Engelchen greift ein | abc.etüden

 

Er hasste sie mit Inbrunst, und das wollte etwas heißen, denn eigentlich war seine Welt behütet und Hass ein zu großes Wort für ihn. Er fand, dass ihr Geruch zwischen Tod und Chemie schwankte, was ihm zusätzlich Kopfweh verursachte. Da aber SIE so begeistert von ihr war, wurde ihm klar, dass er SIE vor dieser Bedrohung beschützen musste.

Ohne Rücksicht auf Verluste.

Und es musste sein, solange SIE noch keinen Verdacht geschöpft hatte und er sich noch frei bewegen konnte. Er schlief drei Tage lang schlecht und geisterte durch das Haus, aber dann hatte er die zündende Idee und wusste, was seine Aufgabe war.

Frühmorgens schnappte er sie sich, zog sie hinter sich her nach draußen über den Rasen und in das Gebüsch. Was er dort mit ihr tat, sah keiner; und als SIE erwachte, war längst wieder alles wie vorher. Scheinbar.

»Engelchen«, rief SIE nach ihm wie üblich, »Engelchen, mein Schatz, wo bist du?«, und er beeilte sich, war glücklich, zu IHR zu kommen; aber als SIE gewahrte, dass sie verschwunden war, war der schöne Frieden schnell vorbei. Es wurde auch nicht besser, als SIE sie nirgends entdecken konnte. Natürlich stellte er sich dumm, als er nach ihrem Verbleib gefragt wurde, lediglich als SIE den Verdacht äußerte, dass er sich vielleicht nicht besonders engelhaft verhalten hätte, musste er niesen, schämte sich und ging betreten weg.

Sie tauchte nicht mehr auf, und er dachte schon, SIE hätte sie vergessen.

Bis zu jenem Tag, an dem SIE die Brombeerhecke im Garten aberntete, stolperte und in das Kaninchenloch trat, in dem Engelchen, der Rauhaardackel des Hauses, die teure blonde Echtlanghaarperücke seines Frauchens vergraben hatte.

 

abc.etüden 2020 37+38 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, bearbeitet von mir

 

Für die abc.etüden, Wochen 37/38.2020: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Worte stammen dieses Mal aus der Feder des Etüdenerfinders Ludwig Zeidler, danke dir, Ludwig! Sie lauten: Idee, engelhaft, vergraben.

Ich bekomme momentan nichts Tiefgründiges hin, aber immerhin so was.
Diese Idee hier ist entstanden nach dem Beobachten eines Dackels, der so ziemlich alles über die Wiese zerrte, was nicht niet- und nagelfest war und von den dazugehörigen Kindern nicht gerettet werden konnte … 😉
Nein, Katzen tun so was nicht. Die lassen tun.

 

78 Kommentare zu “Engelchen greift ein | abc.etüden

  1. der „Dackel mit den fliegenden Ohren, der eine blonde Perücke hinter sich her über den Rasen zieht und damit in der Hecke verschwindet“,den ich in deinem Kommentar entdecke, fehlt leider in deiner Erzählung, wenn man sie zum ersten Mal liest. Bleibt nur die Wahl, sie ein zweites Mal zu lesen und befriedigt zu schmunzeln. Aha, soso! Sympathischer Kerl, der Kleine, und soo fürsorglich. Seine Mami kann von ihm lernen, was gut für sie ist.

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    • Na ja, der Dackel und die blonde Perücke finden sich im letzten Satz. Was den Rest angeht, vertraue ich auf die Phantasie meiner Leser*innen. Und wenn sie sich was anderes vorstellen, ist es mir auch recht. 😁
      Aber ja, ich hoffe auch, dass SIE den Plan mit der Perücke jetzt aufgibt … 😉
      Danke dir!
      Vormittagskaffeegruß 😁🌞☕🥐👍

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      • Pardon, aber mein Kommentar sollte keine Kritik sein, ganz im Gegenteil! Offenbar habe ich mich ungeschickt ausgedrückt. Eine Etüde zweimal zu lesen ist für mich das höchste Lob! Und dass du einen Dackel als Helden gewählt hast, befriedigt mein Hundeherz ungemein.
        Heute, endlich, der Regen. Zwar wird dadurch unser Aufbruch in die Mani ein wenig verzögert – ich komme nicht gern bei Regen an – , aber das nehme ich gern in Kauf. Da bleibt sogar Zeit für eine zweite Etüde 🙂

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        • Oh, dann habe ich das wirklich falsch interpretiert, liebe Gerda, danke für die Richtigstellung! 😁
          Freut mich, dass mein Dackel Gnade vor deinen hundeerfahrenen Augen gefunden hat! 👍
          Und zu einer zweiten Etüde sage ich natürlich auch niemals Nein! 😁👍

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  2. Mit allem habe ich gerechnet – doch einem Dackel und einer Perücke ganz bestimmt nicht. Spannend geschrieben. Auf jeden Fall, wollte ich unbedingt wissen, um was es sich dreht…

    Ein schönes Wochenende, wünsche ich.

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    • Prima, ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert 😁👍
      Das war genau die Intention, als ich die Etüde geschrieben habe: Dass man sie fertig lesen will und hinterher grinst. Wer mich kennt, hat vermutlich angenommen, dass ein Fellträger beteiligt ist, aber weiß mans? 😉
      Danke dir, auch dir ein schönes Wochenende! 😁🌞🐈☕🥐👍

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  3. Jöh…. ich sag es lieber hier nicht – was mir beim Lesen dieser Geschichte alles durch den Kopf ging (ganz schön Gruseliges, was da in meiner Fantasie so alles rumschwirrt). Aber echt toll und mega spannend wars und ich war richtig erleichtert, als die Lösung dann verraten wurde. 🤣

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    • Darf ich fragen, was genau du nicht gesehen hast? Dass der Protagonist ein Tier ist? Schön, konkret auf die Perücke KANN man wohl nicht kommen, aber darauf, dass etwas vergaben wird, auch nicht?
      Ich war zuerst nicht zufrieden mit der Etüde, deshalb freue ich mich über jede gezielte Einlassung dazu, vor allem, weil du ja selbst so abgedrehte Sachen schreibst … Danke! 😁🌞🌼☕🥐👍

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  4. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 39.40.20 | Wortspende von kommunikatz | Irgendwas ist immer

  5. *lach* und ich überlegte und überlegte, stellte mir die grauseligsten Dinge vor und dann die Erleichterung,
    der Dackel und die Echthaarperücke des Frauchens und ich atmete erleichtert auf, liebe Christiane.

    LG in Deinen Sonntag von Bruni

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