Löffelliste | abc.etüden

Sie saß vor dem Laptop und dachte über das Ansinnen nach, eine LÖFFELLISTE zu schreiben, wobei allein das Wort sie eigentlich schon nervte, viel zu glatt, viel zu Social-Media-tauglich. Wieder mal würde sie zielsicher aus dem Trend fallen – keine Lebensträume, die unbedingt noch öffentlichkeitswirksam erfüllt werden mussten, keine Leistungsschau kreativer Unwesentlichkeiten, je schräger, desto lieber, mit denen sie mit den anderen konkurrieren konnte. Eine ihrer Freundinnen wollte unbedingt in diesem Leben noch auf Chinareise, eine andere auf den Kilimandscharo krabbeln, das wusste sie von beiden schon lange. Schön, gestand sie sich ein: Ostafrika, Safari, Städte, Menschen, wilde Tiere, Natur, das wär’s schon, sie hatte es nämlich nicht so mit Asien. Und aus ihrer Zeit als Au-pair in Kanada lag immer noch das echte Zuckerahornblatt getrocknet im Atlas, gehütet wie ihre Erinnerungen an Ahornsirup und den ersten kanadischen Kuss.

Aber um das Auffallen geht’s doch gar nicht, hörte sie die anderen in Gedanken aufschreien, es geht darum, was du im Leben noch erreichen willst, um deine Träume! Eigentlich, dachte sie, wollte sie bloß gesund und lebendig in Kopf und Herz älter und alt werden, wollte Zeit und genug Geld haben, um sich große und kleine Wünsche zu erfüllen, die dann sicherlich beizeiten die Hand heben würden.

Zu unspektakulär für eine LÖFFELLISTE, entschied sie. Pah, schon wieder so eine „Mein Haus, mein Boot, mein Auto“-Variante, und sie wäre beinahe darauf hereingefallen. Gelassen klappte sie den Laptop wieder zu.

 

2017_45.17_eins_lz | 365tageasatzadayVisuals: ludwigzeidler.de

 

Für die abc.etüden, Woche 45.17: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von Elke H. Speidel (transsilabia.wordpress.com) und lauten: Ahornblatt, Chinareise, krabbeln.

Ich umkreise das Thema „Löffelliste“, dazu dann nächste Woche noch mehr, denn das ist keineswegs der letzte Stand der Dinge. Wer einen Hinweis zum Thema haben möchte, lese dazu hier im Totenhemd-Blog.

 

38 Kommentare zu “Löffelliste | abc.etüden

  1. Ich habe an deinen Benjamin beim Schreiben gedacht. Und ich finde es gut, sich vor dem Gedanken an die eigene Endlichkeit nicht zu drücken, was ich ziemlich lange getan habe wie vermutlich jeder, der nicht muss. Nun ja.
    Ja, man fängt an zu sortieren, was ist wichtig, was nicht. Was DABEI herauskommt, finde ich spannend.
    Liebe Grüße
    Christiane

    Gefällt 4 Personen

    • Jede/r von uns kann jederzeit an beliebig welcher Ursache sterben. Und jede/r von uns stirbt unweigerlich irgendwann, mit 100prozentiger Sicherheit. Leben heißt Sterben, denn in jedem Leben ist das Sterben mit angelegt. Aber das Wann und Wie und Wo kann niemand vorhersagen.

      Gefällt 5 Personen

    • Vermutlich wirst du an was ganz anderem sterben als du denkst, liebe dergl. Dies jedenfalls ist es, was mir immer durch den Kopf geht, wenn ich über meine vermutlichen Sterbeumstände nachdenke. Und mir geht das Rilke-Gebet durch den Kopf: „Herr gib jedem seinen eignen Tod.“ Können wir unsern eigenen Tod bestimmen, erbitten, haben? Oder liegt er fern von unseren Erwägungen? (Rilke starb wohl an Knochenkrebs)
      Die deine Krankheit begleitende Angst ist hingegen real, mit der musst du leben (nicht sterben).

      Gefällt 1 Person

  2. Wir sind ja nicht bei „Wünsch-dir-was“ und was nutzen alle Listen, wenn es dann ganz anders kommt? Leben, nichts als Leben, daran erinnerte ich mich vor ein paar Tagen und gerade das tue ich gerade aus vollen Zügen, mir meiner Endlichkeit absolut bewusst, kein Lorbeerkranz, so what?!
    Danke für deine Etüde, die ich einfach mag…
    liebe Grüße
    Ulli

    Gefällt 4 Personen

    • Eben, auch das. Wobei ich schon verstehe, dass es Leute gibt, denen das hilft, sich anhand einer Liste nicht aufzugeben, nicht zu vergessen, dass das Leben noch mehr für sie bereit halten könnte …
      Aber brauche ich für tiefe Herzenswünsche eine Liste? Nein.
      Liebe Grüße
      Christiane, innerlich sehr still dieser Tage

      Gefällt 1 Person

  3. Sie ist gut, Deine Etüde, die darüber schreibt, nicht mit dem Strom zu schwimmen, sonden gelegentlich dagegen, wenn der Strom seltsame Formen von Löffellisten u. a. Bagatellen zuwege bringt. Löffelliste, der Begriff ist mir gänzlich unbekannt und ich kann nicht sagen, ach, jetzt weiß ich endlich, was mir immer fehlte, eine Löffelliste, die muß auch noch sein …
    Nein, im Gegenteil, sie fehte mir ganz bestimmt nie *g*

    Bei der Stelle *auf den kilimandscharo krabbeln*, da verzogen sich meine Mundwinkel weit nach oben und blieben nach oben gebogen, weil sie sich in der Höhe so wohlfühlten 🙂 und beim Lesen Deiner feinen Etüde, liebe Christiane

    Liebe Grüße von Bruni

    Gefällt 1 Person

    • Ich habe Berichte über Kilimandscharo-Besteigungen gesehen, liebe Bruni, anscheinend ist das einer der wenigen hohen Berge, auf die man rauf kann, ohne ausgewiesener Bergsteiger wie Reinhold Messner zu sein, sondern „nur“ ein trittsicherer, fitter, erfahrener Bergwanderer. Ich habe das sehr bewundert.
      Löffelliste ist die Übersetzung für das amerikanische „Bucket List“, wie ich in einem anderen Kommentar schon schrieb, das ist oder war einer der Trends, den ich vor ein paar Jahren mal an mir vorbeiflitzen sah.
      Aber ich sehe immer noch nicht ein, dass ich eine haben muss.
      Liebe Grüße
      Christiane

      Gefällt 2 Personen

  4. The Bucket List, da hab ich eigentlich nur Jack Nicholson im Sinn… und diesen Film dazu.
    Ansonsten sollte man vermutlich aufpassen, dass man sein Leben nicht nur mit dem Anpassen dieser Liste verbringt, allzuschnell könnte das in eine generelle Unzufriedenheit mit dem Gewesenen münden.
    Allerdings gibt es schon noch ein paar Dinge, die mir wichtig wären, ich nenn es eben anders und schreib es nicht auf. Hab mich aber auch noch nicht aktiv damit beschäftigt… Der zugeklappte Laptop ist da sicherlich kein schlechter Weg, geradlinige Geschichte über eine Meinungsänderung.
    LG!

    Gefällt 2 Personen

    • Genau, das ist auch einer meiner Gedanken dazu, das mit der Unzufriedenheit. Den wollte ich hier nicht so breittreten, ich denke darauf noch rum, und ich brauche ja auch noch bisschen Munition für meinen eigentlichen Löffellisten-Artikel, der nächsten Mittwoch das Licht der Welt erblicken wird (siehe meine Anmerkung unter dem Bild).
      Ich habe mir eben die Inhaltsangabe und den Trailer reingezogen – kannst du mir sagen, ob sich der Film für dich gelohnt hat?
      Grüße am Abend
      Christiane

      Gefällt 1 Person

  5. Den Löffel aus der Hand geben…ist ja auch eine Redewendung dazu und
    „Eigentlich, dachte sie, wollte sie bloß gesund und lebendig in Kopf und Herz älter und alt werden, wollte Zeit und genug Geld haben, um sich große und kleine Wünsche zu erfüllen, die dann sicherlich beizeiten die Hand heben würden.“
    genau das ist es, wobei es gar keine großen Wünsche mehr sind bei mir, aber die täglichen kleinen, die zu meinen ganz persönlichen erfüllten Leben dazugehören und mein Tod…..genau so unvorhersehbar wie mein weiteres Leben. Todolisten…ich mochte sie noch nie und gute Vorsätze sowieso nicht, ich möchte auch immer noch Unvernünftiges tun, es trägt zu meiner Lebenslust bei, es steht nur auf keiner Liste, weil das oft etwas ganz Spontanes ist.
    Das ist wieder rein subjektiv, denn Menschen ,die einen anderen Hintergrund haben, wirkliche Sorgen usw. betrachten das natürlich ganz anders.
    Den Kilimandscharo besteige ich lieber armchairtravelnd mit der Tanja Blixen, obwohl Afrika ein Kontinent wäre, der mich wahrscheinlich faszinieren würde, aber dazu müsste ich 50 Jahre jünger sein. Viele Altersgenossen brechen nochmal in die Welt auf, holen Versäumtes nach, fahren kreuz- und quer über die Meere….. ich maße mir dazu kein Urteil an. Jeder nach seiner Facon.
    Und jetzt wasche ich meinen Müslilöffel ab -:)))

    Lieber Gruß, liebe Christiane, lass Dich anstecken von meiner Lebensfreude,

    Karin

    Gefällt 2 Personen

  6. Sich mal in Ruhe Gedanken machen,was man noch will im Leben?
    Ich glaube das kann ab und zu ganz sinnvoll sein.
    Gefühlt würde ich die Liste aber eher unter die Tastatur legen als sie auf meinen Blog zu stellen.
    Denn das stelle ich mir eher unangenehm vor,eine lange,vielleicht eine sehr aufregende Liste und statt Kilimandscharo wird es dann der Bungsberg und man ist sogar ganz froh darum, wenn da nicht diese doofe Liste wäre.
    Und außerdem ist das Leben voller unerwarteter Herausforderungen. Dass ich mit fast fünfzig noch einmal einen Säugling aufnehmen würde,hätte garantiert auf keiner Liste gestanden und hat natürlich viele andere Optionen verbaut. Dennoch traf sich die Entscheidung beinahe von selbst mit überwältigender Klarheit.
    Natalie

    Gefällt 2 Personen

    • He – und auf den Bungsberg soll es sogar einen Skilift geben, was man vom Kilimandscharo nicht behaupten kann … 😉
      Nee, sobald so eine Liste einschränkt, gehört sie in die Tonne, das sehe ich auch so. Und zu wissen, was man will, schadet auch nie, da hast du ganz sicher sehr recht!
      Liebe Grüße
      Christiane

      Gefällt 1 Person

  7. Da mach ich auch lieber den Laptop zu – so eine Liste würde mich nur frustieren, wenn ich sie unerledigt auf meinem Totenbett lesen würde – dann doch lieber wie bei Dir – das ist wenigstens noch realistisch zu erreichen – hoffe ich…Liebe Grüsse

    Gefällt 2 Personen

  8. Pingback: Löffelliste oder die Sache mit dem Apfelbäumchen | Irgendwas ist immer

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.