Das Leben
Von den Alten zu den Jungen
Muß das Leben wandern.
Was du gestern noch bezwungen,
bezwingen morgen schon die andern.
Das Lied, das du gestern gepfiffen im Weitertraben,
Will schon morgen der andern Lippen haben.
Und dir entschwundene Augenblicke kannst du sehen,
Wie sie im Blut der Jungen auferstehen.
Darüber, seit ich’s erfahre, muß ich die Hände falten,
Muß leiden, daß ich mich wandle, und laß es walten.
Das Leben — ach, einst da kam es umhalsend gesprungen,
Jetzt grüßt es noch im Vorüberschweben und geht zu den Jungen.
(Max Dauthendey, Das Leben, aus: Weltspuk, in: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 407)
Im Bozener Batzenhäusl
Otto Erich Hartlebens gedenkend
Heute tret ich diese Schwelle,
Die du gestern überschritten.
Morgen wird ein Dritter kommen,
Und ein Vierter folgt dem Dritten.
Jeder, der vorangegangen,
Wird Vergangenheit dem andern –
Und doch ist mir oft, als säh ich
Immerdar – DEN SELBEN wandern …
(Christian Morgenstern, Im Bozener Batzenhäusl, aus: Epigramme und Sprüche, Ausgabe 1922, Online-Quelle)
Einmal, am Rande des Hains
Einmal, am Rande des Hains,
stehn wir einsam beisammen
und sind festlich, wie Flammen
fühlen: Alles ist Eins.
Halten uns fest umfaßt;
werden im lauschenden Lande
durch die weichen Gewande
wachsen wie Ast an Ast.
Wiegt ein erwachender Hauch
die Dolden des Oleanders:
sieh, wir sind nicht mehr anders,
und wir wiegen uns auch.
Meine Seele spürt,
daß wir am Tore tasten.
Und sie fragt dich im Rasten:
Hast Du mich hergeführt?
Und du lächelst darauf
so herrlich und heiter
und: bald wandern wir weiter:
Tore gehn auf..
Und wir sind nichtmehr zag,
unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein
aus dem vergangenen Tag.
(Rainer Maria Rilke, Einmal, am Rande des Hains, aus: Dir zur Feier, 1897/98, Online-Quelle)
Quelle: Pixabay
Wie immer: Kommt gut, heiter und sicher in und durch die neue Woche!
Dürfte ich euch um eine Rückmeldung bitten, ob ihr im Reader die Zeilenumbrüche seht oder sich die Gedichte in Fließtext verwandelt haben?
Liebe Christiane, wie wahr das alles ist! Schwer zum einen, zum anderen so ist es und ich darf auch eine lustige Alte werden/sein/bleiben, auch wenn es an manchen Tagen schwerfällt, es liegt an mir.
Mein Favorit ist schon wieder Dauthendey!
Ich sehe die Zeilenumbrüche!
Dir wünsche ich von Herzen eine gute Woche und einen leichten Schritt,
liebe Grüße
Ulli
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Danke dir, liebe Ulli, für Wunsch und Rückmeldung. 😉
Deine Mail ist da, ich melde mich später! 😀
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So richtig ansprechend finde ich nur die Zeilen von Rilke. Bei Dauthendey will ich am liebsten „Reiß dich am Riemen sagen“ und den Morgenstern…hn, den muss ich vllt einfach nochmal lesen. Ich bin mir unsicher, was er ausdrücken will. Das sich die Menschheit nicht weiterentwickelt? 🤔
Oh und ja, Zeilenumbrüche sind vorhanden.
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Rilke überstrahlt fast immer alle, so geht es mir auch. Dein Unmut bezüglich Dauthendey amüsiert mich bisschen, und Morgenstern spricht m. E. über einen ewigen Kreislauf … 😉
Danke für die Rückmeldung zu den Zeilenumbrüchen, ich experimentiere mit dem neuen Editor, weil ich es satthabe, dass beim klassischen Editor der Reader Fließtext anzeigt. Zumindest bei Gedichten geht das gar nicht. 😠☠️
Mittagskaffeegruß 😁☕🥐👍
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Ja, bei mir ist auch plötzlich so ein unformatierter Text aufgetaucht. Beim zweiten Hinsehen war er aber wieder so wie er sein sollte. Du meinst das iegt am klassischen Editor? Hm….
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Auf den jeweiligen Seiten sind die Texte okay, im Reader sind sie es nicht. Kritische Punkte sind manuelle Zeilenumbrüche (im Gegensatz zu Absätzen) und Leerzeilen. Vergleich mal das, was du auf der Seite siehst, mit dem, was du im Reader siehst – du weißt, wie du es formatiert haben willst.
Nein, das liegt nicht direkt am klassischen Editor, das liegt daran, dass der klassische Editor nur noch eine Oberfläche ist und in Wirklichkeit jetzt alles über den Blockeditor läuft. 😠
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Aha, das leuchtet ein. Also wäre es wohl klüger doch auf den neuen umzusteigen. So kompliziert ist er ja nicht. Zumindest wenn man – wie ich – nur Texte und Fotos eingeben möchte.
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Ich habe Einblick hinter die Kulissen des „freien“ WP, also nicht wordpress.com, sondern WordPress.org. Der Blockeditor ist seit geraumer Zeit das große neue Ding. Im Gegensatz zu uns funktioniert da aber die „Classic Editor“-Variante noch. Von daher: Ja, langfristig ergibt es Sinn. Wenn du herausgefunden hast, wie man Leerzeilen macht, die bleiben, dann lass es mich bitte wissen … 🤔😉👍
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Falls ich diesbezüglich erleuchtet werde, lasse ich dich gerne daran teilhaben 🙂 😉
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Ja, würde mich freuen 😀
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Sie bringen mich alle zum weinen, liebe Christiane. So schön sind sie. RILKES mochte ich schon immer sehr.
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Ja, der ist wieder großartig, der Rilke, nicht?
Herzliche Grüße! 😀
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Oh jaaaa!
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😁👍
Schön, dich zu lesen! 😁🌹☕🥐👍
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Danke, alle 3 Gedichte sind schön und nachdenkenswert. Welches mein liebstes ist? Schwer zu sagen. Ich glaube, das mittlere, von Christian Morgenstern, weil es solche Leichtigkeit hat.🍃❄🌈
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Ja, Morgenstern kann große Zusammenhänge in schlichte Bilder fassen. Eine Kunst. 👍
Herzliche Grüße! 😁
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Ja, das stimmt.
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👍👍👍
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😊👍
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Alle drei Gedichte gefallen mir sehr. Sie treffen verschiedene Gedanken in dieser Zeit!
Ja, und die Zeilenumbrüche sind bei mir vorhanden.
Liebe Grüße, Joachim.
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Ja, das ist immer mein Ziel, verschiedene Aspekte zu präsentieren und einen Bogen zu schlagen. Freut mich, wenn es glückt. 😁
Danke auch für die Rückmeldung Rückmeldung zu den Zeilenumbrüchen. 👍
Abendgrüße zurück 😁🍵👍
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Alle drei gefallen mir… und der Dauthendey war bestimmt in trübsinniger Stimmung, als er das geschrieben hat… und trotzdem reimt sich noch alles perfekt und der Rythmus ist auch perfekt. Das könnte einen ja schon entmutigen (wenn man nicht beschlossen hätte, das Reimen denen zu überlassen, die es können… 🙂 ).
Liebe Grüße! 🙂
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Ach so, Zeilenumbrüche sind alle da im Reader!
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Der Dauthendey war bestimmt ein emotionaler Typ, von daher halte ich alles für möglich … 😉
Abendgrüße zurück, freut mich, dass dir alle drei gefallen! 😀
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Ich stelle ihn mir immer mit melancholisch umflortem, leidenschaftlichen Blick vor, grüblerisch über die Untiefen des Lebens nachdenkend… 🙂
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Nee, das das ist Rilke 😉
Schau mal bei Wikipedia, da gibt es Bildmaterial 😁
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eieiei… ich weiß schon, warum ich wirklich nie nach Bildern meiner Lieblingsdichter gucke… 🙂
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Ging mir speziell bei Rilke ähnlich. 😉
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Das „eieiei“ war auch auf ihn gemünzt… er hat auf den meisten Bildern so einen leicht wahnsinnigen Blick… muss man ja vielleicht auch haben, um solche Gedichte zu schreiben… 😁
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Rilke war besonders. Und da Fotos früher meist nicht spontan entstanden sind, hatte wohl auch jede*r ein „Fotografiergesicht“, das darf man auch nicht vergessen.
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Das ist in der Tat wahr. Es gibt alte Bilder, da sehen die Fotografierten sehr unlebendig aus, besonders die Augen sind seltsam.
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Wenn du minutenlang in die Kamera starren musstest, guckt jeder seltsam 😉
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Am schönsten sind die Bilder, wo sie es NICHT geschafft haben! 🙂
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Für uns heute ja. Aber wenn dir das Fotografiertwerden unheimlich ist, wie mir als Kind, dann ist die Prozedur eine ziemliche Strafe … 😉
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Bei uns wurde nicht allzuviel fotografiert, und wenn, war das eine schnelle Angelegenheit, unheimlich war es mir nicht. Kennst du die Fotodatenbanken, die alte Bilder online stellen? Da gibt es so tolle Aufnahmen, ich könnte stundenlang da herumstöbern. (habe ich auch schon getan 🙂 ).
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Neee. 😟 Doch. 🤔 Historische Aufnahmen, von Städten zum Beispiel, aber nicht von Personen. Wo finde ich die? 😉
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Tja, und jetzt ärgere ich mich gerade, weil ich es partout nicht wiederfinde. Es war ein amerikanisches Archiv, das regelmässig kostenlos Bilder online gestellt hat, da waren tolle Bilder dabei. Aber das war vor zwei Notebooks, und ich habe die Seite nicht übernommen. Grrr.
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Ach, vor zwei Notebooks, solche Zeitangaben kenne ich auch …. 😉
Du, in den letzten Jahren hat sich doch so viel getan, gerade in puncto DSGVO und Bildrechte etc., kann es nicht sein, dass die das einfach dichtgemacht haben, sogar die Amis? 😀
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Auf keinen Fall! In den USA sind die Bildrechte sehr viel weniger streng als bei uns. Nicht umsonst greift Facebook alles ab, was man da postet. Und sie digitalisieren wie wahnsinnig. Nee, ich glaube, ich finde es einfach nicht mehr.
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Okay, wenn nicht, dann nicht, schade.
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Liebe Christiane,
danke für die Gedichte.
Der Dauthendey geht mir heute gegen den Strich: da kam mir prompt und direkt meine Schwiegermutter in den Sinn – die hatte zwar eine andere Sprache, aber die Haltung war ihre.
Den Rilke werde ich sicher noch ein paar Mal lesen. Ganz besonders gefällt mir das „Fühlen, alles ist eins!“
Liebe Grüße
Judith
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Ich denke, die Frage ist, was man aus solch einer „Alles vergeht“-Haltung macht, ich vermute einfach, dass deine Schwiegermutter und Herr Dauthendey da unterschiedliche Schlüsse gezogen haben 😉
Ja, Rilke … ja … ❤️
Herzlich zurück 😁🍵🍪👍
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Oh ja – mit Verbitterung ist die Haltung meiner Schwiegermutter trefflich beschrieben; da war nichts mit „Integration“ als letzte Entwicklungsaufgabe.
Liebe Grüße
Judith
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So was meinte ich. Dauthendey dagegen denkt in Zyklen, die kleiner und größer sind als (s)ein Leben …
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Stimmt. Und wieder einmal ist mir bewusst geworden, wie schnell doch alte Erfahrungen greifen – selbst beim Gedicht lesen. Es war mir, Gott sei Dank, auch sofort klar.
Abendgrüße
Judith
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👍👍👍😁
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