Vier Miniaturen | abc.etüden

 

Bis bald, Uroma!

Sie stand in der Tür und sah dem kleinen Mädchen hinterher, das den Weg entlanglief und mit beiden Füßen in eine Pfütze sprang, dass es nur so platschte! Hach, das Leben, die Zuversicht, die Neugierde! Sie wünschte ihr von Herzen, dass alles immer so harmonisch bleiben könnte. Aber das Schicksal würde auch von ihr seinen Tribut fordern. Wie von jedem. Warum auch nicht, es gehörte dazu.

 

Bis bald, Oma!

Sie sah der Frau hinterher, die lachend ihrem kleinen Sonnenschein nacheilte. Ja, so war sie auch gewesen, diese Sicherheit, dass sie auf die Füße fallen würde, was immer auch die Zukunft bereithielte, die hatte sie von ihr. Ob harmonisch oder nicht, das war jetzt nicht so wichtig, alles wollte in vollen Zügen erlebt sein. Ihre Enkelin feierte das Leben, und sie, die Alte, wünschte ihr nichts anderes, als dass sie es auskosten konnte.

 

Bis bald, Mama!

Vom Auto her winkte die ältere Frau zu ihr herüber. Die Tochter war eine, die war schon fast so wie sie. Ihr war klar, dass es nur galt, auf den Füßen zu bleiben, sich nicht aufzugeben, dem, was vor ihr lag, die Stirn zu bieten. Die Waagschalen ihres Lebens waren oft schon in Schieflage geraten. Nun wusste sie sie harmonisch auszubalancieren, und man konnte ihr nur wünschen, dass die Winde des Schicksals sich nie mehr als tückisch erweisen würden, denn sie hatte hart dafür gearbeitet.

 

Bis bald, Schatz!

Er war nicht mehr bei ihr. Als er zum letzten Mal auf die Füße gekommen war, hatte er diese Welt verlassen und sein Schicksal freudig akzeptiert. Sie hatten einige turbulente und viele harmonische Jahre miteinander verbringen dürfen, bis seine Zeit abgelaufen gewesen war. Und sie wünschte sich, dass er sie erwarten möge, wenn sie sich dereinst auf den Weg über die Schwelle machen würde.

 

abc.etüden 2019 28+29 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Für die abc.etüden, Wochen 28/29.2019: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Worte stammen dieses Mal von Gerhard und seinem Blog Kopf und Gestalt und lauten: Füße, harmonisch, wünschen.

Ich wollte schon lange mal was anderes ausprobieren und Gerhards Wortspende eignet sich optimal dazu. Bin gespannt auf eure Meinung.

 

27 Kommentare zu “Vier Miniaturen | abc.etüden

  1. Sehr schön geschrieben, liebe Christiane. Ich sehe meine Mutter, meine Tochter und meine Enkelin förmlich vor mir. Auch wenn manche Erfahrungen Töchter vor ihren Müttern treffen – das Leben hält die Reihenfolge nicht immer ein.

    Gefällt 4 Personen

    • Das, was ich geschrieben habe, war ganz klar ideal und idealistisch, liebe Elke, und reichlich formal. Dass ich mir wünsche, dass es so wäre, heißt nicht, dass es so ist.
      Aber es freut mich, dass du dich darin wiederfindest.
      (Willst du übrigens keine Wörter für das Etüdensommerpausenintermezzo spenden – mein Aufruf vom Sonntag?)
      Liebe Grüße
      Christiane 😁😺☕

      Gefällt 1 Person

        • Du kannst bis Freitagabend 20 Uhr noch mitmachen, liebe Elke, dann steigt hier die Auslosung. Also ist noch genug Zeit. Am Sonntag kommt die Auflösung, was mit den gespendeten und gezogenen Wörtern passieren soll, und natürlich kannst du auch dann mitschreiben (und zwar ausdrücklich und sehr gern!), falls du keine Wörter eingereicht hast.

          Like

  2. Liebe Christiane, gleich vier Miniaturen, die miteinander verwoben sind. So schauen wir Alten auf die Jungen, wünschen nur Gutes und wissen doch, dass das Leben jeden einzelnen vor die eine und andere Hürde stellen wird. Ja, es gehört dazu, wie sollten wir sonst wachsen?!
    Einzig die letzte Miniatur spricht noch einmal von etwas anderem, das plötzliche Alleinesein, die Erinnerungen an alles Schöne, aber eben auch an alle Stürme, die man gemeinsam überstanden hat. Für viele ist es tröstlich sich vorzustellen, dass am anderen Ende die Liebsten auf einen warten … ich hatte mal einen Traum und am anderen Ende standen meine Grossmutter und mein Vater, die mich freudig in Empfang nahmen.
    Herzliche Grüße
    Ulli

    Gefällt 7 Personen

    • Liebe Ulli, ich empfand meine verwobenen Miniaturen als sehr formal, auch im Aufbau, weil ich ja in jede alle drei Begriffe integriert habe. Daher bin ich auch im Inhalt sehr formal geblieben – wobei ich die Vorstellung, von den Vorher-Gegangenen abgeholt zu werden, auch schön und tröstlich finde. Sie ist, so explizit, nicht unbedingt meine, aber hier fand ich, dass sie wirklich gut passte.
      Liebe Grüße, vielen Dank, freut mich, dass dir mein Experiment gefällt
      Christiane aus dem kühlen Hamburg 😁😺👍

      Gefällt 3 Personen

  3. Jede dieser Betrachtungen ist eigenständig, und doch bilden sie zusammen einen Kreis. Ein sehr gelungenes Format, wie ich finde.

    Gefällt 4 Personen

  4. Ein wesentliches Element unseres Lebens: die Hoffnung. Hoffnung, immer auf den Füßen/Boden zu bleiben, Harmonie zu erleben (und zu erzeugen), Hoffnung, dass Wünsche in Erfüllung gehen, generationsübergreifend.

    Sehr schön beschrieben, liebe Christiane!

    Gefällt 3 Personen

  5. Uroma werde ich nicht sein obwohl mein Enkelfratz eine solche väterlicherseits hat, aber ihm und der Tochter so ein Leben auch wenn sie es ganz anders gestalten, wünschen, wie ich es in der langen Friedenszeit bis jetzt hatte, das ist ein Herzenswunsch von mir. Vom Trost vom Wiedersehen in der Ewigkeit halte ich nichts, ich möchte mit einem kleinen Teil meiner Asche unter Falks Geburtseiche der (stibitzten) Asche meines Mannes Gesellschaft leisten. Das ist ein schöner Gedanke für mich.Aber ich habe FreundInnen, die fest an das Wiedersehen mit dem Partner glauben.
    Deine Miniaturen sind Wunschmomente, die Du gut eingefangen hast.
    Mit einem lieben Gruss an Dich, Karin

    Gefällt 3 Personen

    • Ja, Wünsche, ja, irgendwie auch, klar. Zu wollen, dass sich deine Asche mit der deines Mannes vermischt, ja, das hat auch was, auch eine Form der Wiedervereinigung. Ach, wer weiß schon, was kommt. Vielleicht ist alles, was tröstet, gut.
      Ganz liebe Grüße an dich und den Kleinen auf dein Dach
      Christiane 😁

      Gefällt 1 Person

  6. Ein tolles Experiment, liebe Christiane und ich finde, ein gelungenes. Manchmal bieten sich Wörter förmlich an, Gedankengänge und Wege miteinander zu verquicken.
    Chapeau!

    Liebe Grüße
    Anna-Lena

    Gefällt 3 Personen

  7. Wie gut hast Du sie untergebracht, die drei Worte
    Füße , harmonisch und wünschen.
    Worte, mit denen man schreibend so viel anfangen kann und es ist Dir vollendet gelungen, liebe Christiane.

    Ich glaube nicht an ein Empfangenwerden in dieser anderen Welt und verbrennen lasse ich mich ganz bestimmt nicht. Es ist eine zu schreckliche Vorstellung für mich… viel lieber möchte ich komplett zur Erde zurückgehen und eins mit ihr werden. Würmchen, Engerlinge? Stören mich nicht. Sollen sie doch.
    Seltsam?
    Na ja, für mich ein Herzenswunsch, den alle in der Familie kennen und den sie auch respektieren werden – irgendwann einmal – in seeehr vielen Jahren.
    Liebe Abendgrüße von Bruni an Dich

    Gefällt 1 Person

    • Meine Mutter wollte unbedingt verbrannt werden. Ich für mich habe es noch nicht entschieden – ich denke, es ist mir ziemlich egal. Wenn es sich mal ändert, werde ich es kundtun.
      Wir sprechen in vielen Jahren mal drüber, liebe Bruni.
      Liebe Grüße zurück, gute Nacht 😉
      Christiane

      Gefällt 1 Person

  8. Pingback: Etüdensommerpausenintermezzo 2019-I: Die Sache mit dem Adventskalender | Irgendwas ist immer

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.