Von Regen und Liebe

 

Regen

Versprach sie doch am schwanken Steg im Garten
Im Dämmerschein mich Heute zu erwarten!
Sie zitterte, als ich es laut erbat,
Ich zitterte, als sie es still bejaht.
O hindre nicht, daß sie mir naht,
Du finstrer Himmel, regne nicht so sehr!

O wolltest Du gerührt von meinem Flehen
Ihr in die ewig klaren Augen sehen!
So fordre sie zum Kampfe groß und klar:
Laß mich nicht sagen, daß ihr Augenpaar
Heut schöner als das Deine war,
Du finstrer Himmel, regne nun nicht mehr!

Seit sie mich liebet, liebt mich auch der Friede,
Ich bin nun zahm im Leben und im Liede,
In bunten Farben schillert mir die Welt!
Nimm sie aus meiner Brust von Lust geschwellt
Als Regenbogen in Dein Zelt,
Du finstrer Himmel, regne nun nicht mehr!

Ihr Bruder nennt mein Lieben ein Verbrechen,
Sie darf mich heimlich nur am Brückchen sprechen,
Sie läßt mich nicht, sie liebt zum ersten Mal!
Du aber hast nicht einen Sonnenstrahl,
Du gießest Tropfen ohne Zahl,
O werde blau und weine nun nicht mehr!

(Karl Isidor Beck, Regen, aus: Stille Lieder, in: Gedichte, 1846, Online-Quelle)

 

Während des Regens

Voller, dichter tropft ums Dach da
Tropfen süßer Regengüsse;
Meines Liebchens holde Küsse
Mehren sich, je mehr ihr tropfet!
Tropft ihr, — darf ich sie umfassen,
Lasst ihr’s, — will sie mich entlassen.
Himmel, werde nur nicht lichter,
Tropfen, tropfet immer dichter!

(August Kopisch, Während des Regens, aus: Amor, in: Gedichte, 1836, Online-Quelle)

 

Die Uhr zeigt heute keine Zeit

Ich bin so glücklich von Deinen Küssen,
Daß alle Dinge es spüren müssen.
Mein Herz in wogender Brust mir liegt,
Wie sich ein Kahn im Schilfe wiegt.
Und fällt auch Regen heut’ ohne Ende,
Es regnet Blumen in meine Hände.
Die Stund’ die so durch’s Zimmer geht,
Auf keiner Uhr als Ziffer steht;
Die Uhr zeigt heute keine Zeit,
Sie deutet hinaus in die Ewigkeit.

(Max Dauthendey, Die Uhr zeigt heute keine Zeit, aus: Insichversunkene Lieder im Laub, in: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 295)

 

Quelle: Pixabay

 

Kommt gut in die neue Woche, wo immer ihr seid!

 

38 Kommentare zu “Von Regen und Liebe

    • Hier stürmt es auch ziemlich. Immerhin ist der Fellträger drin, auch wenn er mault und eigentlich ja viel lieber wieder raus ginge, würde es nicht so regnen …
      Werd schnell gesund!
      Liebe Grüße
      Christiane 🌧️🌬️😺😀

      Gefällt 1 Person

  1. Regentropfen und Küsse – eine Assoziation, die mir noch nie inden Sinn kam. Dabei ist sie ja genauso naheliegend wie die mit den Tränen. feine Auswahl! Und man sieht mal wieder: wat dem enen sin Ul, is dem annern sin Nachtigall.

    Gefällt 4 Personen

    • Ich kenne so Sprachbilder wie „Küsse prasselten auf sie/ihn hernieder“, und fand das immer fürchterlich. Aber es geht ja tatsächlich in diese Richtung.
      Liebe Grüße aus dem stürmisch-nassen Hamburg
      Christiane

      Gefällt 2 Personen

  2. Ein sehr hübsches Trio hast du da zusammengestellt, liebe Christiane. Ich kannte keines der Gedichte. Am Ende lässt sich immerhin so viel sagen: Regen an sich ist weder willkommen noch unwillkommen. Alles eine Frage der Umstände… 😉

    Gefällt 3 Personen

    • Ich bin so eine Art Dauthendey-Fan, liebe Maren, das hast du ja bestimmt schon längst mitbekommen. Die beiden anderen Herren sind Zufallsfunde – ich streune online durch Gedichtsammlungen, warte, dass ich einen roten Faden, eine Gemeinsamkeit, einen Bogen entdecke, und suche dann gezielt.
      Regen ist ganz sicher auch eine Frage der Umstände, aber was ist es nicht? Die Dosis macht das Gift … 😉
      Liebe Grüße über die Elbe
      Christiane

      Gefällt 2 Personen

  3. Eine feine Sammlung zum Thema Regen hast du uns da präsentiert. „Die Uhr zeigt heute keine Zeit,
    Sie deutet hinaus in die Ewigkeit“ finde ich richtig stark!
    Kommt gut in diese Woche!

    Gefällt 1 Person

  4. *schmunzel*, Max Dauthendey ist mit Abstand heute für mich das Schönste vom Schönen, liebe Christiane!

    Ganz herzlich, Bruni

    Gefällt 1 Person

  5. Es ist schön, hier jemanden zu sehe , der/die mir das mühevolle Filtern der Lyrik abnimmt und hier einiges präsentiert, das☺uns einen etwas erweiterten Blick auf Menschen und Natur ermöglicht.

    Gefällt 1 Person

  6. Ja, leider. Der Rahmen des Mögliche ist oft sehr eng… Aber wer mit dem Herzen sucht und auf die innere Stimme lauscht und im Alltäglichen das Beste tut, findet Wege, die oft wie WUnderdog erscheinen. Da hat sich auf einmal in einer fast undurchdringlich geschlossenen Wand eine Tür geöffnet ( wie eine Tapetentür 😊), und Du darfst eintreten in einen Raum, den du nie für möglich gehalten hättest. Doch wer den Alltag mit seinen Aufgaben nicht ernst nimmt und das Notwendige tut, findet diese geheime Tür nicht. Das ist wie im Märchen. Die wirkliche Wirklichkeit ist den Märchen ähnlicher als die Realität.☆ die of wie Wunder erscheinen.

    Gefällt 1 Person

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.