Das Leben war nur noch eine Bürde, er hasste den Alltag, eine Spirale abwärts. Sein Leib uferte aus, weil es ihm egal war, was er ihm antat, er lebte nur noch in seinem Kopf.
Als es schließlich sogar zu schwierig für ihn wurde, sich ohne fremde Hilfe sauber zu halten, sah er draußen die Blicke von „Friss nicht so viel“ zu „Schau dir mal den Penner an“ wechseln. Dass seine Hosen speckig glänzten, kümmerte ihn nicht, aber hin und wieder fiel selbst ihm auf, dass er stank, die anderen machten längst einen Bogen um ihn. Er hatte sich anfangs gegen einen Rollator gewehrt, mit so einem Ding durch den Supermarkt zu schieben, war ihm als der Gipfel der Erniedrigung vorgekommen, jetzt lernte er, dass es noch schlimmer ging: Er schaffte es gerade mal über den Hof.
Die Seele ignorieren, den Körper nicht beachten. So leicht, die Tage mit Computerspielen, Fernsehen und Essen zu füllen, immerhin trank er nicht, nie; wozu gab es Lieferdienste? Er besaß weder einen Spiegel noch eine Waage, wenn er sich jedoch mal auf den Hof in die Sonne traute, bemerkte er, dass die Blicke von Verachtung zu Betroffenheit gewechselt hatten. Das machte ihm Angst, die er nicht zugeben und nicht empfinden wollte, daher ging er immer seltener hinaus … bis es zu spät war.
Wir alle sehen von außen, wo es hinführt, aber wann fängt es an und warum, was läuft schief?
Visuals: ludwigzeidler.de
Für die abc.etüden, Woche 02.2018: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von mir und lauten: Bürde, speckig, schieben.
Keine schöne Geschichte, schon klar, wollte aber geschrieben werden.
Ich habe gerade gelernt, dass bei massiver Adipositas tatsächlich Krankheiten die Gründe sein können. ( Betrifft manchmal Tumoren und die daraus begründete Therapie.) Und da denke ich, wie schnell verurteilen wir! Liebe Grüße Kat.
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Ja, da hast du sicher recht. Gut, nach dem, was ich weiß, war es nicht der Krebs, aber klar, wir von außen sehen das erst mal nicht, was einer mit sich herumschleppt.
Liebe Grüße
Christiane
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Manchmal merkt man es gar nicht. Nicht weil man nicht will, sondern weil die eigene Wahrnehmung erst spät reagiert.
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Ja, wenn das schnell passiert, ich bin selbst jemand, der erst spät reagiert, und auf jeden Fall viel Zeit braucht, um etwas wirklich anzugehen. Aber wenn es sich über Jahre hinzieht, dann muss die eigene Wahrnehmung doch irgendwann schreien …?
Liebe Grüße
Christiane
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„Wollte geschrieben werden …“ , ja, das kenne ich gut!
Wieder ein Appell, auf sich uns andere aufzupassen, ihnen zur Seite zu stehen anstatt sie zu be- oder gar verurteilen.
Macht nachdenklich und das ist gut so!
Liebe Grüße
Anna-Lena
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… und dafür, dass alles anders sein kann, als es aussieht. Ja, eben. Verurteilt ist jemand schnell.
Danke fürs Nachdenklich-Werden!
Liebe Grüße
Christiane
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Liebe Christiane, und ausgerechnet jetzt habe ich diese leckere „Almond-Orange“-Schokolade entdeckt, die du mir empfohlen hast. Hmmmmm. Da bleibt mir nur, dir und euch hier ein Stückchen anzubieten 😉 Liebe Grüße, Annette
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Hmmmmmm! Sehr schön, liebe Annette, das freut mich (für dich). Kannst du ruhig und ohne schlechtes Gewissen, mir jedenfalls, die Geschichte beschäftigt mich zwar, drückt mir aber nicht aktuell die Seele ab … obwohl ich sie immer noch verstehen möchte.
Liebe Grüße
Christiane
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Ein sehr deprimierender Text liebe Christiane. Die Gründe für Dickleibigkeit liegen zum einen in den Genen, gefolgt von Anerziehung und natürlich Traumata in der Kindheit. Die meisten dicken Menschen belohnen sich mit Essen als einen Liebesersatz. Irgendwann kommt noch der „Scheißegal“ Faktor dazu und schon haben wir wieder jemand, den der Teufelskreis nach unten zieht.
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Ich persönlich glaube weniger an die Gene als an Traumata und Prägung durch das Umfeld, lieber Arno. Wenn die Familie dick ist, wird höchstwahrscheinlich auch das Kind viel essen und sich nicht um die schlanke Linie scheren, denn alle, die es liebt, sind ja (erst mal) so. Das sieht von außen dann nach „Genen“ aus.
Aber der Scheißegal-Faktor, der ist sicher das Gefährliche dabei.
Liebe Grüße
Christiane
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Das ist ja auch so liebe Christiane und jedes für sich ist ein mögliches Mosaiksteinchen.
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Ganz bestimmt, lieber Arno.
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Gerade Cortison soll furchtbar aufschwemmen, ich weiß, und Wasser war da auch im Spiel. Ich weiß, dass Essen/Ernährung definitiv ein Problem war, Alkohol nicht. Ansonsten war die Büchse der Pandora vermutlich viel weiter offen, als ich mitbekommen habe.
Liebe Grüße
Christiane
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Warum ist das so, dass man von Psychopharmaka zunimmt, gibt es da irgendeine griffige Kurzform als Begründung, weißt du das zufällig?
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Alles klar, danke.
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Schrecklich, aber echt gut geschrieben. Offenbar kanntest du die beschriebene Person
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Jein. Ich habe beim Schreiben viel angenommen, was so durchaus nicht stimmen muss.
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Klingt auf jeden Fall sehr plausibel ……
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Das freut mich, danke! 🙂
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Eine wirklich beeindruckende Geschichte. Gewichtszunahme als Nebenwirkung von Antidepressiva kann ich leider aus eigener Erfahrung bestätigen. Es sind viele Theorien im Umlauf, warum das so ist. Auf mich trifft folgendes zu: Gefühle (z.B. Angst, Niedergeschlagenheit) werden durch die Psychopharmaka abgeschwächt, das Sättigungsgefühl eben leider auch. Gruß, Viola.
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Simple Erklärung, tückische Auswirkung. Vielen Dank dafür, ich wusste es wirklich nicht.
Liebe Grüße
Christiane
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Gut beobachtet und fein eingefühlt.
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Ich danke dir für das Lob. 🙂
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Beeindruckend, schockierend, Deine Geschichte, liebe Christiane.
Es kann einiges sein, was hier zu dieser langsamen, aber mehr als krassen Veränderung beiträgt. Ein Trauma, Medikamente und aus einer solchen Lage kommt keiner mehr ohne einfühsame und gleichzeitig kompetente Hilfe raus. Nur wegsehen und die Nase rümpfen ist einfach, aber sich um Hilfe bemühen, kostet Mühe…
Liebe Abendgrüße von Bruni
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Das Problem, liebe Bruni, erscheint mir zu sein, dass sich der Betroffene selbst bemühen muss. Was jemandem in diesem Zustand fast unmöglich ist, entweder, weil er es nicht einsieht oder weil er schon nicht mehr dazu imstande ist.
Bittere Geschichte.
Liebe Grüße
Christiane
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Das stimmt, er muß es nicht nur wollen, er muß es auch klar und deutlich definieren und um das zu können, braucht es noch Kraft … Eine miese Abwärtsspirale in so vielen Fällen.
Lieber später Grußvon Bruni
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Jupp, da sagst du was Wahres. *seufz* Mies. Ganz mies.
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ja, und dann dauert es und dauert
und doch kann es gelingen, liebe Christiane
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Ich hoffe das immer, aber in dieser Etüde scheitert es, liebe Bruni 😦
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Mist 😦
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Tja.
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wo bleiben nur alle meine geliebten Happy Ends?
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In den Büchern.
Tschuldigung.
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och *schnief*
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Das Gefühl kenne ich: Was macht es jetzt noch aus, wenn ich zu viel esse? Mir keine schicke Kleidung mehr kaufe? Zum Glück – und Gott sei Dank! – ging es bei mir nicht bis zum Nicht-mehr-Aufstehen (ich weiß, was Depressionsvorbeugung ist, aber nicht immer schafft man es, dieses Wissen in die Tat umzusetzen), und ich konnte mich zwingen, zu funktionieren, Leute zu treffen, zu schreiben, den Haushalt zu erledigen. Und na gut, schicke Kleidung muss es immer noch nicht unbedingt sein, aber ordentliche und sauber gewaschene krieg ich hin, hab ich immer hingekriegt. Und bevor ich zur Kugel werde, kann ich auch die Esslust eindämmen. Nur die Vor-Witwen-Figur, die werde ich kaum je wieder erlangen. Ist mir nicht wichtig genug. Solange meine Ärztin zufrieden ist, finde ich alles im grünen Bereich.
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Ich kenne das Gefühl auch. Aber weißt du, wenn man sich dessen bewusst ist, dass man damit auf dünnem Eis balanciert, dann ist das schon viel wert.
Meine handelnde Person hat den Kopf mit Anlauf in den Sand gesteckt, hat nur mit dem Bauch gedacht und hat keine Verantwortung für sich übernommen.
Aber wenn man selbst das tut, wenn man Prioritäten setzt („wenn die Ärztin zufrieden ist“), ist doch alles gut. Und Prioritäten lassen sich irgendwann auch wieder ändern, wenn du es wollen würdest.
Liebe Grüße
Christiane
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Das stimmt natürlich. Ich kann gar nicht mitzählen, wie oft ich Prioritäten in meinem Leben geändert habe. Und das ist gut und richtig so, jede Phase hat ihre eigene Priorisierungsliste verdient.
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Japp, genau, sehe ich auch so.
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