FRAGE
Ist deine Liebe wie eine Herde von Wölfen!
Lautlos rennt sie durch die endlose Steppe;
Ihnen heißt der Himmel, der endlos grau
Über den Wütigen hängt, ihr Hunger.
Oder lauerst du auf Beute:
Im Geröll als Natter verborgen?
Wer bist du? Gib acht: eine flüchtige Katze
Nimmt deine Seele mit sich.
(Otfried Friedrich Krzyzanowski, Frage, aus: Unser täglich Gift, 1919, Online-Quelle)
Als Mahl beganns
Als Mahl beganns. Und ist ein Fest geworden, kaum weiß man wie. Die hohen Flammen flackten, die Stimmen schwirrten, wirre Lieder klirrten aus Glas und Glanz, und endlich aus den reifgewordnen Takten: entsprang der Tanz. Und alle riß er hin. Das war ein Wellenschlagen in den Sälen, ein Sich-Begegnen und ein Sich-Erwählen, ein Abschiednehmen und ein Wiederfinden, ein Glanzgenießen und ein Lichterblinden und ein Sich-Wiegen in den Sommerwinden, die in den Kleidern warmer Frauen sind.
Aus dunklem Wein und tausend Rosen rinnt die Stunde rauschend in den Traum der Nacht.
(Rainer Maria Rilke, aus: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, Erzählung, 1899, Online-Quelle, [22])
Mein Liebstes
Was ich am liebsten höre,
Ist deiner Stimme Laut,
Du hast die liebsten Augen,
In die ich je geschaut.
Du hast das liebste Lächeln,
Das je mein Herz erhellt,
Du bist für alle Zeiten
Mein Liebstes auf der Welt!
(Auguste Zinck, Mein Liebstes, aus: Vom Ostseestrand. Belletristisches Jahrbuch aus Mecklenburg herausgegeben von Eduard Hobein, Bd. II (Rostock), 1868, Online-Quelle, Online-Quelle)
Quelle: ichmeinerselbst
Könnt ihr das lesen? Ihr könnt doch, oder? Es gibt eine Geschichte zu dem letzten Gedicht, das ich nämlich kürzlich per Zufall fotografieren durfte. Es ziert die Rückseite eines Portraits, dieses Portrait zeigt den Großvater (Bernhard R.) der Eigentümerin (deshalb nenne ich keine weiteren Details zur Person), sie sagt, es sei etwa 90 Jahre alt. Als sie das Bild aus dem Rahmen nahm, entdeckte sie, dass auf der Rückseite dieses Gedicht geschrieben war, und zwar, genauer, auf der Papprückwand, nicht auf dem Abzug. Das Gedicht wirkt unten abgeschnitten, vielleicht sollte der Autor verschwiegen werden, vielleicht war er aber auch nicht (mehr) bekannt. Wenn ihr das Gedicht mit dem Foto vergleicht, werdet ihr feststellen, dass es Abweichungen gibt, also ist das Gedicht vielleicht aus dem Gedächtnis zitiert und festgehalten worden.
Nähere Umstände waren bis jetzt nicht eruierbar. Wir fragen uns: War es ein Gedicht von ihm an seine Frau Margarethe, oder ist es ihre Handschrift? Was denkt ihr, ist das die Handschrift einer Frau oder eines Mannes?
Oh, und ganz ausnahmsweise gibt es heute mal Musik, und zwar nichts aus der gewohnten Kiste. Aus Gründen.
Wie dem auch immer sei: Kommt gut in die neue Woche!
Eine Frauenschrift, denke ich.
Komisch auch:
„Was ich am liebsten höre,
Ist deiner Stimme Laut,“
ich las fast: „Wenn deine Stimme laut wird“, haha.
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Die menscheigene „Autokorrektur“ macht manchmal schon merkwürdige Sachen 😁
Ich halte das auch eher für eine Frauenschrift.
Liebe Grüße, guten Wochenstart
Christiane
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Ich denke auch, dass das eine Dame geschrieben hat. Meine Oma hatte eine ähnliche Handschrift. Aber ohne deine Hilfe und Klarschrift wäre es mehr ein Raten als Lesen geworden. Zum unklar der Unterschied zB. zwischen s und h etc.
Aber sehr schön 🙂
Eine erfolgreiche Woche, René
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Man verlernt das Lesen, wenn man keine Gelegenheit dazu hat. Die hier fand ich leicht, ich kenne aber auch Handschriften, an denen ich mir die Zähne ausbeiße. Übrigens auch lateinische (heißt doch so, oder?), nicht nur dies hier.
Liebe Grüße
Christiane
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Bei mir ist die Chance des Vorlesens schon relativ gering, weil ich so etwas nie gelernt habe. Für mich wäre das alles Neuland. So wie das Internet als solches 🙂
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(Du hast nie Lesen gelernt? *flöt*)
Ey, komm schon, jetzt fühle ich mich alt. 🙂
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Oh nein, bitte nicht. Ich hatte den Text schon zweimal geändert, damit genau dieser Eindruck nicht entsteht…wie gut, dass du ja grundlegend über ein zeitloses Thema geschrieben hast 😉
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War nicht so ernst gemeint. 😉
Ich habe halt tatsächlich von meinen Altvorderen Briefe lesen dürfen, die noch in Sütterlin geschrieben wurden. Natürlich habe ich null verstanden und mich dann damit auseinandergesetzt, wenigstens ein bisschen. Schließlich kann ich auch noch Fraktur lesen. Ich mag so was.
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Verständlich. Und ich habe, zugegebenermassen, etwas neues gelernt. Weil als erstes hab ich eben erstmal Sütterlin und Fraktur nachschlagen müssen, denn da hatte ich gar keine Idee dazu. Wohl dem, der sowas lesen kann. Ich täte mir da offensichtlich weh 🙂
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Ah, echt? Okay, Sütterlin ist speziell, aber das heißt, dass du die alten Bücher nicht mehr lesen kannst, richtig? Ich finde, dass man sich da ziemlich schnell einliest, aber okay, das ist bestimmt bei jedem anders. 🙂
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Ja, ich müsste mich einlesen, dann ginge das irgendwann 🙂
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👍👍👍
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Hallo liebe Christiane, kann es sein, dass es die „schönsten Augen“ und „zu allen Zeiten“ heißt?
Ob es die Handschrift einer Frau oder eines Mannes ist, vermag ich nicht zu sagen und halte beides für möglich.
Kaffee? Von Hand gemahlen und mit dem Filter gebrüht? 🙂
Liebe Grüße, Annette
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Ähm, ja, bei der Handschrift gibt es Abweichungen, und du hast sie gefunden 😉 Daher meine Vermutung, dass das Gedicht nicht irgendwo abgeschrieben, sondern aus dem Gedächtnis zitiert wurde, und sich daher die Fehler eingeschlichen haben.
Kaffee immer, gerne, her damit! Was immer den Montag erfreulicher macht, ist willkommen!
Komm gut in die neue Woche!
Liebe Grüße
Christiane
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Diese Schriftprobe erinnert auch mich an die Handschrift meiner Oma, aber ich kenne sehr wenig Sütterlin Handschriftproben.
Diesmal packt mich der Rilke wie ein Frühlingssturm. Vielleicht, weil ich selber sehr gerne getanzt habe.
Komm‘ gut in die Woche!
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Wenn du auf die Quellenangabe klickst, kannst du das Ding im Ganzen lesen, es ist kurz, aber, wie ich finde, ein unglaublich starker Text. Dieser Ausschnitt ist m. E. sehr bekannt.
Danke auch für die Einschätzung der Handschrift!
Eine gute neue Woche auch dir!
Liebe Grüße
Christiane
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Ich finde so was ja spannend. Inzwischen habe ich erfahren, dass es möglicherweise doch noch ein paar alte Briefe geben könnte, anhand derer man die Handschriften vergleichen kann. Hätte würde wollte könnte. Mal sehen.
Ich frage mich gerade, worin sich Handschriften von Männern und Frauen unterscheiden, oder ob man das so generell gar nicht sagen kann.
Liebe Grüße
Christiane
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Neee, danke dir, besagte Eigentümerin steigt jetzt erst mal nochmals in die Familiengeschichte. Ich (und damit auch du) soll mir/sollen uns nicht so viel Mühe machen.
Gälisch/Walisisch ist aber auch ein Krampf für die ungeübten Augen und ein Zungenbrecher! 🙂
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Liebe Christiane,
bei der Sütterlin-Schrift finde ich es schwierig ein Geschlecht zu erodieren, von daher enthalte ich mich mal.
Danke für die schönen Liebesgedichte, die mich an Pablo Neruda denken ließen, der so viele davon geschrieben hat, eins schöner als das andere, ohne dass ich diese mit anderen vergleichen will, nur darauf hinweisen möchte.
Liebe Grüße
Ulli
P.S. pssst … was ist mit deiner Alltagsgeschichte in diesem Monat passiert? Im Alltag untergegangen?
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Mit Neruda und so vielen anderen großartigen fremdsprachigen Dichtern habe ich auch das Urheberrechtsproblem. Denn auch wenn die Gedichte des-/derjenigen gemeinfrei sein sollten, liegt doch das deutsche Urheberrecht bei den Übersetzern, die a) mir oft nicht bekannt und b) oft keineswegs tot sind. Ich habe mich entschieden, auf dem Blog gemeinfrei zu bleiben, daher danke ich dir für den Tipp, aber zumindest öffentlich werde ich dem wohl kaum nachkommen können.
Die Alltagsgeschichte ging in Arbeit unter, ja, und dann stellte ich fest, dass ich das, was ich eigentlich wollte, bis zum letzten Wochenende (dein Zeitrahmen) nicht hinbekommen würde. Jetzt, wo du fragst, stehe ich leicht bedröppelt und mit leeren Händen rum. 😔
Liebe Grüße
Christiane
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Du Liebe, bitte nicht bedröppelt rumstehen!!! Und ja der Zeitrahmen, der kann auch mal gaaanz flexibel gehalten werden, so ab und an 😉
Bei Neruda habe ich nicht gemeint, dass du ihn veröffentlichen sollst, mir gingen nur seine Liebesgedichte beim lesen durch den Kopf, da habe ich mich wohl etwas unglücklich ausgedrückt – sorry.
liebe Grüße
Ulli
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Hmmmmm. Ich bedenke den flexiblen Zeitrahmen. Ich hatte vorhin sogar eine neue Idee, die (mir) auch passen würde. Hmmm. Danke auf jeden Fall!
Liebe Grüße zur Nacht
Christiane
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Ich bin offen und der Linkliste sieht man ja nicht an, wann der Beitrag erschienen ist 😉 – gerade eben trudelt auch noch einer von Diana ein …
herzliche Grüße
Ulli
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Okay, ich mache den Schluss. Möglicherweise. Morgen früh 😁
Grüße zur Nacht
Christiane
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Ich würde hinter das Foto meines Mannes aus Erinnerungsgründen auch einen Brief/ Gedicht an mich legen, so ich denn eins hätte, also wäre es die Handschrift eines Mannes, zudem warum und wieso sollte er auch ein Portrait von sich aufhängen mit einem Gedicht von ihr? Diese Schrift konnte ich im Gegensatz zu neulich einwandfrei lesen.
Ich bin gespannt, ob Ihr das Rätsel auflösen könnt.
Lieber Gruss aus dem apriligen März, Karin
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Ich würde hinter das Foto meines Mannes aber auch ein Gedicht legen, das ich ihm irgendwann mal geschrieben oder gewidmet hatte. Oder vielleicht hat das Ensemble nachträglich die Tochter zusammengestellt und es an ihre Tochter weitervererbt, von der ich es habe. Nichts Genaues weiß man nicht; ich hoffe, dass sie jetzt neugierig geworden ist und tiefer in die Forschung geht – sie wusste von dem Gedicht ja auch nichts und hat es erst entdeckt, als sie das Bild vom Glas befreit hat. Schon spannend, das alles.
Liebe Grüße aus einem trüben Montag
Christiane
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*g*, ich denke, es ist eine Frauenhandschrift. Das dachte ich spontan und nach einer Weile immer noch. Vom Dichter wurde es vermutlich nicht selbst geschrieben, es ist viel eher eine Abschrift u. deshalb die kleinen Unterschiede…
Sütterlin kann sehr schwierig zu lesen sein, kommt auch hier auf die jeweilige Handschrift an, aber Fraktur geht doch gut. Da hatte ich nie Probleme bisher
Beim Lesen aller drei ist Rilkes herausragend das allerschönste und total mitreißend im Fluß seiner Worte.
Herzliche Abendgrüße von mir
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24, Bruni, da war er 24! Es ist unglaublich. Du kennst den Cornet, oder? Er ist so bekannt, und dies ist der bekannteste Ausschnitt, glaube ich.
Ich glaube inzwischen auch, dass es eine Schreiberin war, aber die Nachforschung liegt in den Händen der Enkelin, ich habe nur Vorschub geleistet.
Liebe Grüße zur Nacht
Christiane
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Ich kenne nur diesen Abschnitt und daraus vor allem die irre schönen Worte
*Das war ein Wellenschlagen in den Sälen, ein Sich-Begegnen und ein Sich-Erwählen, ein Abschiednehmen und ein Wiederfinden, ein Glanzgenießen und ein Lichterblinden und ein Sich-Wiegen in den Sommerwinden, die in den Kleidern warmer Frauen sind.*
Da bekomme ich immer Herzklopfen vor der Schönheit dieser Worte, liebe Christiane.
Ich bin gespannt, ob und was die Enkelin herausfinden wird.
Liebe Grüße zur Nacht auch an Dich
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Wenn du unten auf die Quelle klickst, dann hast du den gesamten Text, liebe Bruni. Nur Mut, es ist recht kurz, aber heftig …
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Und über den Hütten steigt steinern ein Schloß. Breit hält sich ihnen die Brücke hin
Wahnsinn, wie dieser Mann schreiben konnte!
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👍👍👍
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Ich kenne hunderte Handschriften und finde, dass man generell gewisse Merkmale von Frauen und Männerschriften unterscheiden kann, dass es aber auch sehr viele Ausnahmen gibt. Aus einer ähnlichen Handschrift von irgendjemandem kann man sicher das Geschlecht des/der Schreibenden nicht ableiten
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Vielleicht bekommen wir es hier ja noch raus. Aber offensichtlich konntest du es lesen, was ich als Rückmeldung auch interessant finde. Danke!
Liebe Grüße zur Nacht
Christiane
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Da ich diese „deutsche Schrift“ noch in der Schule gelernt habe, war das Gedicht sofort ein Eyecatcher für mich. Der Inhalt des Gedichts passt perfekt zur Schrift. Was die Urheberschaft betrifft, so schließe ich mich der Meinung an, dass es wohl eine Frau gewesen ist.
Deine Gedichtauswahlen sind übrigens immer sehr gelungen. LG, Joachim.
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Das geht mir auch so – wo Schrift ist, muss ich lesen 😀. Klar, wenn du so schreiben gelernt hast, ist es für dich noch mal was ganz anderes.
Danke für das Kompliment zur Gedichtauswahl. Ich versuche meist, einen irgendwie gearteten Bogen zu schlagen, Bekanntes mit weniger Bekanntem zu mischen – und freue mich sehr, wenn es mir gelingt und auch anderen gefällt.
Liebe Grüße zurück
Christiane
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Zum Thema „Handschrift“ haben wir grade ein zauberhaftes Buch vorgestellt: https://meinkunstbuch.wordpress.com/2019/06/04/zauber-der-schrift-sammlung-pedro-correa-do-lago/
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Liest sich auf jeden Fall auf eurem Blog sehr interessant an. Vielen Dank für den Hinweis!
Liebe Grüße
Christiane
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