Schröder, übernehmen Sie! | abc.etüden

Heute war wieder einer dieser Tage, wo er ihr nichts recht machen konnte. Dabei war er an den Winterreifen ohne vorwurfsvollen Seitenblick vorbeigegangen (sehr schmutzig, jemand würde sich darum kümmern, aber nicht er) und hatte die wehende, trocknende Wäsche ignoriert (sowieso nicht seine Aufgabe). Doch einfach nur draußen auf der Bank in der Sonne sitzen, seinen Gedanken nachhängen und die frisch erblühten Krokusse bewundern, das durfte er offensichtlich auch nicht.

Er hörte, dass sie am Telefon sprach. Bestimmt mit ihrer komischen Freundin.
„Wenn das jeder hier machen würde! Weißt du, manchmal würde ich am liebsten alles hinschmeißen und mich auch raus in die Sonne setzen und darauf warten, dass wer mit Kaffee und Kuchen vorbeikommt. Aber nein, an mir bleibt wieder mal alles hängen. Hier sieht es aus, das kannst du dir gar nicht vorstellen! Gestern Abend bin ich gestolpert und fast hingeschlagen, weil hier keiner seinen Dreck alleine wegmachen kann, nicht mein wertgeschätzter Ehemann und die Kids schon mal gar nicht. Was glauben die, wer ich bin, die Putzfrau? Ich sag’s dir, ich hab so einen Hals, SO EINEN HALS, glaub mir.“

Weia. Das roch nicht nur nach dicker Luft, das klang nach Krise. Er war insgeheim überzeugt, dass sie ein bisschen eifersüchtig auf ihn war, weil er das Leben so gelassen anging. Schröder, übernehmen Sie! Deeskalierende Maßnahmen waren dringend angezeigt.

Den Kaffeepott in der einen Hand, das Handy in der anderen kam sie zu ihm und ließ sich neben ihn fallen. Sie schloss die Augen und hielt das Gesicht in die wärmende Vorfrühlingssonne. Amseln und Meisen machten Radau, sonst war alles friedlich. Auch sie.

„Na?“, sagte sie irgendwann vorsichtig in seine Richtung.
Geht doch, dachte er.

Langsam stand er auf, setzte sich auf ihren Schoß, rollte sich zusammen, blinzelte noch einmal in die Sonne und begann zu schnurren.

 

Etüden 2019 06+07 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Für die abc.etüden, Wochen 06/07.2019: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Worte stammen dieses Mal von Petra Schuseil und lauten: Winterreifen, eifersüchtig, stolpern.

Ja nee, ist klar, oder? Fellträger neigen dazu, sich selbst als den Nabel des Geschehens zu begreifen, was jede*r Dosenöffner*in weiß. Außerdem haben sie meist eine eigene Meinung zu allem. Manchmal schweigen sie allerdings auch. Mehr oder weniger.

Ulli hat ihre letzte Etüde in den Kommentaren spaßeshalber als „Plattitüde“ bezeichnet. Ich werde etwaige Fellträger-Etüden ab jetzt (daran angelehnt) „Kattitüden“ nennen, danke schön! Und: Hatte nicht neulich schon mal wer „… übernehmen Sie“ im Titel, oder bilde ich mir das nur ein?

 

46 Kommentare zu “Schröder, übernehmen Sie! | abc.etüden

    • Ich denke immer, dass es zu durchsichtig ist, wenn ich so was schreibe. Von daher vielen Dank für die Rückmeldung, dass du dem Fellträger den Macho abgekauft hast 😁😺
      Liebe Grüße
      Christiane

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  1. Kattitüden finde ich als Bezeichnung herrlich. Ja, Du solltest sie unter diesem Begriff extra sammeln, dann haben wir etwas, wenn wir dringend Aufheiterung brauchen zum Nachlesen. Meiner macht im Moment die Wandlung vom problemlosen Allesfresser in Wassolldenndasaufmeinemteller durch. Streichler an Deinen Frühlingsgefühle habenden und Dir einen Schmunzlermorgengruss , Karin

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    • Hab schon das Schlagwort bei den älteren Etüden eingepflegt, aber noch nicht überprüft, ob WP es frisst.
      Ach, du hast jetzt auch eine Mäkelkatze? Schmeiß das Zeug nicht weg, in drei Monaten frisst er es bestimmt wieder gern 😉
      Meiner frisst seit einem Jahr oder so plötzlich Fisch. Ich bin immer noch überrascht.
      Bei deinem können das auch Frühlingsgefühle sein; meiner hat heute Nacht mit einer Maus auf dem Dach gespielt … man hört es am Mau.
      Liebe Grüße
      Christiane 😁😺🌼🌷

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  2. Sehr schön. Setze mich nachher auch in die Sonne (wenn ich ein bisserl mit der Gartenschere Zeugs weggeschnitten habe) und schau mal welche Nachbarskatze vorbei streift.
    Schönen Tag. HG. Petra

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    • Ja, gestern, als mir die Etüde einfiel, war genau solches Wetter. Und mein Herr Fellträger überlegt auch ständig: raus, rein, ach nee, doch lieber raus, die Luft ist so schön, ach nee, doch zu kalt, lieber wieder rein … Katzen.
      Liebe Grüße und auch dir einen schönen Tag!
      Christiane

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  3. Kater-Stimmung. Aber so ist es halt, man liebt sie trotzdem.
    Aber Eines weiss ich: im nächsten Leben werde ich als Hund auf die Welt kommen wollen.

    Ansonsten: spannend geschrieben. Ich habe erst ganz am Ende gemerkt, worum es ging. 😇

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    • Das ist gut, lieber Werner, dass auch du es erst am Schluss gemerkt hast. Ich dachte schon, es wäre zu durchsichtig, weil ich ja schon dann und wann derartige Etüden schreibe …
      Man liebt sie deswegen, nicht trotzdem! 😁😺
      Liebe Grüße
      Christiane

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  4. Hach…wie schön! Ich dachte immer, wie soll das enden, viele Buchstaben hat sie doch nicht mehr!? Und dann „peng!“ äh… „schnurr“ …. So gelungen! (Unser Fellträger hat gestern den Papa gaaanz böse gebissen, es ist einfach furchtbar. Er ist so ein lieber, schöner, schlauer Kater, aber da so unberechenbar…. schlimm! )
    Viele Grüße Miki

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    • Oh, wenn meiner wütig ist, dann beißt er mich auch. Springt mich an und krallt und beißt. Habt ihr eine Idee, was man da machen kann?
      Liebe Grüße
      Christiane
      (Ich habe einen Verdacht, woher das kommt, dass du bei Alice nicht kommentieren kannst. Sie hat es geändert, kannst du jetzt bei ihr schreiben?)

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  5. Kattitüde ist ja auch einmal eine nette Variante, liebe Christiane!
    Und so herrlich, wie sich deine Geschichte dreht – schwupps war der Grummel auf den „Kerl“ weg.
    Herzliche Grüße
    Ulli

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      • Susann und ihr Heinzl. Bei dir tut die Frau alles, sie jammert und ist eifersüchtig, bei mir tut der der Heinzl allles, ist zufrieden und nicht eifersüchtig. Bei mir ist Susann nett und schmeichllerisch zu allen, liegt gern in der Sonne, ist ziemlich faul und sehr geliebt – bei dir ist es …. 😉

        Aber du mochtest Susann nicht, es „grauste dich“ sogar. Offenbar gelten bei dir andere Maßstäbe für Katzen und Kater 😦

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        • *Friedensfahne schwenkt*
          Liebe Gerda, ich bin beim Lesen bei dir nicht auf die Idee gekommen, dass deine Susann über Fell verfügt???? 😲
          Mir scheint, eine von uns beiden missversteht die Etüde der anderen.
          Ich kann dir nur versichern, dass Schröder zwar in keinem konfliktfreien Haushalt lebt, er aber nicht der Anlass ist … 😁

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  6. Herrlich! 😀
    Und ich war bis zum Ende in dem (guten) Glauben, dass ich die Gedanken des wertgeschätzten Ehemannes lese. 😉
    Bei deinem Titel dachte ich übrigens auch sofort, dass ich etwas ähnliches erst kürzlich in einer Etüde gelesen habe. Meinst du vielleicht den ersten Satz in der Etüde „Die Sternenreiter“ von Katharina (Katha kritzelt)?

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    • Hihi! Danke, eine mehr auf der Strichliste! 🙂
      Das fühlt sich für mich genauso vage an wie der Hinweis von René auf seine Etüde. Wobei ich Kathas Etüde total mochte, von daher kann es sein … hm. Danke fürs Mit-Erinnern!
      Liebe Grüße
      Christiane

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  7. Hach, dieses geniale Ende, liebe Christiane.
    Ich vergaß den übrigen Text und denke jetzt nur noch an das zusammengerollte schnurrende Ende…
    Mehr braucht es doch gar nicht, um zufrieden zu sein 🙂
    Liebe Gutenachtgrüße von Bruni

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  8. Kattitüde ist ein großartiger Name für dieses Genre!
    Ich habe auch erst beim letzten Satz verstanden was los ist, aber für so eine tolle Geschichte lasse ich mich gerne hinter’s Licht führen 😉

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    • Das freut mich sehr! Sowohl dass es dir gefällt, als auch, dass du dich hinters Licht hast führen lassen.
      Und ja, über „Kattitüde“ freue ich mich auch.
      Liebe Grüße
      Christiane

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  9. Ich lese manchmal zuerst die Kommentare, das ist ne etwas komische Marotte von mir, daher wusste ich vorher, wer die Hauptperson in der Geschichte ist 😉 Allerdings versichere ich, dass das dem Lesevergnügen keinen Abbruch getan hat.
    Schönes Wochenende dir und deinem gelegentlich fiesen Kater 🙂

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