Vom Sommer und Sonnenuntergang

 

Daß du mich liebst, das wußt’ ich

IV.

Daß du mich liebst, das wußt’ ich,
Ich hatt’ es längst entdeckt;
Doch als du mir’s gestanden
Hat es mich tief erschreckt.

Ich stieg wohl auf die Berge
Und jubelte und sang;
Ich ging an’s Meer und weinte
Bey’m Sonnenuntergang.

Mein Herz ist wie die Sonne
So flammend anzusehn,
Und in ein Meer von Liebe
Versinkt es groß und schön.

(Heinrich Heine, Daß du mich liebst, das wußt’ ich, aus: Neue Gedichte 1844, Online-Quelle)

 

Sonnenuntergang

Jede Seele muss gesunden,
wenn sie reine Schönheit trinkt.
Sag’, hast du das nie empfunden
abends, wenn die Sonne sinkt?

Kannst du etwas Schöneres denken
als des Sonnentags Verglüh’n,
wenn sich Rosenschleier senken
segnend auf der Menschheit Müh’n?

Sahst du nie auf seiner Reise
das verlorene Wolkenboot?
Jeden Abend schwimmt es leise
durch das letzte Sonnenrot.

Sieh’, das Boot trägt unsre Tränen,
jeden unerfüllten Traum,
jedes Leid und jedes Sehnen
durch der Schönheit lichten Raum.

Durch des Abends heil’ge Gluten
fährt es hin am Firmament,
bis es in den Sonnenfluten
still mit seiner Last verbrennt.

(Carl Wolff, Sonnenuntergang, aus: Auf stillen Wegen, 1920, Online-Quelle)

 

Sonnenuntergang

Am Untersaum
des Wolkenvorhangs
hängt der Sonne
purpurne Kugel.
Langsam zieht ihn
die goldene Last
zur Erde nieder,
bis die bunten Falten
das rotaufzuckende Grau
des Meeres berühren.

Ausgerollt ist
der gewaltige Vorhang.
Der tiefblaue Grund,
unten mit leuchtenden Farben
breit gedeckt,
bricht darüber
in mächtiger Fläche hervor,
karg mit verrötenden
Wolkenguirlanden durchrankt
und mit silbernen Sternchen
glitzernd durchsät.
Aus schimmernden Punkten
schau ich das Bild
einer ruhenden Sphinx
kunstvoll gestickt.

Eine Ankerkugel,
liegt die Sonne im Meer.
Das eintauchende Tuch,
schwer von der Nässe,
dehnt sich hinein in die Flut.
Die Farben blassen,
mählig verwaschen.
Und bald strahlt
vom Himmel zur Erde
nur noch
der tiefe, satte Ton
blauschwarzer Seide.

(Christian Morgenstern, Sonnenuntergang, aus: In Phanta’s Schloss, 1895, Online-Quelle)

 

Sonnenuntergang am Strand von Sankt Peter-Ording | 365tageasatzadayQuelle: ichmeinerselbst am Strand von Sankt Peter-Ording; Teil einer Serie; Klicken macht groß und lohnt sich!

 

Ich muss gestehen, dass ich eigentlich auf einen spektakulären, vielfarbigen Himmel gehofft hatte. Aber dann stand ich da am Strand und sah zu, wie ein roter Ball mit gefühlt großer Geschwindigkeit im Meer versank und war ernstlich gerührt.

Ich würde übrigens wirklich gern verstehen, warum es so aussieht, als ob die Sonne sich ins Meer ergießt, und ja, natürlich hätten die Bilder entrauscht werden müssen. Ich hatte keine Lust auf Hochglanz.

Kommt gut in und durch die neue Woche!

 

39 Kommentare zu “Vom Sommer und Sonnenuntergang

  1. Deine Fotos und der Morgenstern, man meint, er hätte sie vor Augen gehabt. Deine Motti ..wie klingt das denn …..sind immer toll ausgewählt und stimmig und ich warte schon immer darauf, was Du wieder gefunden hast.
    Starte gut in die neue Woche und sei herzlich gegrüßt, Karin

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    • Umgekehrt, liebe Karin, ich habe, ich gestehe es, dieses Mal Gedichte zu dem Sonnenuntergang gesucht. Sonnenuntergänge sind oft so kitschig-grenzwertig, das wollte ich nicht. Ich mag meine Auswahl auch.
      Übrigens sagt der Duden, es hieße „Mottos“. Erheblich weniger blöde.
      Ganz herzliche Grüße zurück auf dein Dach und an den wichtigsten Kater dort 😉
      Christiane 😁😺🌞👍

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  2. Danke für das Erbauliche zum frühen Morgen. Mein Favorit ist der Wolff. Dass die Seele an der Schönheit genese – schöne Vorstellung, auch das mit dem Sorgenversenken.
    Dir einen schönen Tag
    Rolf

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    • Ich persönlich finde ja, dass das stimmt. Schönheit … erhebt, reißt mit, lässt einen vergessen … wenn man dafür zugänglich ist. Das trifft meines Erachtens für die Natur ebenso zu wie für die Kunst und erst recht für die Musik.
      Auch dir einen schönen Tag, danke für deine Gedanken
      Christiane 😀

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  3. alle drei Gedichte sind erstaunlich. Morgenstern beschreibt den Vorgang in wunderbarer Präzision (und deine Bilder dazu illustrieren es noch mal). Die anderen beiden erklären mir fast die Faszination, die Sonnenunergänge wohl für alle Menschen haben. Irgendetwas geschieht dann mit ihrer Seele, was sie am Tag nicht fühlen – nicht zulassen können. Sie dürfen loslassen, verbrennen lassen, was sie quält, und zu einer Harmonie kommen, in der Leben und Tod sich die Waage halten.

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    • Trost. Und das Bewusstsein, etwas beizuwohnen, das größer ist als man selbst.
      Sonnenuntergänge können sehr besonders sein – wenn man sich darauf einlassen kann, was aus Gründen auch nicht immer geht.
      Danke dir!
      Liebe Grüße
      Christiane 😀

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  4. Ja, Sonnenuntergänge sind schon etwas Besonderes, ich fand sie schon als Kind magisch – Jahreszeit und Ort egal. Danke für deine feine Auswahl zum Thema. Kommt gut in die neue Woche!

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  5. Da muss ich meinen Senf dazu tun :
    Wenn kaum mehr Licht und Wärme spendet
    der rote Ball am Horizont,
    der helle Tag wohl damit endet.
    Dann kommt vielleicht dafür der Mond.
    Wenn nicht, ist es uns auch egal,
    die Bar macht auf in jedem Fall!

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    • Wenn ich ehrlich bin, war „Moon over Bourbon Street“ so ungefähr das Letzte, woran ich dabei gedacht habe, aber bitte, wenn du meinst, es passt … 😉
      Liebe Grüße
      Christiane

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    • Ich nehme gerne jede Gelegenheit wahr, jenseits der „Galgenlieder“ und „Palmström“ ein bisschen Reklame für Morgenstern zu machen. Freut mich, dass er dich hier gefangen hat. 😁🌞👍
      Liebe Grüße
      Christiane

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  6. Er hätte mich auch gefangen, hätte nicht vorher Herr Heine ein Herz angerührt und nun halte ich ihm die Treue. Eigentlich ist er mir meist ZU romantisch, aber gerade jetzt mag ich es sehr, ich sehnsuchtsvolles Wesen *g*.
    Dein Foto vom Sonnenuntergang ist genial.
    Ein Sonnenuntergang, weder schwülsig noch kitschig und doch so besonders, wie sich der rote Ballon dann endlich niederläßt, sich dem nassen Element vorsichtig anvertraut, sich ihm dann ganz ergibt und wie ein Wunder, darin verschwindet …
    Liebe Grüße zum Abend von Bruni

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    • Ich wollte zuerst von Heine das bekannte „Ein Fräulein stand am Meere“ nehmen, fand es aber dann im Ton nicht angemessen und war froh, dass ich dies hier noch entdeckte.
      Schön, dass du es magst, schön, dass du das Besondere in den Bildern siehst. Es war schon speziell 😁
      Liebe Grüße
      Christiane

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  7. oh ja, speziell *g*, aber ich mochte es gerade jetzt 🙂
    Vielleicht auch nur im Jetzt, das jetzt schon wieder vorüber ist *g*
    Ein Fräulein stand am Meere, wer kennt und liebt es nicht, liebe Christiane
    Ganz herzlich, Bruni, aus einem sehr schwülen Nachmittag

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