Von Farben und Blumen

 

Rosa Hortensie

Wer nahm das Rosa an? Wer wusste auch,
dass es sich sammelte in diesen Dolden?
Wie Dinge unter Gold, die sich entgolden,
entröten sie sich sanft, wie im Gebrauch.

Dass sie für solches Rosa nichts verlangen.
Bleibt es für sie und lächelt aus der Luft?
Sind Engel da, es zärtlich zu empfangen,
wenn es vergeht, großmütig wie ein Duft?

Oder vielleicht auch geben sie es preis,
damit es nie erführe vom Verblühn.
Doch unter diesem Rosa hat ein Grün
gehorcht, das jetzt verwelkt und alles weiß.

(Rainer Maria Rilke, Rosa Hortensie, aus: Der neuen Gedichte anderer Teil, Herbst 1907, Paris, oder Frühling 1908, Capri, Online-Quelle)

 

Blaue Hortensie

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist gelb in ihnen violett und grau;

Verwaschnes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragnes dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

(Rainer Maria Rilke, Blaue Hortensie, aus: Neue Gedichte, Juli 1906, Paris, Online-Quelle)

 

Die blaue Kornblum wohnt versteckt

Die blaue Kornblum wohnt versteckt,
So hab ich meinen Schatz entdeckt.
Sie kann nicht meinen Händen wehren,
Wiegt sie wie’s Sommerfeld die Ähren.
Die Ähren sind jetzt körnerschwer,
Als läg schon Brot mannshoch umher,
Und nahrhaft wie im Bäckerhaus
Sieht’s an der langen Landstraß aus.
Mein Schatz die Ähren streicheln tut.
„Nach Leben riechen sie so gut,“
Sagt sie. Und schau ich roten Mohn,
So fang ich auch sein Feuer schon.
Ich gäb gern alle Ähren her,
Und gern wär mir die Hand brotleer,
Blieb mir am Lebensend davon
Liebe betäubend wie der Mohn.

(Max Dauthendey, Die blaue Kornblum wohnt versteckt, aus: Singsangbuch. Liebeslieder, in: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 151)

 

Quelle: ichmeinerselbst

 

Kommt gut in die neue Woche!

 

13 Kommentare zu “Von Farben und Blumen

  1. Die so lange als Friedhofsblume verpönte Hortensie darf endlich wieder in Gärten, Sträußen, Kränzen ihre Schönheit entfalten, im Gedicht wurde sie nie unmodern. Zum Dauthendey fällt mir natürlich sofort der Ohrwurm Ein Bett im Kornfeld ein🤗Starte gut in die wieder heisse Woche, zumindest hier sind Temperaturen bis 38C angesagt und sei herzlich gegrüßt, Karin
    Mein Wildfang wünscht Deinem gute Besserung. Und der Enkelfratz wünscht sich zum Geburtstag ein eigenes Feld zum Mähdrescher, der auch auf dem Gabentisch stehen soll. Ob ich ein Kästchen mit Katzengras sprießen lasse?

    Gefällt 2 Personen

    • Ich bin eigentlich kein Hortensien-Fan, obwohl ich sie nie als Friedhofsblume gesehen habe, aber ich fotografiere sie gern, speziell die blauen, speziell nach Regen. In meiner Straße blühen in fast allen Vorgärten welche. Das Gedicht/die Gedichte sind davon natürlich völlig unberührt, Rilke spricht ja nicht wirklich über Hortensien.
      Mähdrescher dagegen sind aber auch echt faszinierende Dinger, liebe Karin, da kann ich ihn verstehen. Nur die Umsetzung im Kleinen, tja … Katzengras ist bestimmt eine Option, vielleicht geht ja auch Kresse oder so, weiterführendes Stichwort Fruchtwechsel …
      Mein Fellträger schläft den Schlaf des Gerechten, hier soll es auch heiß werden, aber bei euch ist es vermutlich schlimmer …
      Liebe Grüße
      Christiane

      Gefällt 1 Person

  2. Rilkes Gedichte: Eine Aufforderung, Farben mit derselben gesteigerten Aufmerksamkeit zu betrachten. Grossartig mal wieder, wie er einem verblichenen Hortensienblau nachspürt, an dem ich gleichgültig vorbeigehe.

    Gefällt 3 Personen

    • Das ist es, was ich so mag, auch an Gedichten: die Schönheit im Kleinen sehen, Zwischenzustände wahrnehmen und den Assoziationen nachspüren, die dann an die Oberfläche des Bewusstseins drängen. Wie schön, wenn man dann die Möglichkeit besitzt, diese künstlerisch umzusetzen.

      Gefällt 4 Personen

  3. Woran wir so achtlos vorbei gehen, wurde in diesen Gedichten wunderbar eingefangen. Trotzdem hätte auch ich es gerne etwas kühler… Ich hätte Hortensien auch nicht mit Friedhof in Verbindung gebracht, weil ich sie in so vielen Gärten sehe.

    Gefällt 2 Personen

      • Ich habe ja geschrieben: inzwischen……Vor 30- 40 Jahren noch waren sie als Geschenk verpönt wie Alpenveilchen, Nelke,es waren Allerweltsblumen. Man brachte sie mit, wenn einem nichts Besseres einfiel, eben auch zu Beerdigungen.Und auch sie kommen wieder, rücken neu ins Bewußtsein.
        In einem Hausgarten waren sie damals verpönt, allenfalls im Bauerngarten wurden sie geduldet. Erst als es wieder „in“ wurde, dass die Dame des Hauses gärtnern durfte, kamen sie aus Holland und England wieder in Mode und sind seitdem fester Bestandteil in den meisten Gärten.
        Ich habe Hortensien auf dem Dach in allen Formen und Farben : Kletter-, Teller- und Ballhortensie, im alten Garten wuchsen sie leider nicht, da zu sandig und zu trocken.
        Im Moment haben wir 33C!

        Gefällt 1 Person

        • Manchmal müssen auch die neuen Gärten, soll heißen, dein Dach, Vorteile haben! Meine Mutter liebte Alpenveilchen, daher habe ich die nie so als Stiefkinder empfunden, aber ich hatte bisher nie ein rechtes Verhältnis zu Hortensien.
          Wir sind noch knapp unter 30 °C, aber die Wärme legt sich wie ein leicht feuchtes Tuch um den Körper, wenn man vor die Tür geht. Nicht besonders angenehm.

          Gefällt 1 Person

  4. Bisher waren mir Hortensien ziemlich schnuppe 🙂
    Aber Rilkes Gedicht und seine Farbbeschreibungen sind schon grandios und die Kornblume in blau von Herrn Dauthendey – einfach liebenswert und wunderschön, liebe Christiane
    Wie geht es dem Fellträger? Alles wieder ok?

    Liebe Montagsgrüße von Bruni

    Gefällt 1 Person

    • Die Wunde ist offen und wird säuberlichst geputzt, liebe Bruni, und darf jetzt irgendwie heilen. Das heiße Wetter lädt ja eh zum Schlafen ein, ich denke, das kommt ihm entgegen. Gut ist, dass er die Antibiotika-Pillen wie Leckerlis frisst, das hatten wir auch noch nicht.
      Die Gedichte sprangen mich an, und da ich in den Gärten von Hortensien umgeben bin, habe ich nur noch ein bisschen was Handfesteres dazugeworfen. 😉
      Gegen Rilke anzustinken ist eh schwer.
      Liebe Grüße
      Christiane

      Gefällt 1 Person

      • Na, ich finde, Du setzt Herrn Rilke echte Kaliber entgegen, da hat er es nicht so einfach 🙂
        Sei froh, daß er die Pillen so problemlos frißt. Nicht .bei allen ist es so einfach. Manchmal mußte ich sie in kleine Hackfleischbällchen verpacken *lach*
        Liebe Grüße in die Nacht

        Gefällt 1 Person

        • Ich BIN froh. Sehr froh. Aber wir haben wenig Probleme mit Tabletten, weil er sie sich relativ protestlos einflößen lässt.
          Aber bei aller Liebe zu Dauthendey: kein Vergleich zu Rilke, liebe Bruni. ☺️

          Gefällt 1 Person

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.