Adventüden 2020 01-12 | 365tageasatzaday

01.12. – Alice und die Schlittenfahrt | Adventüden

 

Die Sonne scheint auf den glitzernden Schnee. Während Alice sich in drei Schichten Unterwäsche quetscht, toben die Hunde schon an der Haustür. Gerd und Olav kommen gleich vorbei, dann soll es zur Schlittenfahrt auf die kleine Anhöhe gehen.

Morgens hatten noch Nebelschwaden über der Siedlung gehangen, doch ein gnädiger Wind blies sie bereits weg. Es klingelt, und sie wickelt den Schal um ihren Hals, bevor sie öffnet.
Olav begrüßt sie mit einem ungelenken Kuss auf die Wange, Gerd zieht grinsend die Augenbrauen hoch. Sie ziehen los, karawanengleich, jeder mit einem Schlitten im Schlepptau, kichernd und kicksend, wie sich nur erwachsene Kinder auf die seelischen Streicheleinheiten eines Tages im Schnee freuen können.

Alice stutzt, als sie um die letzte Ecke biegen. »Das darf doch nicht wahr sein!«

»Todesursache?« Mühlenbrock niest und zieht die Polizeiwollmütze tiefer in die hohe Stirn.
»Genickbruch, würde ich sagen.« Karl erhebt sich und tauscht die dünnen blauen Handschuhe gegen dicke Fäustlinge. »Sieht aus, als hätte er mit dem Streusalz gespart. Hier ist es spiegelglatt! Mehr …«
»… wenn du ihn auf dem Tisch hattest!« Der Kommissar nickt, niest noch einmal zur Bekräftigung und macht sich auf den Weg zurück ins warme Revier.

Er macht es sich am PC gemütlich, gießt sich eine heiße Schokolade aus seiner Thermoskanne ein und öffnet die Berichtsmaske. Das Telefon klingelt.
»Mühlenbrock? Ja, Karl? Eindeutig Unfall? Und die Spurensicherung hat im ganzen Haus kein Streusalz gefunden? Blöder Öko, das hat er jetzt davon.«
Er legt auf und schüttelt den Kopf.

Auf dem Hügel sitzen Alice und ihre Freunde und betrachten das abendliche Lichtermeer der Stadt.
»Hat alles auf unserem Rutschehügel verschwendet, der Idiot«, lacht sie, »da brauchten wir noch nicht mal nachzuhelfen.« Sie stößt mit den anderen an.

»Das scheint ein Wunschpunsch zu sein«, lächelt Olav und schaut ihr tief in die Augen.

Autor*in: Alice;     Blog: Make a Choice Alice

 

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Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Etikett, Gin, Käsekuchen, Kuscheldecke, Lebkuchen, Lichtermeer, Märchenbuch, Minnesang, Nebelschwaden, Schlittenfahrt, Semmelknödel, Streicheleinheiten, Wichtel, Wunschpunsch, Zugvogel

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2020, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

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64 Kommentare zu “01.12. – Alice und die Schlittenfahrt | Adventüden

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  2. Toll zu lesen und ein bisschen um die Ecke gedacht, das mag ich immer, und dennoch macht die Unbekümmertheit, mit der die Figuren über einen Tod hinweggehen mich in jeder Geschichte wieder zutiefst ratlos…

    Gefällt 4 Personen

    • Schnee am ersten Dezember klingt irgendwie schon sehr kitschig für Flachländer wie mich … 😉
      Fehlt nur noch der Glühwein oder die heiße Schokolade mit Rum am Kamin ☕
      Herzliche Grüße! 😁🌨️🌲🕯️👍

      Gefällt 1 Person

  3. Ich dachte schon beim ersten Absatz, das könnte Alice sein. Spätestens bei Mühlenbrock war ich sicher.

    Ich mag das an den Adventüden, dass ich einfach mal loslese, ohne zu wissen, von wem die Etüde ist und erst am Ende zu sehen, wer geschrieben hat.

    Raureifige Grüße aus dem Waldviertel,
    Veronika

    Gefällt 3 Personen

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