Vom Sommer und Sommerfrische

 

Sommerfrische

Man soll nicht in die Sommerfrische gehen,
man wird doch seines Lebens nicht so richtig froh.
Ob da nun Berges- oder Meereslüfte wehen,
auf dem Balkon zu Hause weht es grade so.
Man wird gepiesackt von den Schnaken und den Mücken,
im Meer die Quallen sind auch nicht sehr angenehm.
Und dann an alle Welt das Ansichtskartenschicken.
Nee, nee, mir ist schon mies von alledem.
Ich frage Sie: ist das vielleicht Erbauung,
wenn man da schwitzend auf die Berge klimmt?
Und dann: das fremde Wasser stört mir die Verdauung.
Laß mich in Ruh mit diesem ganzen Zimt.
Was brauch ich Schwarzwald? Ich hab eine Edeltanne
und laß den Ventilator durch mein Zimmer wehn.
Statt in den See, kriech ich in meine Badewanne.
Nee, nee, man soll nicht in die Sommerfrische gehn.

(Fred Endrikat, Sommerfrische, aus: Höchst weltliche Sündenfibel, 1940, Online-Quelle)

 

Sommerfrische

Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.

Verstecke dich faul in die Fülle der Gräser.
Weil’s wohltut, weil’s frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.

Und laß deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiß dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen, als ein Grashüpferhupf.

(Joachim Ringelnatz, Sommerfrische, aus: 103 Gedichte, 1933, Online-Quelle)

 

Sommerfrische

Der Himmel ist wie eine blaue Qualle.
Und rings sind Felder, grüne Wiesenhügel –
Friedliche Welt, du große Mausefalle,
entkäm ich endlich dir .. O hätt ich Flügel –

Man würfelt. Säuft. Man schwatzt von Zukunftsstaaten.
Ein jeder übt behaglich seine Schnauze.
Die Erde ist ein fetter Sonntagsbraten,
hübsch eingetunkt in süße Sonnensauce.

Wär doch ein Wind .. zerriß mit Eisenklauen
die sanfte Welt. Das würde mich ergötzen.
Wär doch ein Sturm .. der müßt den schönen blauen
ewigen Himmel tausendfach zerfetzen.

(Alfred Lichtenstein, Sommerfrische, aus: Die Aktion, 1913, Online-Quelle)

 

Blühende Wiese | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

 

Kommt gut durch die neue heiße Woche!

 

48 Kommentare zu “Vom Sommer und Sommerfrische

  1. Am Balkon steht auch ein Planschebecken,
    Für die Kinder extra aufgestellt.
    Da hinein kann man die Füße stecken,
    Wenn die Hitze einem nicht gefällt.
    Und die Enkel mit der Spielgießkanne
    Schütten Blumentöpfe strahlend nass,
    Braten Blüten in der Sandelpfanne
    Und versenken sie im Regenfass.

    Hab ebenfalls eine schöne Sommerwoche!

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  2. Bei den unterschiedlichen Inhalten ist es schon erstaunlich, dass alle Gedichte gleich heißen. Auch dieses Thema lässt sich wunderbar von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachten. Danke für einen sommerlichen Start in diese Woche (die hier noch sehr warm werden soll).

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    • Habe ich auch gedacht und mich gefreut. Hier soll es auch sehr heiß werden, aber noch ist es recht kühl und weiß nicht so ganz, ob es nieseln soll oder nicht.
      Liebe Grüße, ich drücke die Daumen, dass du nicht zerfließt 😉
      Christiane 😁👒🌞

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  3. Die Assoziation Frisch mit Sommer ist das Galgenhumor der Poeten? Ist es frisch ist es kein Sommer..🙂
    Ich habe mich über den Endrikat gefreut ,den liest man mit seinem spitzbübischen Humor viel zu selten.
    Aus Sommerhitze vom Dach einen mit einem Glas Rose erfrischten Gruss, Karin

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    • Oh, im Gegenteil. Wikipedia weiß: Der vor allem im 19. Jahrhundert verbreitete Begriff „Sommerfrische“ wird im Wörterbuch der Brüder Grimm definiert als „Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerzeit“ oder „Landlust der Städter im Sommer“.
      ICH wiederum wusste nicht, dass der Begriff schon SO alt ist.
      Wir hier warten noch auf die Hitze, aber morgen soll sie auch hier sein.
      Liebe Grüße auf dein Dach
      Christiane 🙂

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  4. Gut ausgesucht und zum Schmunzeln sind sie ja alle irgendwie, aber richtig froh werd ich nur beim Ringelnatz. Der eine bleibt 1940 lieber zu Haus, anstatt in die Sommerfrische zu fahren (tja, wo waren die Deutschen denn damals? ZB zur „Sommerfrische“ in Griechenland). Und der andere wünscht sich, um dieses ekle Urlaubsglück des Spießers zu zerschmettern, einen tüchtigen Krieg – den er dann ja auch bekommt.
    Ringelnatz dagegen! „Vergiß dich. Es soll dein Denken / Nicht weiter reichen, als ein Grashüpferhupf.“ Das lese ich und habe ein gutes Gewissen. 🙂

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    • Aber ja, gerade die Zeilen, die du zitierst, kannte ich, bevor ich das ganze Gedicht kannte. Ich bin bei dieser Auswahl auch unbedingt bei Ringelnatz.
      Die beiden anderen gehen nur, wenn man sie von ihrer Zeit loslöst, da hast du recht. Und das kann und muss man immer wieder diskutieren, ob das legitim ist und unter welchen Umständen das passieren darf.
      Ich habe trotzdem geschmunzelt bzw. anerkennend genickt, sonst hätte ich sie nicht genommen.
      Liebe Grüße
      Christiane

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    • Alle drei sind sie sommerfrischeschön,. liebe Christiane,
      und ich schwankte zwischen Endrikat und Ringelnatz und rate mal, wo ich hängenblieb *`lach*, beim Herrn Ringelnatz, weil er gar zu schön formuliert und genau so, wie er`s beschreibt sollte Sommerfrische sein, nicht anders!
      Aus Spaß suchte ich nun mal bei mir und hatte wenig Hoffnung, aber siehe da, in 2009 gibts doch eine Sommerfrische, mitten im Text versteckt und gut eingepasst.
      http://wortbehagen.de/index.php/gedichte/2009/oktober/apfelteich

      Liebe Grüße aus der übermäßigen Hitze von Bruni

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  5. Grashüpferhupf ist diese Woche mein Lieblingswort. 😉
    Wie unterschiedlich man doch „Sommerfrische“ auslegen kann. Ich bin werbegeschädigt und hätte wohl ein Gedicht über Waschmittel geschrieben.
    Grüße, Katharina

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    • Ah – der Nachfolger von „aprilfrisch“? Ja, interessant und ein bisschen gruselig, was einen als Assoziation so alles anspringt …
      Liebe Grüße
      Christiane

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  6. Hätt ich 1940 gelebt und wär 20 Jahre alt gewesen wie mein Alter damals, wär ich wahrscheinlich heilfroh (wie doch der Zufall immer originell mitschreibt! ), also heilfroh wär ich gewesen, wenn ich die Qual der Wahl zwischen der Badewanne zu Haus und der Spmmerfrische im Schwarzwald gehabt hätze.
    Verzeih’n schon, aber Dichter, die unter einer beschissenen Diktatur Biedermeier, gehen

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