Von der Zweisamkeit

 

Die Liebe war nicht geringe

Die Liebe war nicht geringe.
Sie wurden ordentlich blaß;
Sie sagten sich tausend Dinge
Und wußten noch immer was.

Sie mußten sich lange quälen,
Doch schließlich kam’s dazu,
Daß sie sich konnten vermählen.
Jetzt haben die Seelen Ruh.

Bei eines Strumpfes Bereitung
Sitzt sie im Morgenhabit;
Er liest in der Kölnischen Zeitung
Und teilt ihr das Nötige mit.

(Wilhelm Busch, Die Liebe war nicht geringe, aus: Kritik des Herzens, 1874, Online-Quelle)

 

Der andre Mann

Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.
Er plaudert. Er ist zu dir nett.
Er kann dir alle Tenniscracks nennen.
Er sieht gut aus. Ohne Fett.
Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an …
Dann tritt zu euch beiden dein Mann.

Und du vergleichst sie in deinem Gemüte.
Dein Mann kommt nicht gut dabei weg.
Wie er schon dasteht – du liebe Güte!
Und hinten am Hals der Speck!
Und du denkst bei dir so: »Eigentlich …
Der da wäre ein Mann für mich!«

Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren
und guten alten Papa!
Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren
ständest du ebenso da!
Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen;
dann kennst du ihn in Unterhosen;
dann wird er satt in deinem Besitze;
dann kennst du alle seine Witze.
Dann siehst du ihn in Freude und Zorn,
von oben und unten, von hinten und vorn …
Glaub mir: wenn man uns näher kennt,
gibt sich das mit dem happy end.
Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier …
und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer.
Beurteil uns nie nach den besten Stunden.

Und hast du einen Kerl gefunden,
mit dem man einigermaßen auskommen kann:
dann bleib bei dem eigenen Mann!

(Kurt Tucholsky / Theobald Tiger, Der andre Mann, aus: Die Weltbühne, 21.10.1930, Nr. 43, S. 630, Online-Quelle)

 

Ehespruch

Jeder Mensch ist eine Melodie.
Lieben heißt: sie innehaben.
Ich bin für dich, du bist für mich ein Lied.
Geschlossenen Auges sing ich dich,
In meiner Seele mich an dir zu laben.

Doch wehe, wenn wir uns vergessen,
Fehlt Ton um Ton des Lieds, umsonst gesucht,
Dann ist die Liebe ohne Zucht,
Ein Zwang, der ichbesessen
Zwei Einsamkeiten ineinanderflucht.

(Franz Werfel, Ehespruch, aus: Gedichte aus dem Nachlaß, Online-Quelle)

 

Die kleinen Lieder für Irene

I

Gott hat uns leicht und schwer gemacht.
Du hast geweint. Ich hab gelacht.
Du hast gelacht. Ich hab geweint.
So Sonn und Mond am Himmel scheint.

II

Hingen  Wang an Wangen,
Hingen Blick an Blick.
Viele Frauen sind mit mir gegangen,
Und nur eine sah zurück.

Viele haben schön bei mir geschlafen,
Und nur eine ist erwacht.
Mein zerzaustes Segel fand den Hafen,
Und mein Tag fand seine Nacht.

(Klabund (Alfred Henschke), Die kleinen Lieder an Irene, aus: Die kleinen Lieder für Irene, in: Kleines Klabund-Buch. Novellen und Lieder, 1921, Online-Quelle, Online-Quelle)

 

Quelle: Pixabay

 

Vom Liebeskummer der letzten Woche zur Zweisamkeit zurück … und den Wilhelm Busch hat schon mein Vater meiner Mutter zitiert. Hach ja. Ich musste sehr lachen, als ich ihn entdeckte.

Kommt gut in und durch die neue Woche und passt auf, wen ihr an euch heranlasst …

 

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54 Kommentare zu “Von der Zweisamkeit

  1. Guten Morgen, liebe Christiane, sie sind alle auf ihre Weise wahr und schön, heute geht mein Herz besonders mit Tucholsky.
    Ich wünsche dir eine gute, neue Woche.
    Liebe Grüße
    Ulli 🌺🦋

    Gefällt 6 Personen

    • Ich amüsiere mich immer über diesen Tucholsky, wenn ich ihn lese. Er ist so aktuell, ich glaube, so manches an menschlichen Verhaltensweisen ändert sich nie … 😉
      Auch dir eine gute neue Woche, liebe Ulli!
      Liebe Grüße
      Christiane 😁🌦️☕🍪👍

      Gefällt 5 Personen

    • Busch ist auch großartig. Schön, ich habe persönliche Erinnerungen an dieses Gedicht, ich bin da eh nicht objektiv. Nett, dass die anderen auch Gnade vor deinen Augen finden, ich weiß das zu schätzen 😉
      Liebe Grüße
      Christiane 😁🌦️☕🍪👍

      Gefällt 1 Person

  2. Ach, der liebe Wilhelm Busch…. am meisten habe ich über den Satz gelacht:
    „Sie sagten sich tausend Dinge
    Und wußten noch immer was.“
    Tja, irgendwie hat das auch einen Grund und da muss ich mich wohl auch drin gefunden haben – bezügl. meiner Vergesslichkeit 😉 Dir auch eine schöne Woche!

    Gefällt 3 Personen

  3. Oh, ein jeder weiß um die Worte von Tucholsky und Wilhelm Busch.
    Auch jene von Franz Werfel finden immer ihren Weg.

    Und doch wagen Abertausende den Sprung ins ungewisse Glück.

    Was mag wohl dran sein?
    Ist es der Sprung, das Ungewisse oder das Glück?

    Michael Krämer

    Ich finde alle Gedichte gut und passend.

    Gefällt 2 Personen

    • Hallo Michael, willkommen 🙂
      Ich bin nicht sicher, ob man die Motivation von „Abertausenden“ unter diesen drei Punkten aufsummieren kann, ich denke, es ist individueller. Ganz unromantisch denke ich, dass die meisten, die heiraten, sich zu zweit ein größeres „Glück“ erhoffen als allein. Aber was Glück ist, darüber kann man bestimmt lange diskutieren, und viele tun das ja auch, es gibt ja ganze Reihen von Büchern dazu … 😉
      Liebe Grüße aus Hamburg nach DO
      Christiane 😁🌦️☕🍪👍

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  4. *lach* Das ist weise ! Jenseits von Romantik, die, was dauerhafte, solide Beziehungen betrifft, oft eine miserable Ratgeberin ist:
    Beurteil uns nie nach den besten Stunden.

    Und hast du einen Kerl gefunden,
    mit dem man einigermaßen auskommen kann:
    dann bleib bei dem eigenen Mann!

    Das Irenen-Gedicht mag ich logischerweise auch 😉

    Gefällt 3 Personen

    • Logischerweise 😉.
      Man sollte bei Tucholsky vielleicht ergänzen, dass der Rat umgekehrt ebenso gilt, aber okay, irgendwas ist immer 😁
      Liebe Grüße
      Christiane 😁🌦️☕🍪👍

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      • Das sind so die fatalen Auswirkungen der schriftlichen Kommunikation: man muss sich die Intonation, die Körpersprache und die Mimik selbst dazu denken und kommt immer wieder zu Schlüssen, die mit der Absicht der/des anderen gar nichts zu tun haben.
        Aber es freut mich, dass du meinen Text gelesen hast 😉 🙂
        Und ich finde, dass ich mit dir sehr wenige solcher Missverständnisse habe, weil wir beide nachfragen. Die Missverständnisse, bei denen man gar nicht bemerkt, dass es etwas zum Rückfragen gäbe, kann man halt nicht vermeiden. Aber dazu fällt mir bei dir eigentlich auch nichts ein. Mit anderen Worten: ich finde auch die schriftliche Kommunikation mit dir sehr erfreulich ❤

        Gefällt 1 Person

      • Wenn ich was festgestellt habe und immer noch feststelle, dann, dass „ihr da unten“ möglicherweise das Gleiche meint, euch bloß anders ausdrückt. Ersteres ist schon mal ermutigend.
        Heißt nur leider aber auch, dass es sein kann, dass zwischen euren Zeilen was anderes stehen kann (nicht muss). Und dann kommt es sehr drauf an, wer sich da unterhält und auf welchem Level der*die anderen sind und was alle voneinander wollen.
        Ich denke auch immer, dass ich mich völlig verständlich ausdrücke, selbstverständlich, wie auch nicht 😉
        Wir beide haben es etwas leichter, weil wir schon mal Zeit miteinander verbracht und eine Vorstellung voneinander haben. Von daher: Ja, läuft, läuft gut, das denke ich auch. Danke für das Kompliment, sehr erfreut 😀

        Gefällt 2 Personen

  5. Wir hier unten drücken uns selbstverständlich auch 100% eindeutig aus schließlich versteht die ganze Welt unsere kulturellen und gesellschaftlichen Konotierungen🙃🙃🎶. Keinesfalls werde ich
    mich von deinen Blogeinstellungen davon abhalten lassen hier ein paar Herzerl zu hinterlassen sogar wenn ich dafür die verhasste Handytastatur benutzen muss ❤️❤️😸💞💕❣️💌

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  6. Busch und Tucholsky hätte ich gern mal live vorlesend erlebt! Ich habe von Letzterem die herrliche Geschichte von „Lottchen beichtet einen Geliebten“ auf dem Blog – man kommt bei ihm aus dem Lächeln nicht heraus.
    Zweisamkeit mit vier Beinen haben wir immer – Schwerenöter auch sie -:)))
    Lieber Gruß an Dich vom Dach, Karin

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    • Tucholsky muss man auf der Rechnung haben, liebe Karin, ja, unbedingt. Und unsere vierbeinigen Begleiter darf man auf keinen Fall unterschätzen, so gekonnt, wie die uns um die Pfote wickeln! 🙂
      Liebe Grüße aus dem kühlen und windigen Hamburg
      Christiane :-)))

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      • Den zweibeinigen Begleitern würden wir ja auf die Pfoten klopfen, wenn sie übergriffig würden -:)))
        Egal ob Pfoten oder Finger – das Gegenüber gekonnt ein wenig zu manipulieren, dass er es gaaaar nicht merkt – schönes Spiel.
        Heiter bis wolkige Grüße vom wieder wärmer werdenden Dach, Karin

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      • Na ja, das ist eine Sache mit dem grundlegenden Vertrauen. Der Fellträger vertraut mir, dass ich ihm nicht absichtlich wehtun will und dass alles zu seinem Besten ist, aber tut das auch der Mensch, den ich manipuliere, und akzeptiert er es, wenn er es weiß? Das kann ein verdammt schmaler Grat sein – und dann ganz schnell kein Spiel mehr … 😉 🙂

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      • Liebe Christiane, für mich ist das ein Flirtspiel,das man auch nach vielen Ehejahren praktizieren kann. Jemanden bewusst zu seinem Nachteil lit weiblichen Waffen zu manipulieren, fände ich überhaupt nicht in Ordnung,das ist Berechnung und ein No-Go. Mir geht es um die Leichtigkeit dabei, vor allem die wortspielerische Leichtigkeit.

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  7. Busch, lange nicht gehört, aber treffend und gut.
    Tucholsky, oh ja, er mit seinem trockenen Ton, der wohl auch hier den Nagel auf den Kopf trifft.
    Die beiden haben es in sich.
    Liebe Grüße in die Nacht von Bruni an Dich

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    • Ich mag auch die stilleren Töne der anderen beiden, liebe Bruni. Wir laufen oft dem Gefälligen nach …
      Aber schön, dass du vorbeigeschaut hast! Danke!
      Liebe Grüße
      Christiane 😁😴👍

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      • ich habe sie mir alle durchgelesen, liebe Christiane, und von Sprachmelodie und Aussage mochte ich letztendlich diese beiden noch ein bissel lieber als Werfel und Klabund. Der berühmte Klabund betört ja schon sehr durch seinen guten Namen, aber immer mag ich ihn nicht. Werfel ist mir nach wie vor eigentlich unbekannt, aber seine Worte sprechen für ihn.
        Deine Auswahl ist immer gut.
        Lieber Gruß in die Nacht von Bruni

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      • Ich bin weit weg davon, persönliche Vorlieben zu tadeln oder zu kritisieren, liebe Bruni, ich wundere mich nur.
        Wie immer freue ich mich, dass eines meiner Gedichte dein Herz berührt hat.
        Liebe Grüße
        Christiane 😁🌞☕🍪👍

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  8. Was ich an deinen Gedichten am meisten mag, das ist die bunte Auswahl die du immer triffst. Da gibt es so viel und so viele die ich gar nicht kenne. Von Busch jetzt mal abgesehen.

    Danke und Grüße nach Hamburg,
    René

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    • Rein zeitlich gesehen bewege ich mich meistens in einem relativ engen Korridor, daher wirst du auf den einen oder die andere bestimmt häufiger treffen oder bereits getroffen sein. Aber freut mich, dass du die Vielfalt als bereichernd empfindest.
      Liebe Grüße zur Nacht
      Christiane 😁😴👍

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