„Pfiffiküsschen, komm her und gib Oma ein Küsschen!“ So entstehen lang anhaltende Abneigungen gegen Wörter – „Pfiffikus“ stand auf seiner Liste konkurrenzlos ganz oben. Zuerst hatte er die Knutschanfälle seiner Oma noch über sich ergehen und sich tätscheln, herzen und küssen lassen, aber später hatte er immer öfter und immer lauter „Bäh!“ geschrien und war weggerannt, sobald sie sich näherte. Dass das seine Oma traurig machte, hatte er wohl bemerkt, auch, dass seine Mutter „Ach, lass ihn, in dem Alter sind sie alle so!“ gesagt hatte, aber er konnte es nun mal einfach nicht aushalten, dieses weiche, weiße Fleisch, diese Umarmung, in der er versank und keine Luft bekam, dieser Geruch nach Waschmittel, Deo und alternder Frau, überdeckt mit Parfum …
Sie hatte tapfer gelächelt und ihm verkündet, dass er ihr Lieblingsenkel sei, was auch immer er anstellen würde. Inzwischen war er selbst nicht mehr jung, aber diese Ansage hatte die Jahre überdauert.
Und nun war sie tot.
Nie wieder würde seine Lieblingsoma auf ihrer bequemen Chaiselongue liegen, noch traumverloren die Augen aufschlagen und dann lächelnd „Na, Pfiffiküsschen, soll ich uns einen schönen Kaffee machen?“ sagen.
Er saß neben ihr am offenen Sarg und verlor sich in Erinnerungen. Etwas berührte seine Hand, dann noch einmal, und als er hinabsah, bemerkte er erst, dass er weinte.
Visuals: ludwigzeidler.de
Für die abc.etüden, Woche 24.2018: 3 Worte, maximal 10 Sätze. Die Worte stammen in dieser Woche von Bernd von Red Skies over Paradise und lauten: Pfiffikus, traumverloren, tätscheln.
Für den Ordner „zu spät“. Der ist bei mir ziemlich dick ….
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Ach, wer hat den nicht, diesen Ordner?
Aber ich denke, sie hat es gewusst …
Liebe Grüße
Christiane
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Das kann man in vielen Fällen nur hoffen ….. trauriges Thema
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Wenn man es schafft, sich so zu verhalten, dass man sich nichts vorzuwerfen hat, dann ist vieles gewonnen, besonders für einen selbst. Aber ja, ach und weh …
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Wenn man es denn schafft, aber es kann ja auch noch so sein, dass man sich eh gar nichts vorzuwerfen hat und das trotzdem tut …. und, und …..
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Hätte, wollte, könnte, würde … 😦
Irgendwas ist immer.
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JA, die Weisheit von diesem Satz wird mir immer klarer und wie oft er passt …… 🙂
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😎
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Man muss manchmal schon sehr stark sein als Eltern oder Großeltern wenn die Kinder oder Enkel sich lösen und manchmal erst zu spät merken, was in ihrem Leben wirklich bedeutend war.
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Ja, ganz sicher. Aber bei den beiden aus meiner Geschichte sehe ich kein „zu spät“.
Er mag es ja hassen, wie sie ihn nennt, aber er hat sie offensichtlich öfter als einmal aus ihrem Nachmittagsschläfchen geweckt … und das bestimmt nicht unfreiwillig.
Liebe Grüße
Christiane
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Es sind diese nervenden und doch lieb gewordenen Marotten der älteren Generation ,die plötzlich fehlen und eine Leerstellen hinterlassen, die schmerzt.
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Da gehört auch das „ich habe es ja nur gut gemeint“ mit rein. Das hat auch oft genervt.
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Jupp, da sagst du was. Ich habe da schon als Kind mit „Ratschläge sind auch Schläge“ gekontert, aber Freunde habe ich mir damit nicht gemacht. 😏
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Ja, und wie immer merkt man manches oft zu spät.
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Danke für dieses Kleinod. Ich bin berührt. Dass aus dieser Wortspende etwas wird, das Emotional zu meinem eigenen, entfernt Erlebten, passt, freut mich. Liebe Grüße, Bernd
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Das freut mich total. Ich danke dir für die Rückmeldung.
Liebe Grüße
Christiane
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Schön geschrieben, man vermeint zu hören, zu spüren, zu riechen …
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Danke, freut mich, wenn es dich berührt ☺️
Liebe Grüße
Christiane
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Huhu, liebe Christiane, deine Etüde würd ich gern im Totenhemd-Blog veröffentlichen/rebloggen wenn Du OK gibst. Sehr schön geschrieben übers Pfiffiküsschen.
Schönen ABend. Herzlich. PEtra
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Ich hab den Reblog-Button für dich freigeschaltet, liebe Petra, gerne darfst du meine Etüde rebloggen, ich freue mich!
Liebe Grüße
Christiane
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Hat dies auf Totenhemd-Blog rebloggt und kommentierte:
„Pfiffiküsschen, gib Oma ein Küsschen“, ist das nicht herrlich? Christiane hat es mit ihrer Etüde auf den Punkt gebracht bzw. ins Gefühl. Es blitzte sofort etwas in mir auf … ein Gedanke, eine Geste, ein Lächeln, Omas Hände.
Meine Oma hat zwar nicht Pfiffiküsschen zu mir gesagt dennoch fehlt etwas seit ihrem Tod, der schon lange her ist.
Nach dem Tod eines lieben und nahen Menschen fehlt immer etwas was diesen und die Beziehung miteinander ausgemacht hat. Diese Lücke ist nie zu füllen. Deshalb wollte ich Christianes schöne Etüde rebloggen und Euch zum Lesen schenken.
Habt Ihr auch so einen Erinnerungsblitz, wenn Ihr die Geschichte lest? Ihr dürft auch ruhig ein wenig traurig werden …
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