Liebe im Mai | abc.etüden

„Das Leben ist ein Affenkasten“, seufzte die alte Frau, die mit einer Tasse Kaffee in der späten Nachmittagssonne ausruhte, „wenn du Glück hast, dann füttern sie dich, wenn du Pech hast, dann schmeißen sie mit Steinen nach dir. Man weiß es nie vorher, da kannst du janken, so viel du willst. Aber ich will dich nicht langweilen, Kind, was sagtest du, wann dein junger Mann dich abholen kommt? Hübsch siehst du aus, ist die Bluse neu?“

Die Bluse war nicht nur neu und schmeichelte ihrer Figur, sie war auch elektrischblau, was Stine zu ihrer aktuellen Lieblingsfarbe erkoren hatte, weil sie so gut zu ihrer Haarfarbe, zum Himmel und zu ihrer Laune passte, und die war strahlend. Eigentlich hatte sie nur kurz bei ihrer Omi hereinschauen wollen, aber dann hatte diese ihr den Kaffee im Garten aufgenötigt, und nun saß sie wie auf Kohlen und warf immer wieder einen Blick zur Straße.

„Es kann ja auch gutgehen“, hielt sie dem beginnenden Sermon über die Unbill des Lebens leise, aber entschieden entgegen, denn sie hatte jetzt wirklich keinen Nerv dafür, „warst du denn trotz allem nicht glücklich mit Opa?“ Sie hätte vor Ungeduld schreien und herumzappeln können, aber da bog ja schon ganz pünktlich ein Beetle, unverwechselbar durch sein cooles Maikäfer-Design, um die Ecke.

„Ich muss“, rief sie aufgeregt, wartete die Antwort nicht ab, schnappte sich ihre Tasche, drückte der alten Frau ein Küsschen auf die Wange und rannte fast davon, hinaus zu dem Mann, der ihre Träume erobert hatte.
„Ach, das Glück ist launisch“, murmelte diese und sah lächelnd ihrer Enkelin nach, „auch wenn du es nicht hören willst, du wirst es auch noch lernen, hoffentlich nicht so bald …“

 

2018_22_2_zwei lz | 365tageasatzadayVisuals: ludwigzeidler.de

 

Für die abc.etüden, Woche 22.2018: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von dergl (ihr Blog ist getaucht) und lauten: Affenkasten, elektrischblau, janken. Und da ich mich so geärgert hatte, dass mir letzte Woche die Zeit für die wunderbaren Wörter von Elke H. Speidel fehlte, sind die auch noch gleich mit drin: Maikäfer, leise, schreien.

Hier donnert es leise und zieht sich zu, geht es euch allen wettermäßig gut, da draußen im Blogland?

 

31 Kommentare zu “Liebe im Mai | abc.etüden

  1. Das Hanauer Dach ist heiß, es weht aber ein Lüftchen und am Himmel sind Wattewolken, die ihr Wasser im Spessart oder Vogelsberg ausschütten. Es ist für mich Wonne pur, dem Vierbeinigen wahrscheinlich zu warm, er liegt flach im Schatten und ratzt .
    Zu Deiner Geschichte, alles im Leben ist Wagnis und nicht berechenbar. Ich finde das gut und als geborener Optimist bin ich zuversichtlich, dass es trotz Schicksalsschlägen positiv weitergeht, ist halt auch Einstellungssache.
    Wärmste Grüsse an Dich, Karin

    Gefällt 3 Personen

    • Hier ist es auch wieder recht heiß, vorhin sah es nach Regen aus, aber der scheint aktuell um uns herumzuziehen. Ich mag die Wärme, aber wir bräuchten dringend Regen und ich habe bisschen Angst vor einem derartigen Unwetter, wie sie zurzeit so verbreitet sind … und ich fürchte, das wird ein Dauerzustand, Klimaerwärmung und so.
      Und ja: Alles im Leben ist Wagnis, alles hat immer mindestens zwei Seiten. Ja, ja, ja.
      Mein Fellträger pennt auch, immerhin hat er sich für drin entschieden, nicht für draußen. Er wird wissen, wo es kühler ist. 😉
      Liebe Grüße
      Christiane

      Gefällt 1 Person

  2. Bei der Tochter in Mcpom warten sie auch auf Regen, denn auch dort ist es viel zu trocken. Mit den Unwettern wirst Du leider Recht behalten, die Extreme nehmen leider zu und daran ist kurzfristig nichts zu ändern.
    Dir und dem Fellbündel erträgliche Stunden, wünscht Karin

    Gefällt 1 Person

  3. Hier im Bergischen ist es noch recht erträglich, mit gelegentlichem Gewitter und Regen, zum Glück keine Wuppertaler Verhältnisse.
    Ich glaube, Diskussionen wie die oben dargestellte kennen wir alle, auch wenn wir’s nicht hören wollten…

    Gefällt 1 Person

    • Ja, und je älter wir werden, desto eher wissen wir, dass beide recht hatten: Sie, die es gesagt hat, und sie, die es nicht hören wollte. Alles zu seiner Zeit.
      Hier ist es trocken geblieben, leider, aber es hat bisschen abgekühlt, was schon mal zum Schlafen toll ist.
      Gute Nacht
      Christiane

      Gefällt 1 Person

  4. Ich meine, keine hat wirklich Recht, nur die Enkelin darf, soll und muss sich ins Leben stürzen, das geht ihrem Beetle-Driver vermutlich nicht anders. Die Lebensweisheiten der älteren Generation sind teils einem unerfülltem Leben geschuldet, teils der Realität und würden sie befolgt werden, würden sie der nachfolgenden Generation die Möglichkeit auf eigenen Lebensgestaltung nehmen. Schwieriger die andere Variante: die Alten raten zu, die Jungen zögern von früh bis spät, treffen keine Entscheidung, oder nur Entscheidungen gegen das Leben.
    Von daher: alles gut wie es ist, und klar, die Geschichte trifft ins Schwarze, kennt jede/r irgendwie, auch wenn das sicher eben eine von vielen möglichen Varianten darstellt. Sei es die Liebe, die Arbeit oder einfach das Leben.
    Schön, wenn man sich irgendwann an unbeschwerte Zeiten erinnern kann.
    Nice Weekend to the Hansestadt.

    Gefällt 1 Person

    • Ich finde (habe ich gefühlt schon ein paarmal geschrieben), dass beide recht haben. Klar hat das Mädel recht, die in ihr Leben aufbricht und ihre eigenen Erfahrungen machen und ihre eigenen Entscheidungen treffen muss, klar hat die Alte recht, die ihr Leben überschaut und manchmal nicht so recht glücklich mit seinem Verlauf ist. Aber nirgendwo lese ich hier, dass sie sich wünscht, dass ihre Enkelin diese Erfahrungen nicht macht, sie wünscht ihr nur, dass das Glück recht lange bei ihr bleiben möge, und das ist etwas anderes (in meinen Augen).
      Ha, du wohnst offensichtlich in einem Feiertag-Bundesland, wilder Süden, ja? Bitte eine Gedenkminute an den Norden, der arbeitet und in der Hitze schwitzt … (noch nicht, aber später)
      Liebe Grüße
      Christiane

      Gefällt 1 Person

  5. Eine richtig gute Geschichte, liebe Christiane, mit der Du den Punkt triffst, daß eigentlich alles auf das eine Ziel gerichtet ist und die Oma nur dazwischengeschoben wurde..
    Du erschaffst schreibend Bilder, die klar gezeichnet sind und die Geschichte lebhaft machen

    Liebe sonnige Grüße von Bruni

    Gefällt 1 Person

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.