Von Dichtern und Gedichten

 

Unterthänigstes
Pro Memoria an die Constistorialrath Körnerische weibliche Waschdeputation in Loschwiz
eingereicht
von einem niedergeschlagenen
Trauerspieldichter.

Bittschrift.

Dumm ist mein Kopf und schwer wie Blei,
Die Tobaksdose ledig
Mein Magen leer – der Himmel sei
dem Trauerspiele gnädig.

Ich kraze mit dem Federkiel
auf den gewalkten Lumpen;
Wer kann Empfindung und Gefühl
aus hohlem Herzen pumpen?

Feur soll ich gießen aufs Papier
mit angefrornem Finger? – –
O Phöbus, haßest Du Geschmier,
so wärm auch deine Sänger.

Die Wäsche klatscht vor meiner Thür,
es scharrt die Küchenzofe –
und mich – mich ruft das Flügelthier
nach König Philipps Hofe.

Ich steige mutig auf das Roß;
In wenigen Sekunden
seh ich Madrid – am Königsschloß
hab ich es angebunden.

Ich eile durch die Gallerie
und – siehe da! – belausche
die junge Fürstin Eboli
in süßem Liebesrausche.

Jezt sinkt sie an des Prinzen Brust,
mit wonnevollem Schauer,
in ihren Augen Götterlust,
doch in den seinen, Trauer.

Schon ruft das schöne Weib Triumph
schon hör ich – Tod und Hölle!
Was hör ich? – einen naßen Strumpf
geworfen in die Welle.

Und weg ist Traum und Feerey,
Prinzessin, Gott befohlen!
Der Teufel soll die Dichterei
beim Hemderwaschen hohlen.

gegeben
in unserm jammervollen Lager
ohnweit dem Keller.

F. Schiller
Haus- und Wirthschafts Dichter.

(Friedrich Schiller, Bittschrift, 1785, aus: Schiller’s sämmtliche Schriften. Historisch-Kritische Ausgabe. Vierter Theil. Arbeiten der Leipzig-Dresdner Zeit. Verlag der Cottaschen Buchhandlung, Stuttgart, 1868, Online-Quelle)

 

Die arme Frau

Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?
Du lieber Gott, da seid mir still!
Ein Don Juan? Ein braver, schlichter
Bourgeois – wie Gott ihn haben will.

Da steht in seinen schmalen Büchern,
wieviele Frauen er geküßt;
von seidenen Haaren, seidenen Tüchern,
Begehren, Kitzel, Brunst, Gelüst …

Liebwerte Schwestern, laßt die Briefe,
den anonymen Veilchenstrauß!
Es könnt ihn stören, wenn er schliefe.
Denn meist ruht sich der Dicke aus.

Und faul und fett und so gefräßig
ist er und immer indigniert,
Und dabei gluckert er unmäßig
vom Rotwein, den er temperiert.

Ich sah euch wilder und erpichter
von Tag zu Tag – ach! laßt das sein!
Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?
In Büchern ja.
Im Leben: nein.

(Kurt Tucholsky, Die arme Frau, aus: Mit 5 PS, 1928, Online-Quelle)

 

Verzeihlich

Er ist ein Dichter, also eitel.
Und, bitte, nehmt es ihm nicht krumm,
Zieht er aus seinem Lügenbeutel
So allerlei Brimborium.

Juwelen, Gold und stolze Namen,
Ein hohes Schloß im Mondenschein
Und schöne, höchstverliebte Damen,
Dies alles nennt der Dichter sein.

Indessen ist ein enges Stübchen
Sein ungeheizter Aufenthalt.
Er hat kein Geld, er hat kein Liebchen,
Und seine Füße werden kalt.

(Wilhelm Busch, Verzeihlich, aus: Schein und Sein, 1909, Online-Quelle)

 

Donner und Doria!

Das ist so heute der Herren Manier:
Man setzt sich ans Schreibpult wie an ein Klavier;
Vor sich drei Bogen gelbes Concept
Und kommt sich vor wie ein alter Adept.

Dann taucht man ins schwarze Gallelement
Sein Selbstberäucherungsinstrument,
Träumt sich nach Memphis, Korinth und Walhall
Und gebiert einen mächtigen Phrasenschwall.

Daneben spuckt man nach Recht und Pflicht
Der neuen Zeit in ihr Prosagesicht;
Und hat man sich dick mit Gefühlen beschwert,
Wird drüber der Thränenkübel geleert.

Dann druckt es der Drucker auf fein Velin,
Der Buchbinder bindet’s in Maroquin
Und schließlich schimpft’s die Kritik: „Poesie“ –
Blasphemie!!!

(Arno Holz, Donner und Doria!, aus: Buch der Zeit, 1886, Online-Quelle; DANKE, KARIN!)

 

Aufgeschlagenes Buch mit roter Gerberablüte | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

 

Kommt gut in die neue Woche!

 

24 Kommentare zu “Von Dichtern und Gedichten

  1. Paßt das als Dichters Abgesang noch dazu, wenn Du es einstellen darfst und möchtest?

    Rückschau

    Ich habe gerochen alle Gerüche / In dieser holden Erdenküche;
    Was man genießen kann in der Welt / Das hab ich genossen wie je ein Held!

    Hab` Kaffee getrunken, hab` Kuchen gegessen / Hab` manche schöne Puppe besessen;
    Trug seid`ne Westen, den feinsten Frack / Mir klingelten auch Dukaten im Sack.

    Wie Gellert ritt ich auf hohem Ross / Ich hatte ein Haus, ich hatte ein Schloss.
    Ich lag auf der grünen Wiese des Glücks / Die Sonne grüßte goldigsten Blicks;

    Ein Lorbeerkranz umschloss die Stirn / Er duftete Träume mir ins Gehirn,
    Träume von Rosen und ewigem Mai / Es ward mir so selig zu Sinne dabei,

    So dämmersüchtig, so sterbefaul / Mir flogen gebrat`ne Tauben ins Maul,
    Und Englein kamen, und aus den Taschen / Sie zogen hervor Champagnerflaschen

    Das waren Visionen, Seifenblasen / Sie platzten – Jetzt lieg` ich auf feuchtem Rasen,
    Die Glieder sind mir rheumatisch gelähmt / Und meine Seele ist tief beschämt.

    Ach jede Lust, ach jeden Genuss / Hab ich erkauft durch herben Verdruss;
    Ich ward getränkt mit Bitternissen / Und grausam von den Wanzen gebissen;

    Ich ward bedrängt von schwarzen Sorgen / Ich musste lügen, ich musste borgen
    Bei reichen Buben und alten Vetteln / Ich glaube sogar, ich musste betteln.

    Jetzt bin ich müd` vom Rennen und Laufen / Jetzt will ich mich im Grabe verschnaufen.
    Lebt wohl! Dort oben, ihr christlichen Brüder / Ja, das versteht sich, dort seh`n wir uns wieder.

    Heinrich Heine 1851

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  2. Köstlich, Christiane! so viele Schmunzler, Lächler und Lacher auf einer Seite – so viel Selbstironie, auch Wut und Bitterkeit in freundlichstem Gewand. Ach, Friedrich Schiller! Der arme Heine in seiner Matrazengruft – auch dafür herzlichen Dank, liebe Karin.

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    • Das Schiller-Gedicht hat einen realen Hintergrund, wenn man ein bisschen stöbert. Ich war auch sehr erheitert, als ich es fand.
      Mein Favorit ist dieses Mal der Tucholsky, den hätte ich nicht missen mögen.
      Liebe Grüße
      Christiane

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  3. Wunderbar, messerscharf, realistisch, wortgewaltig durchaus auch melancholisch. Und kein einziges Mal kommen die Worte „Herz“ oder „Schmerz“ vor und schon gar nicht in Kombination. Ich bin entzückt. Vielen Dank für den Lesegenuss !!

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    • Kann es sein, dass deine Vorstellung von Dichtern und Gedichten etwas – äh – getrübt ist?
      Einen sorglosen Tag wünsche ich dir!
      Liebe Grüße aus dem kühlen Hamburg, jetzt wirklich
      Christiane

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      • *grins* Nun ja, „getrübt“ nicht insgesamt, nein, nur in manchen Bereichen, bei manchen Produkten. Aber der zweite Teil des Kommentars ist insofern unpassend als das ja gar nichts mit dir und den Gedichten dieses Posts zu tun hat, die mir sogar ausnehmend gut gefallen.

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        • Okay, über Geschmack lässt sich eh am besten nicht streiten, von daher: alles gut. Aber ich bin auch nur in Härtefällen der Typ für triefenden Herz-Schmerz, daher dachte ich, du wüsstest das (es sei denn, von Rilke oder Dauthendey. Aber die produzieren das in meinen Augen nicht …).

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  4. ach, wie wunder voll
    und sofortemente wollte ich dem großartigen Schiller den Favoriten-Stuhl anbieten, aber dann kam Tucholsky und ich war total entzückt 🙂 und keiner konnte meine Meinung noch ändern, auch wenn sie heute alle so wundersam erheiternd waren *schmunzel*
    Liebe Dienstagsgrüße zu den Montagsgedichten von Bruni an Dich

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    • Ich finde auch, dass die Montagsgedichte auch den Rest der Woche noch frisch sind, liebe Bruni. Dein Votum für Tucholsky wäre dieses Mal auch meins.
      Liebe Grüße aus dem kalten Hamburg
      Christiane mit Wollsocken und Wärmekatze 🙂

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      • gaaanz frisch! oh jaaaa,
        aber trotzdem Wollsocken? Fellgträger kann ich mir gut vorstellen 🙂
        Liebe Grüße von der nunmehr schon wieder ziemlich heißen Bergstraße und von mir

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        • 16 °C Außentemperatur. Wenn ich drin sitze, mich nicht bewege, sondern nur konzentriert arbeite, friere ich leicht. Das Doofe ist, dass es mindestens bis zum Wochenende so bleiben soll, sagt jedenfalls die Wettervorhersage.
          Ich glaube, ich geh mich mal bewegen.

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