Lumis Geheimnis | abc.etüden

Auch ich möchte die Gelegenheit der Extraetüden nutzen, eine Geschichte weiterzuerzählen, auch, weil doch viele danach gefragt hatten. Ob ich noch mal darauf zurückkomme, weiß ich nicht, einerseits sprengen die Geschehnisse den Etüdenrahmen, andererseits ist oder wäre da noch so viel Luft … Egal, hier ist erst mal Teil 5 meiner Lumi-Geschichten. Bisschen dick aufgetragen? Na und.

Teil 1: Lumi

Teil 2: Im Blockhaus

Teil 3: Eröffnung

Teil 4: Wahrheit

 

***

Spannende Erkenntnisse zog Lumi aus ihren Gesprächen mit Keijo: Ihre Mütter waren beide bei der Geburt gestorben. Sie hatte einen Vater, der ein Elf war. Der lebte! Keijo wiederum hatte eine Mutter gehabt, die elfisch (und tot) war, weil das Geschlecht der Kinder immer gegengeschlechtlich zum elfischen Elternteil war.
Also waren sie keine Geschwister.
„Stimmt“, bestätigte Keijo. „Du bist meine Cousine. Und übrigens, ich bin mehr als ein paar Jahre älter als du. Ich sehe bloß jünger aus.“
Lumi ließ ihm das durchgehen, denn sie beschäftigte etwas anderes. „Kennst du meinen Vater?“
„Ja.“
„Will er nicht wissen, wie es mir geht?“
„Was glaubst du, warum ich hier bin?“

 

Irgendwann musste es auch dem Dümmsten auffallen, dass Lumi immer öfter Sätze mit „Keijo hat gesagt“ begann. Hanna war nicht dumm. Lumi wollte etwas von ihr.
„Lumi“, fragte sie unter vier Augen, „wer ist Keijo? Gibt es etwas, was ich wissen sollte? Wird das ein Gespräch, dass du mit mir zum Frauenarzt gehen willst?“
Lumi schüttelte den Kopf und wurde ein bisschen rot.
„Er sieht aus wie ich“, stieß sie hervor. „Wir reden darüber, wer ich bin.“
Oh! Würde Lumis Geheimnis jetzt gelüftet werden? Dann besser hier als draußen.
„Ihr trefft euch in der Hütte? Bei dem nasskalten Winterwetter? Bring ihn mit, wenn er will, es ist okay.“
„Wenn er will“, hatte Lumi zugestimmt.

Den Garten verzierte der bunt geschmückte Winterbaum. Ach herrje, dachte Hanna, als Keijo an ihm vorbeiging, der sieht ja aus wie … Sie stockte.
Die Zeit der Wahrheit war also wirklich gekommen. Nach all den Jahren.

„Es ist gut, dass wir uns trennen, obwohl ich weiß, dass ich dem nachtrauern werde, was hätte sein können. Wir werden aus der Ferne über dich und die Deinen wachen. Und später vielleicht, irgendwann, werden wir mit einer Bitte an dich herantreten, die etwas mit einem Kind zu tun haben wird …“

Sie saßen auf der Küchenbank und hielten ihre Teebecher umklammert.
„Ich schulde dir eine Geschichte, Lumi“, sagte Hanna. „Euch beiden.“

An einem stürmischen Winterabend war Lumi vor ihrer Tür aufgetaucht. Stumm, frierend, durcheinander. Aber nicht allein. Hanna hatte das Herz geblutet, als sie die Angst in den Augen des Mädchens gesehen hatte, und sofort den Arm um sie gelegt, was diese wunderbarerweise zuließ.
„Was ist passiert?“
„Autounfall. Die Frau, die sie für ihre Mutter hielten, tot. Im Krankenhaus haben sie ihr Blut untersucht und festgestellt, dass diese Zusammensetzung völlig unbekannt ist. Das Übliche. Daraufhin haben sie angefangen, sie auf den Kopf zu stellen, und sie dortbehalten. Ein einziger Horrortrip. Wir haben sie quasi entführt. Jetzt braucht sie eine neue Familie.“
Kann sie hierbleiben, fragten die Augen des Mannes, dessen Liebe sie nie vergessen würde. Sie überlegte nicht lange und nickte. Wo drei Kinder waren, war auch Platz für ein viertes. Er entspannte sich und wurde etwas weniger transparent. Hanna wusste, dass das nicht nur der Aufregung geschuldet war. Sein Volk war so.

So hatte es begonnen.

„Wie hieß er?“, fragte Keijo.
„Jonne.“
Ein klargrüner Blick. „Jonne ist mein Onkel.“

 

Extraetüden 01.19 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Für die abc.etüden, Ausgabe Extraetüden, Woche 01.2019: 5 Begriffe (aus 6), maximal 500 Wörter. Ich habe dieses Mal folgende Wörter verwendet: nachtrauern, nasskalt, Winterbaum, transparent, bluten.

 

16 Kommentare zu “Lumis Geheimnis | abc.etüden

  1. Märchen, Etüden, Fabeln zum Beginn des Jahres…was könnte besser passen und sie sind noch nicht auserzählt, liebe Christiane !!!!! Ich dürste, aber ich bin auch geduldig.
    Lumi ist ein so schöner Name….
    Lieber Gruss an Dich, Karin

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    • Nein, sie ist noch lange nicht auserzählt, meine Geschichte, liebe Karin. Je weiter ich gedanklich vordringe, desto mehr Möglichkeiten tun sich auf …
      Ich finde „Lumi“ auch schön. Und „Keijo“. Und „Jonne“. Alles finnisch, sagt das Netz.
      Schönen Abend dir/euch und liebe Grüße
      Christiane

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  2. Du spannst uns wirklich auf die Folter… immer ein Stückchen weiter. Aber ich freue mich auch schon auf die nächste Fortsetzung!!!

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  3. Das verästelt sich immer weiter, mit 500 Wörtern geht auch was. Und die Geschichte – übrigens sehr fabulös – kann mbMn auch für sich selbst stehen.
    Ein gutes Neues, übrigens!

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    • Frohes Neues auch dir! Ja, Lumi ist jetzt endgültig an dem Punkt, wo es Hintergrundinfos und -Geschichten braucht. Die 500 Wörter waren ein Segen, aber eigentlich musste ich die Geschichte zu kurz abhandeln, zumindest für meinen Geschmack, da wäre noch erheblich mehr gegangen und eigentlich auch notwendig gewesen. Mal sehen. Gerade (also in den nächsten Wochen) fehlt mir jedenfalls die Zeit.
      Hab Dank fürs nächtliche Vorbeischauen, immer wieder!
      Liebe Grüße
      Christiane

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      • Ich denke, das ist natürlich die Schwierigkeit, hat man sich mal an die 300 Wörter gewöhnt, und dann sind es plötzlich 500, muss man eben ein wenig umdenken. Aber du hast das ja gut geschaukelt. Je mehr Fortsetzungen es gibt, desto schwieriger ist es vielleicht auch, die Geschichte für sich alleine stehen zu lassen, denke ich mal. Bin gespannt.
        Ansonsten ist mein Tag-Nacht-Rhythmus sowas von aber im AEimer, ich sags dir. Vielleicht eine Nacht durchmachen, dass ich wieder in die Spur komme? Mal sehen. Montag ist ja wieder der Tag der Wahrheit, nachdem der 6. auf einen Sonntag fällt (3-Könige = Feiertag im Süden).
        Viele Grüße und viel Zeit wünsch ich dir! 😉

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  4. Wie spannend ist es nun schon, liebe Christiane.

    Jonne ist mein Onkel… und nun möchte ich wissen, wie es weitergeht und weitergeht und auch, wie es dem Fellteräger geht

    Liebe Abendgrüße von Bruni

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  5. Feine Fortsetzung, liebe Christiane!
    Inzwischen hast Du den Figuren schon so viel Leben eingehaucht, daß ich ihnen eine buchstäbliche Eigenwilligkeit ablesen kann.
    Ich bin gespannt, wie es weitergeht …
    Eisblümchengrüße von Ulrike ❄ ❄ ❄

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    • Hab ja schon geschrieben, dass ich es nicht weiß. Muss mal in mich gehen, denn so langsam möchte ich eine Geschichte hinter der Geschichte haben, die erzählt werden will.
      Liebe Grüße, ich freue mich, dass du Lumi magst
      Christiane

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  6. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 02.03.19 | Wortspende von Ludwig Zeidler | Irgendwas ist immer

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