Von Hoffnung und Warten

 

Abendlied

Rose Marie, Rose Marie,
Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
Rose Marie, Rose Marie,
Aber du hörtest es nie.

Jedwede Nacht, jedwede Nacht,
Hat mir im Traume dein Bild zugelacht,
Kam dann der Tag, kam dann der Tag,
Wieder alleine ich lag.

Jetzt bin ich alt, jetzt bin ich alt,
Aber mein Herz ist noch immer nicht kalt,
Schläft wohl schon bald, schläft wohl schon bald,
Doch bis zuletzt es noch hallt:

Rose Marie, Rose Marie,
Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
Rose Marie, Rose Marie,
Aber du hörtest es nie.

(Hermann Löns, Abendlied, aus: Der kleine Rosengarten, 1911, Online-Quelle)

 

Kriecht die Hoffnung aus dem Loche
Meiner Glücksverlassenheit? –
Putzt sich eine Glanzepoche
Aus der Trübnis dieser Zeit? …
Irgendwo vernahm ich Laute
Wie von schüchternem Applaus,
Und ich sah ein Licht, das schaute
Wie verlegene Liebe aus.
Blitzt‘ es nicht auch in der Ferne
Wie von schimmerndem Metall? –
Zweifellos: es drängen Sterne
Durchs Gewölk sich überall…
Andrerseits ist zu erwägen:
Hoffnung hat ein großes Maul,
Und des Dichters armem Brägen
Deucht ein Huf oft schon ein Gaul.

(Erich Mühsam, Kriecht die Hoffnung aus dem Loche, aus: Der Krater, 1904–1908, Online-Quelle)

 

Lied vor Tag

Was bewegt dich, stiller Himmel?
Was beschwingt die schweren Wolken?
Herz, wie kommt die helle Höhe
übers tiefgraue Meer?

Durch die Wolken schwebt ein Vogel,
schwebt vorbei mit hellen Flügeln,
trägt die goldne Morgenröte
übers tiefgraue Meer.

Komm zurück, du goldner Vogel!
Nimm mich hoch in deine Höhe!
Trag mein Herz, du helle Hoffnung,
übers tiefgraue Meer!

(Richard Dehmel, Lied vor Tag, aus: Weib und Welt, Ein Buch Gedichte, Vierte Ausgabe, 1913, Online-Quelle)

 

Morgenstimmung | 365tageasatzaday Quelle: Pixabay

 

Kommt gut in die neue Woche, sie sei, wie sie sei – und bleibt heiter!

 

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46 Kommentare zu “Von Hoffnung und Warten

  1. Die Rosemarie vertont gibt es mit vielen Sängern, hier etwas Lustiges:

    Mein heutiger Favorit ist der Dehmel.
    Hier ist es herrlich sonnig, aber es weht ein eiskalter Wind. Starte gut in die neue Woche und sei lieb gegrüßt, Karin

    Gefällt 1 Person

    • Ich habe die Rosemarie irgendwann mal selbst im Chor gesungen, liebe Karin, mir war schon klar, dass es da ganz viele Vertonungen gibt. Bei deinem Video sind auch interessante Kommentare dabei, vielen Dank für beides!
      Ich bin auch bei dem Dehmel, alles in allem, und kalt ist es hier auch. Sonne haben wir allerdings fast schon zu viel, ein paar Tage mit hübsch trübsinnigem Regen wären echt nett 😉
      Ergebene Grüße an den Katzenherrn und auf dein Dach! Komm auch du gut in die neue Woche
      Christiane 😁☕🍪😺🌞👍

      Gefällt 1 Person

  2. Guten Morgen, liebe Christiane, das war gerade wieder einmal ein schöner Einstieg in die neue Woche.
    Gutes und Schönes dir.
    Ja, bleiben wir heiter…
    Liebe Grüße
    Ulli 🌺😊🦋

    Gefällt 2 Personen

  3. Liebe Christiane, mitten ins Herz der Zeit (und in meins) hat deine Gedichtauswahl getroffen. Wie immer Mühsam am meisten, aber auch Dehmel. „Trag mein Herz, du helle Hoffnung,
    übers tiefgraue Meer!“ – hab ich schon oft als Legebild gestaltet, wenn auch ohne diesen lyrischen Bezug..

    Gefällt 2 Personen

    • Ach, liebe Gerda! Das freut mich! Ich weiß, das schreibe ich jede Woche, aber ich meine es auch jede Woche so.
      Mir gefällt der Dehmel (= dein Zitat speziell) auch sehr. Mehr muss man dazu eigentlich gar nicht sagen, oder?
      Liebe Grüße
      Christiane 😉☕🌞👍

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  4. 🙂 Die Rosemarie, wer kennt sie nicht und die Melodie auch, aber nach der ersten Strophe fehlte mir dann der Text…
    Für die beiden ersten Zeilen
    Kriecht die Hoffnung aus dem Loche
    Meiner Glücksverlassenheit? –
    würde ich so gerne den Herrn Mühsam nehmen, doch da kommt ihm der Dehmel bei mir in die Quere. Er erfreut mein romantisches Herz und ich erkläre ihn zu meinem Spitzenreiter heute.
    Liebe Schmunzelgrüße zur Nacht von Bruni an Dich, liebe Christiane

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  5. Richard Dehmel ist ja eigentlich schon meiner, aber dieses Mal nicht – ich komme nicht in den Rhythmus seiner Strophen hinein. Seltsamerweise ist es Hermann Löns, der mich anspricht, und das überrascht mich gerade ziemlich.

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    • Das ging mir mit dem Löns auch so. Zuckerkram auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite doch berührend schlicht. Du kennst die Melodie dazu, oder?
      Ich finde die Bilder, die Dehmel hier zeichnet, schon schön, aber vom Rhythmus her recht bemüht.
      Liebe Grüße
      Christiane 😁🍷🌕❤️👍

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      • Nein, die Melodie kannte ich bis genau jetzt nicht (youtube sei Dank). Hm. Hm. Hmmmm. Ich glaube, es gefällt mir ohne Musik besser. Es könnte allerdings auch an den Interpreten liegen. Eieiei, das wird youtube mir lange hinterhertragen… 🙂

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