Frühlingswinde

 

Ein Frühlingswind

Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
vor dem wir glühen werden -: alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.

Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind.

…. Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über uns hinaus

(Rainer Maria Rilke, Ein Frühlingswind, aus: Rilke, Die Gedichte. Insel Verlag, Frankfurt a.M. 1986. 1906 bis 1926. Vollendetes. Quelle)

 

Vorfrühling

Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.

Er hat sich gewiegt,
Wo Weinen war,
Und hat sich geschmiegt
In zerrüttetes Haar.

Er schüttelte nieder
Akazienblüten
Und kühlte die Glieder,
Die atmend glühten.

Lippen im Lachen
Hat er berührt,
Die weichen und wachen
Fluren durchspürt.

Er glitt durch die Flöte,
Als schluchzender Schrei,
An dämmernder Röte
Flog er vorbei.

Er flog mit Schweigen
Durch flüsternde Zimmer
Und löschte im Neigen
Der Ampel Schimmer.

Es läuft der Frühlingswind
Durch kahle Alleen,
Seltsame Dinge sind
In seinem Wehn.

Durch die glatten
Kahlen Alleen
Treibt sein Wehn
Blasse Schatten

Und den Duft,
Den er gebracht,
Von wo er gekommen
Seit gestern Nacht.

(Hugo von Hofmannsthal, Vorfrühling, Erstdruck in: Blätter für die Kunst (Berlin), 2. Band, Dezember 1892, Quelle)

 

Quelle: Ichmeinerselbst, Klicken macht groß!

 

Wenn man bedenkt, dass letzte Woche die Hunde noch Mantel trugen und erst mit einem ziemlich heftigen Eisregen (Montag, siehe Bild oben) der Umschwung kam, dann sind wir in der vergangenen Woche weit gekommen, frühlingstechnisch gesehen.

Vom Eise sind Strom und Bäche durchaus noch nicht befreit, ich war überrascht, ich dachte, es würde schneller tauen, aber zumindest die Vögel stehen auf dem Eis noch sehr sicher, selbst die großen wie die Kanadagänse – nicht, dass denen das Gegenteil etwas ausmachen würde. Die Hunde gehen allerdings inzwischen wieder definitiv ohne Mantel (siehe Bild), nur ihre Gassiführer sind teilweise noch nicht so vertrauensvoll. Dafür haben allerlei Fliegende und allerlei Blühende die schönsten Frühlingsgefühle, die Kanadagans zum Beispiel hat herumkrakeelt, dass es die wahre Freude war, um einen (vermutlich) Rivalen zu vertreiben, meine ganze Spazier-Runde war erfüllt von Vogelrufen (nicht nur von dem flüchtenden Rotkehlchen, siehe Bild) und ich wünschte, ihr hättet diese fetten, blühenden Weidenkätzchen im Gegenlicht sehen können, da geht einem, also mir, so richtig das Herz auf.

Wir hatten gestern (Sonntagmittag) 15 Grad in der Sonne und der Fellträger befand sich im Zustand geistiger Frühlingsumnachtung, soll heißen, in 10-Minuten-Intervallen auf der jeweils falschen Seite der Tür. Das darf er gern wieder lassen, ansonsten will ich mal hoffen, dass die Temperatur bleibt, nicht nur als Tendenz und gern mit Sonne, das tat so gut!

Kommt gut in die neue Woche!

 

29 Kommentare zu “Frühlingswinde

  1. Eine schöne Begrüßung zur neuen Woche hast du uns da bereitet, liebe Christiane. So schön kann Frühling sein. Das Hofmannsthal-Gedicht ist immer wieder wunderbar (das von Rilke kannte ich nicht, war wohl vom Winde verweht).

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    • Das Rilke-Gedicht kam mir auch eher zufällig unter, liebe Gerda. Es gehört zu den späten Gedichten, und die scheinen in den Standard-Rilke-Gedichtausgaben häufig nicht drin zu sein, weil er sie eben nicht (mehr?) selbst herausgegeben hat. Da ist also vieles „Nachlass“. Oder so.
      Ich bin gerade dabei, das zu eruieren.
      Hofmannsthal spukte mir die ganze Zeit im Kopf herum, bis ich dachte, ich drehe durch. Und dann passte er so gut.
      Die Bilder sind alle von gestern bis auf das mit dem Eisregen. Heute allerdings ist es trübe und regnerisch und der Fellträger schläft drinnen.
      Liebe Grüße
      Christiane

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  2. Liebe Christiane, mit diesen wunderbaren Worten und Bildern im Gepäck bin ich starkgemacht und komm überall hin, nicht nur durch die Woche!!! Wie schon so oft dank ich Dir herzlich für diese freundlich-klaren Worte, ich und genau die richtig dosierte Brise Seeluft, die mich durch unseren schwermütigen Föhn tanzen läßt… übrigends ob Nord oder Süd, überall das gleiche Prozedere…Kater Herbert miaut auch ständig auf der falschen Seite der Haustür, und kaum ist er im Haus, kriegt er Fellzuckungen und springt völlig unqualifiziert durch die Gegend… nun läßt der Lenz uns grüßen (Lieblingslied!) … vom Süden weht es lau… mit ganz lieben Schneeglöckerlgrüssen von Margarete Graugans

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    • Katzen halt! Und heute ist das/ein Ringeltaubenpaar hier und ruGRUHruGRUHt aufgeregt herum. Wenn sie ernsthaft versuchen sollten, bei mir zu nisten, werde ich Maßnahmen ergreifen, denn das halten weder der Fellträger noch ich aus … wobei sie viel schreckhafter als Stadttauben sind, ich erzähle ihnen schon die letzten Jahre, dass meine Bäume keine guten Nistplätze sind.
      Mir kommen diese ach so fröhlichen Frühlingslieder eigentlich bisschen norddeutsch quer, aber es lässt sich zum Glück nicht verleugnen, der Lenz grüßt uns alle und ich grüße dich aus deinem Lieblingsnorden mit allem, was ich zur Verfügung habe 😉
      Herzlich + winkend
      Christiane

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  3. Liebe Christiane,
    plötzlich ist die Luft wieder vom Vogelgesang durchtönt, die Welt kleidet sich wieder in ihre ersten Farben, der Seele wird es leicht und leichter zumute, wieder haben wir die Starre überlebt 😉
    Sehr schöne Bilder und Worte schenkst du uns zum Wochenbeginn, danke für das Ganze!
    herzliche Grüße, Ulli

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  4. Ein kleiner Beitrag von mir, u.z. Teil II eines Gedichtes von Friedrich Rückert mit dem Titel „Liebesfrühling“:

    Ich hab‘ in mich gesogen
    Den Frühling treu und lieb,
    Daß er, der Welt entflogen,
    Hier in der Brust mir blieb.

    Hier sind die blauen Lüfte,
    Hier sind die grünen Au’n,
    Die Blumen hier, die Düfte,
    Der blüh’nde Rosenzaun.

    Und hier am Busen lehnet
    Mit süßem Liebesach
    Die Liebste, die sich sehnet
    Den Frühlingswonnen nach.

    Sie lehnt sich an, zu lauschen,
    Und hört in stiller Lust
    Die Frühlingsströme rauschen
    In ihres Dichters Brust.

    Da quellen auf die Lieder
    Und strömen über sie
    Den vollen Frühling nieder,
    Den mir der Gott verlieh.

    Und wie sie, davon trunken,
    Umblicket rings im Raum,
    Blüht auch von ihren Funken
    Die Welt, ein Frühlingstraum.

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  5. Lust auf Leben wecken Deine Bilder, Gedichte und der Text dazu. Zum Gänserich habe ich unter dem Bild etwas kommentiert 😊Capucchio entdeckt die ersten Fliegen, Ameisen und weiß gar nicht wo anfangen mit dem Starren und Jagen. So sehr wie dieses Jahr habe ich lange den Frühling nicht herbei gesehnt. Beschwingte Grüsse zu Dir, Karin

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    • Ich habe den Winter auch satt und wünsche mir Frühling und Leben und Lachen und Sonne und Wind und Draußensitzen und Wärme und und und.
      Bei uns regnet es heute. Ich habe dir bei dem Gänserich geantwortet 😉
      Arbeitsame Grüße
      Christiane mit Fellträger im Belagerungszustand – wo ein Laptop ist, ist auch Platz für eine Katze!

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  6. „Der Fellträger befand sich im Zustand geistiger Frühlingsumnachtung, soll heißen, in 10-Minuten-Intervallen auf der jeweils falschen Seite der Tür.“Herrliche Beschreibung der Frühlingsbesoffenheit bei Katzen. Ja, schnell ging es jetzt von Winter auf Frühling, aber Hauptsache überhaupt.

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    • Frühlingsbesoffen 😉
      Der Witz ist ja, wie sehr unsere Tiere auf Temperaturen reagieren, also meiner in diesem Fall. Gestern und heute haben wir nämlich deutlich kühleres und nasseres Wetter, und er hat sich wieder in den gewohnten Couchpotato rückverwandelt. Allerdings bleibt er nachts länger draußen.
      Ja, Hauptsache überhaupt, du hast so recht!
      Liebe Grüße
      Christiane

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