Von Gedanken zum Frühling

 

IV.

Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht!
Wer schweigt, dem tönt kein Echo hier auf Erden!
Weß Herz nicht dichtet, der faßt kein Gedicht,
Und wer nicht liebt, dem wird nicht Liebe werden.

Was ist der Geist, der nie zum Geiste spricht,
Der selbstgefällig will in sich verwesen?
Was ist ein Gemüt, das nie die Rinde bricht?
Was eine Schrift, die nicht und nie zu lesen?

Es findet jeder Geist verwandte Geister!
Kein Herz, das einsam ohne Liebe bricht!
Nur wer sich selbst verlor, ist ein Verwaister!
Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht!

(Otto Prechtler, Wer keinen Frühling hat, aus: Ein platonischer Traum, in: Donaublumen, Wien 1847, Online-Quelle)

 

XXXXVI

Das kannst du nicht zwingen:
daß die Knospen springen,
eh die Sonne ihnen ihren Mai gebracht!
Aber daß: was hinter dir liegt,
dich nicht schreckt mehr und unterkriegt:
was Winter in dir abzustreifen
in aller Stille … und Knospen zu reifen
und dich zum Frühling durchzuringen …
Das kannst du zwingen!

(Cäsar Flaischlen, Das kannst du nicht zwingen, aus: Jost Seyfried, Drittes Buch, „Lieder eines Schwertschmieds“. Online-Quelle)

 

Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum

Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum,
Auf allen Bäumen flammen Blütenbrände,
Unzählbar lacht der Kuckuck durch den Raum.
Frag ich ihn bang nach meines Lebens Ende.
Es blüht und lebt bis an der Erde Saum,
Wird blühn und leben, singt er, ohne Wende,
Als wäre Frühling nicht ein kurzer Traum.
Auch du bist ewig! Spare nicht, verschwende!

(Ricarda Huch, Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum, aus: Herbstfeuer. Gedichte, Insel Verlag zu Leipzig 1944, Quelle)

 

Trust love | 365tageasatzadayQuelle: ichmeinerselbst, alle Fotos von letzter Woche, Anklicken macht groß

 

Passt eigentlich viel besser hierhin, aber das wusste ich Freitag noch nicht.

Kommt gut und gesund und wohlgemut in und durch die neue Woche!

 

36 Kommentare zu “Von Gedanken zum Frühling

  1. Kein Herz, das einsam ohne Liebe bricht!
    Nur wer sich selbst verlor, ist ein Verwaister!
    Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht!

    Dieser Aspekt des Sichselbstverlierens scheint mir ein zentraler Aspekt des Sichverliebens zu sein. Den hat der Dichter hier natürlich nicht gemeint, aber bei seinen Zeilen kam mir dieser Gedanke vorbei.

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  2. Danke, du unermüdliche Poesieausgräberin! Das erste Gedicht lese ich wieder und wieder, so berührt es mich!
    Liebe Christiane, ich wünsche dir eine gesunde und fröhliche Woche,
    herzlichst, Ulli

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  3. Zu mir spricht stark Ricarda Huchs Gedicht -oder vielmehr der Kuckuck!
    „Unzählbar lacht der Kuckuck durch den Raum.
    Frag ich ihn bang nach meines Lebens Ende.
    Es blüht und lebt bis an der Erde Saum,
    Wird blühn und leben, singt er, ohne Wende…“

    und dann das herrliche Echo:
    „Auch du bist ewig, spare nicht, verschwende!“

    Ja, das ist Frühling! wer ihn im Innern trüge, so verschwenderisch wie der Kuckuck! wie die Amsel, wie der Mandelbaum, wie die Anemonenwiese!

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    • Der sprach auch zu mir, und ich wollte am Ende der Gedichte unbedingt diese Richtung einschlagen – auch wenn jetzt noch keine Kuckuck-Zeit ist, jedenfalls nicht hier. Aber sie wird kommen, der Frühling kommt mit Macht voran.
      Herzliche Grüße in deinen Abend
      Christiane 😁🌼🌞👍

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  4. Mir geht es wie Gerda, und ich denke, ich werde mehr von Ricarda Huch lesen. „Auch du bist ewig! Spare nicht, verschwende!“ fängt die Explosion der Natur im Frühling sehr schön ein. Jetzt muss hier nur noch mal Frühlingswetter kommen!
    Einen guten Wochenstart,
    Viola.

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  5. Das erste haut ja rein, aber deine Fotos sind ja auch klasse, muss auch mal wieder gesagt werden. Einzeln, aber auch die Kombination.
    Viele Grüße vom Vollmondabend!

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    • Danke dir speziell für das Fotolob, klar, wobei ich finde, dass z. B. die Schwäne nur in der Kombi kommen und vermutlich nur für mich Sinn ergeben 😉 Und ja, ich hatte sie herumgeschoben. Das Vierblättrige kommt allerdings in die Auswahl für den nächsten Kalender …
      Liebe Grüße zurück, hier ist der Vollmond eine schimmernde Scheibe hinter schnell ziehenden Wolken – aber der Fellträger ist raus auf die Pirsch … 😼

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      • Jedes der Bilder hat seine Qualitäten, und gerade das Schwanenfoto, wie wenn alles auf die beiden hindeutet, der Standpunkt, wie sich der See öffnet und so klein sie auf dem Bild auch sind, so wichtig sind sie auch.
        Finde eben ich.
        Nochmal Grüße, gehe jetzt auch auf die Pirsch (Kühlschrank, mal sehen….) oder Tee…. in dieser Reihenfolge…

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  6. Ricarda Huch ist es mal wieder, ihre Zeilen sprechen mir aus dem Herzen, sehen den Frühling so, wie ich ihn empfinde und so wie er empfunden werden möchte, als Beginn eines Wunders, das *ewig* ist und immer wiederkehrt.
    Ein wundervolles Gedicht, Zeile für Zeile

    Eine Bilder sind schön, haben so eine ganz eigene Stimmung.

    Liebe Gutenachtgrüße von Bruni

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  7. Ich hab nur ganz selten Gänsehaut beim Lesen eines Textes, aber das Prechtler-Gedicht hat genau das geschafft! Wenn ich mir so was doch nur merken könnte … 😉

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    • Ja, so was ist eine Gabe. Aber auch du musst in dem Moment dafür empfänglich sein, auch das ist nicht nichts …
      Freut mich. Sehr.
      Liebe Grüße
      Christiane 😁☔🌧️☕👍

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  8. Prechtlers Gedicht gefällt mir! 🙂

    Was ist der Geist, der nie zum Geiste spricht,
    Der selbstgefällig will in sich verwesen?


    …sperrt seine Gedanken in einen Tresen
    …kehrt nie darin mit einem Besen
    …weiß nur sich selbst zu lesen

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