe zu bitten. Nur darf ich nicht erwarten, diese Hilfe auch zu bekommen. Wir sollten selbstlos tun, geben. Das macht uns glücklich.
http://programm.ard.de/TV/arte/die-revolution-der-selbstlosen/eid_2872416894090618
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Das ist mal eine feine Definition von „Ausnutzen“, vielen Dank. Und ich stimme dir zu, dass man Hilfe nicht als „gutes Recht“ erwarten kann – Beziehungen, die so funktionieren, sind entweder sehr klar definiert oder voller Fallstricke.
Danke auch für den Hinweis auf die Doku.
Liebe Grüße
Christiane
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Ausgenutzt ist so eine Frage – Auf jeden Fall hat sie sich ausnutzen lassen. Was als erstes da war – aus eigener Erfahrung sage ich – sie hat den Start gesetzt, die anderen sind aufgesprungen. Ich habe das auch oft genug so gemacht und reagiere genau wie in Deiner Geschichte. Ich ziehe den Hut dem Heiligenschein vor. Wobei ich noch nicht mal oft um Hilfe gefragt habe – aber wenn – dann stand ich alleine – trotz meiner oft gegebenen Unterstützung
Sehr einprägsam und selbsterkennend geschrieben. Liebe Grüsse
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Ja, es IST schwer, nicht in diese Falle zu tappen, sich ausnutzen zu lassen, wenn man gern hilft. Der springende Punkt ist aber die Frage nach der Erwartung, ob man selbst bewusst oder unbewusst Unterstützung von den „Sockelheiligen“ erwartet, weil man sie ihnen ja ständig gegeben hat. Ich finde das auch schwer.
Liebe Grüße
Christiane
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Lauter interessante Kommentare zu Deiner Geschichte, bei der ich mich auch nach meinem eigenen Handeln hinterfrage. Menschen, die gern helfen, werden immer wieder rückfällig werden, weil es in ihrer Natur liegt. Verweigerung zu üben und als Folge das Alleinsein zu akzeptieren, nicht so einfach und es erfordert Stärke.
Nachdenklicher Gruss zu Dir, Karin
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Die Frage ist, ob es keine Alternative gibt, und natürlich kann man nicht alle/alles über einen Kamm scheren.
Ich finde das auch nicht leicht.
Liebe Grüße
Christiane
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Sie ließ sich ausnutzen, weil sie merkte, das Unentbehrlichsein gefiel ihr gut. Toll, wenn sie sich nun verändern möchte. Hier müßte sie aber wohl gegen ihr eigenes Naturell angehen und da wird es sehr schwierig. Wenn sie DAS schafft, ist sie eine starke Frau und braucht diese Sockelheiligen nicht… nie mehr!
Drei Tage Pause, Urläubchen, und ich beginne gerade wieder zu kommentieren, liebe Christiane
Liebe Abendgrüße von mir
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Du fasst das Dilemma sehr schön zusammen, liebe Bruni.
(Hatte mich schon gefragt, wo du bist.)
Guten Morgen!
Liebe Grüße
Christiane
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nur drei Tage Basel und Freiburg 🙂
Aber Ihr wart alle soooo fleißig in dieser Zeit
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Die einen so, die anderen so. Wer will richten, was besser ist …
Liebe Grüße
Christiane
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*grins*
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😉
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