Mein Leben ist wie leise See
Mein Leben ist wie leise See:
Wohnt in den Uferhäusern das Weh,
wagt sich nicht aus den Höfen.
Nur manchmal zittert ein Nahn und Fliehn:
aufgestörte Wünsche ziehn
darüber wie silberne Möven.
Und dann ist alles wieder still. . .
Und weißt du was mein Leben will,
hast du es schon verstanden?
Wie eine Welle im Morgenmeer
will es, rauschend und muschelschwer,
an deiner Seele landen.
(Rainer Maria Rilke, Mein Leben ist wie leise See, aus: Dir zur Feier, 1897/98, Online-Quelle)
Die Möwe
Ich hatte daheim eine Liebe,
Mein Gott, wie lange ist’s her!
Die Möwe flog über die Dächer
Und draußen tobte das Meer.
Ich hatte daheim eine Liebe,
Es ging, wie immer es geht.
Heut steh’ ich an alter Stelle,
Mein Mantel flattert und weht.
Ich weinte so viele Tränen,
Mein Gott, wie lange ist’s her.
Die Möwe kämpft mit dem Sturme
Und draußen donnert das Meer.
(Carl Bulcke, Die Möwe, aus: Die Töchter der Salome, 1901, Online-Quelle)
Möwe über der Brücke
Dir unterm Fuß,
Zwischen den Ufern Schreitender, spannt
Sich der Brücke gewölbter Bogen.
Und eine Möwe,
Wie ein Gedanke fernher blitzend,
Schießt auf dich ihre blendende Bahn.
Eine Sekunde
Stößt ihr Auge in deines, greift
Dich der weißen Schwinge Umarmung.
Eine Sekunde
Hebt dich der Flug, trägt dich der Geist,
Der schwerelose, brausend empor.
Es weht dich an
Der unendliche Raum, es rauscht
Freiheit dir unermeßlich ums Haupt.
Wie ein Gedanke
Der weiße Vogel, fernhin sich windend,
Und kehrt dir einmal wieder vielleicht
Solange noch
Von Ufer zu Ufer, Wanderer, dich
Der Brücke schweigender Bogen trägt.
(Maria Luise Weissmann, Möwe über der Brücke, aus: Imago, 1922-29, Online-Quelle)
Quelle: ichmeinerselbst
Kommt gut in die neue Woche!
Danke Christiane, das sind wieder feine Impulse zum Wochenbeginn. „Eine Sekunde stößt ihr Auge in deines, greift dich der weißen Schwinge Umarmung…..“ und all die nachfolgenden Bilder wirken in mir weiter. Auch dir eine feine Woche mit frischen Impulsen!
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Wir schauen sie an und erkennen etwas/uns in ihnen. Vermutlich ist es nur allzu menschlich, das zu denken, aber ich frage mich schon manchmal, wie unterschiedlich die Gedanken einer Möwe von der einer Katze sein könnten … oder eines Hundes … oder einer Ratte … und wovon gefärbt.
Und dann wäre ja da noch die Geschichte mit dem/den Totemtier/en. Weites Feld.
Liebe Grüße aus dem überaus kühlen Hamburg
Christiane
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„Die Möwe“ gefällt mir sehr!
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Dieses Mal bin ich mit dem bekanntesten Gedicht eingestiegen. Ich mag „Die Möwe“ auch sehr, die ist irgendwie rund und schlüssig und rhythmisch und alles, was man sich so wünscht ;-)
Schön, dass es dir auch so geht!
Liebe Grüße
Christiane
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Die meisten Gedanken der Tiere werden sich um’s Fressen drehen -:))) Als Ausgleich für das schwere Los der Nahrungsbeschaffung haben sie das Fliegen (Möwe), die Intelligenz (Ratte, Katze), den Spieltrieb (Hund und Katze) bekommen und keines der Tiere würde vermutlich mit uns tauschen wollen. Sie kennen keinen Neid so wie wir Menschen, sie streiten sich zwar ums Futter, aber das ist Überlebenskampf.
Möwen in Massen können unheimlich sein, das unterscheidet sie nicht von den Menschen, aber als Einzelexemplar (ich denke an das Bild beim autopict) zauberhaft.
Danke für Deinen Möwendreiklang und habe einen guten Start in die Woche, sei herzlich gegrüßt vom ebenfalls kühlen Dach in Hanau, Karin
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Jupp, an das genialische Möwenbild von Herrn autopict habe ich natürlich auch gedacht, als ich nach meinen Möwenbildern gekramt habe, seine Silbermöwe ist schon ein echter Glücksschuss. Zuerst wollte ich die berühmte Möwe Emma noch auftreten lassen, aber dann habe ich mich doch dagegen entschieden …
Liebe Grüße aus der inzwischen deutlich wärmeren Großstadt – bedeckt ist es, sie haben für den Nachmittag eventuell Gewitter gerufen …
Christiane
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Möven sind für mich die personifizierte Sehnsucht. Ich wüsste auch gerne, was in ihren Köpfen vorgeht… Danke für diesen luftigen Wochenstart.
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So war es für mich, bis ich vor vielen Jahren nach Hamburg zog. „Person“-ifizierte Küsten- und Seemannsromantik. Das hat sich inzwischen bisschen gelegt (hier sind sie überall, meist die kleinen), aber wenn ich draußen an der Küste bin, erwischt mich das auch immmer.
Liebe Grüße
Christiane
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Danke für die schönen Gedichte!
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Gerne! Schön, wenn sie dir gefallen!
Liebe Grüße
Christiane
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Mein Leben ist wie leise See
wer weiß nicht schon bei diesen Zeilen, so schrieb nur einer
und doch gibt es die vielen andern und unter ihnen die vielen sehr guten und bekannten Namen und ich mag sie, die Möwengedichte, ich mag sie alle sehr und es verwunderte mich, daß ich keinen einzigen Titel bei mir hatte, der Möwe hieß und doch spuckte die Suchfunkton unter dem Begriff Möwe vieles aus und vieles bezieht sich auf frostige Tage und winterliches Geschehen. Da klickte ich mich schnell weiter, denn den winter mag ich noch nicht.
Die Möwe Emma, oh ja, wie wunderschön, aber da ist auch noch die Möwe Jonathan *Du lkannst erreichen was du willst*
Ganz herzlich, am Tag danach, wie so oft, von Bruni
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Liebe Bruni, Jonathan findet in meinen Möwengedichten keinen Niederschlag, weil es kein Gedicht ist (so einfach ist das), und außerdem wäre das Buch zu jung, um daraus zitieren zu dürfen, du weißt doch, ich bin da pingelig …
Ansonsten ist es hier in den letzten Tagen trüb und recht kühl, ich fühle mich durchaus schon recht herbstlich angeweht, ist es bei dir auch so?
Liebe Grüße
Christiane, die auch noch nicht an Kälte denken will
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ich dachte nur, weil es ein sehr poetisches Buch ist
Aber es ist zu jung, das stimmt…
Herbstlich angeweht, was für ein hübsche Formulierung, liebe Christiane, das bin ich tatsächlich auch.. Ich wollte es nicht wahrhaben, aber es ist so *schmunzel*
Liebe Abendgrüße von Bruni
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Na ja, wenn man wieder anfängt, den Gedanken an langärmlige Klamotten attraktiv zu finden, dann ist der Sommer im Schwinden …
Wir hatten viel davon, und ich würde mich freuen, wenn die Sonne noch bisschen bliebe, zumindest als Wärme, nicht als Hitze …
Abendgrüße retour
Christiane
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Wir hatten viel davon, wie wahr, liebe Christiane *g*, so viel, daß wir hätten abgeben können…
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Wohl wahr!
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