Es war dunkel. Tiefste Nacht. In den Häusern reihum blickten blinde Fenster auf die Straße, rollten sich kleine Kinder in ihre Kuscheldecken, umarmten ihre Teddybären und drückten Puppen eng an sich. Nur hinten, dort, wo die Gasse einen leichten Knick nach rechts machte, blitzte ein kleines Licht auf, als eine Tür sachte geöffnet und rasch wieder zugezogen wurde.
Eine schwer bepackte Gestalt huschte die Straße dorfauswärts. Dick eingehüllt in warme Kleidung verschwamm sie zu einem unförmigen Schemen. Niemand achtete in dieser Nacht vor Heiligabend darauf. Alle schliefen sie ihren Schlaf. Erschöpft die einen, sorgenvoll die anderen. Hoffend auf leichtere Zeiten die einen, fiebrig aufgeregt die anderen. Vergessend die einen, von einem schöneren Leben träumend die anderen.
Nebelschwaden zogen sich am Boden dahin bis zum kleinen Bach, der hurtig den Hang herunterhüpfte und vor sich hinmurmelte: »Schneller! Schneller!« So lauschte der Mann, der den Weg hinaus aus dem Ort und bergan davoneilte. Es war der alte Konrad, verschroben und nicht ganz hell im Kopf. Aus tiefstem Herzen friedfertig. Auch, wenn man nie so genau wusste, was in ihm vorging. Die Leute schüttelten meistens nur den Kopf über ihren Dorftrottel. Doch heute war er leise und heimlich davongeschlichen. Keiner nahm Notiz von ihm.
Am nächsten Morgen blickten die Dorfbewohner wie immer prüfend zum Berg, welches Wetter er bringen würde. Schnee vielleicht? Oder Regen? Eis? Lediglich die Kinder eilten hoffnungsvoll in die Wohnzimmer. Ob das Christkind vielleicht schon ein bisschen früher käme?
Da sahen sie am Nordhang des Berges den riesigen Stern glitzern. Ein wahres Lichtermeer aus Fackeln war es, das auf der oberen Alm leuchtete. Die Kinder jubelten begeistert. Nur die Erwachsenen schwiegen betroffen. Denn den alten Konrad fanden sie wenig später abseits im Schnee sitzend. Erfroren. Mit der letzten Fackel noch in der klammen Hand. Und einem Lächeln im runzligen Gesicht.
Autor*in: Veronika Blog: vro jongliert

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.
Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:
Etikett, Gin, Käsekuchen, Kuscheldecke, Lebkuchen, Lichtermeer, Märchenbuch, Minnesang, Nebelschwaden, Schlittenfahrt, Semmelknödel, Streicheleinheiten, Wichtel, Wunschpunsch, Zugvogel
Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2020, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.
Ach…. schnief…. wie traurig-schön. Ob sich jetzt mancher Dorfbewohner wünscht, er hätte nicht den Kopf geschüttelt über den alten Konrad….
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Das hoffe ich. Und auch, dass sie ihn geschätzt haben und dass er es gespürt hat. 😢
Ich frage mich bei solchen Geschichten, warum jemand das macht. Hat er allen eine Freude machen wollen? Hat er den „Geist der Weihnacht“ rufen bzw. ehren wollen? 🤔
Mich berührt das sehr, und es ist nicht der Zeitpunkt … 🪔🌟✨
Verregneter Morgenkaffeegruß mit nassem Fellträger 😁🌧️🐈☕🍪👍
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Ja, mich berührt das auch. Und für mich hat das schon etwas mit „Geist der Weihnacht“ zu tun, und mit Liebe und Freude!
Regen auch hier und Kaffeegrüße 🙂
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Danke 😁🌧️🪔☕🍪👍
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Ich unterstelle ihm jetzt mal, dass er allen eine Freude machen wollte. Vielleicht vor allem den Kindern. Denn in meiner Vorstellung hatte er ein kindliches, fröhliches Gemüt, war ein harmloser Zeitgenossen, der keinem etwas Böses tun konnte.
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Hat dies auf vro jongliert rebloggt und kommentierte:
Im Sommer, wenn die Etüden auf Christianes Blog in die Sommerpause gehen, ruft sie uns Schreiber zum Etüdensommerpausenintermezzo. Heimlich hinter verschlossenen Türen werden Geschichten geschrieben für einen Advent(s)kalender der etwas anderen Art. Jeden Tag eine Geschichte von einer anderen Bloggerin, einem anderen Blogger.
Heute bin ich dran. Der Sommer ist unendlich weit weg und ich dachte die letzten Tage oft an meine Geschichte. Ich wusste nicht mehr, was ich geschrieben hatte. Auch das irgendwie eine Art Vorfreude, nicht in den unendlichen Dateien am Rechner nachzuforschen und die Neugierde zu stillen, sondern einfach warten, bis ich dran bin und mich dann selbst überraschen lassen.
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Haha
so ging es mir auch! und nicht zu vergessen, die Anstrengung, sich mitten im Sommer in vorweihnachtliche Stimmung zu bringen….;)
Schön, zu wissen.
Sehr schöne, wenn auch traurig-glückliche Weihnachtsgeschichte!
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@Kain: Tja, die Etüden sind vielfältig, was die Anforderungen und Möglichkeiten angeht 😁🎄👍
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Ich finde ja, dass das Leben immer von allem etwas bereithält. Nicht alles ist nur perfekt und schön, nicht alles ist nur furchtbar. Das an sich ist ein tröstlicher Gedanke.
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Schnief. Wie schön und wie traurig.
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Nicht wahr? Wer macht so etwas scheinbar Sinnloses heute noch – und warum?
Schon gut, das ist eine rhetorische Frage … 🤔😉
Verregneter Morgenkaffeegruß 😁🌧️🪔☕🍪👍
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Künstler machen sowas manchmal noch… allerdings nicht unbedingt selbstlos. 🙂 Ich bin heute morgen schon ziemlich nass geworden, jetzt trocke ich gerade… 🙂
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Hier regnet es immer noch, es ist sehr gemütlich, und ich glaube, ich trockne schneller als der Fellträger … logisch 😉
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Da ist mehr Fell auf Seiten des Fellträgers, richtig? 🙂
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Oh, deutlich! 😹
Noch dazu ist er so ein „Halblanger“. Mit Winterfell ist er wirklich puschelig. 😺😁
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Ein puscheliger Kater… ob er das gern hört oder ob das unter seiner Würde ist? 🙂
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Oh, Seine Puscheligkeit ist stolz, er weiß, dass er hübsch ist! 😀
Du brauchst ein Foto, habe ich beschlossen. Hier: https://365tageasatzaday.wordpress.com/2016/08/03/ubi-bene-ibi-felltraeger/
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Ui, also, das ist jetzt wirklich mal ein Hübscher! Dem wäre ich auch verfallen… 🙂 da bekommt man so einen Kraulzwang… 🙂
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Ich bin völlig sinnlos/sinnvoll in ihn vernarrt und lasse mich diesbezüglich schamlos ausnutzen 😁😺❤️
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Hört sich nach einer win-win-Situation an… 🙂 kraule mich und ich umschnurre dich…
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Ja 😺 Nur dass es gleichzeitig auch viel mehr ist 😁
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Liebe halt (an dieser Stelle hätte ich jetzt gern einen Smiley mit Herzen).
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Bitte schön 😍❤️😻😍❤️😻😍❤️😻
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😀
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Warum nicht öfter etwas scheinbar Sinnloses machen? Nur, um dieses Leuchten in den Augen zu sehen.
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Traurig kann an Weihnachten so schön sein….🎄⭐️🎄
Regengrüsse, Barbara
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Bei großen Gefühlen liegen beide Enden eben eng zusammen … 🎄
Verregneter Morgenkaffeegruß 😁🌧️🪔☕🍪👍
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Wo man zu Weihnachten doch eh immer so leicht heult… 🥺
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Genau….. Ich konnte früher nicht einmal Werbung anschauen 🙄
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Okeee, Werbung hat mich jetzt noch nie so sehr berührt. 😆
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Immer wenn sie mich fertig macht, bin ich an der Grenze 😂 so ein trauriger Opa, einsamer Hund. 🙄
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Dorftrottel und Dummenschule sind so Begriffe von früher, die mir noch gut in Erinnerung sind. Gelacht hat man über sie ja nur und mit Hochmut gestraft. Und oftmals hatten die ein tragisches Ende, wie in Deiner Geschichte.
Sehr fein in Anklang gebracht!
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Die Begriffe kenne ich auch noch. Sie werden nicht mehr verwendet, aber ich glaube nicht, dass sich das Denken der Leute grundlegend verändert hat … 🤔
Danke dir, hab einen schönen Tag! 😁
Verregneter Morgenkaffeegruß 😁🌧️🪔☕🍪👍
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Doch, es hat sich etwas verändert. Heute bekommen all diese Menschen Hilfen und werden gefördert. Früher hat man sie einfach fallen gelassen, weil man es oft nicht besser wusste und weil es keine Einrichtungen gab.
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Stimmt, das ist tatsächlich eine positive Veränderung. Ich möchte nur (erinnerst du dich an dergl, die viel darüber wusste) darauf hinweisen, dass da bei Weitem nicht alles Gold ist, was zu glänzen behauptet. Sag jetzt nicht, dass es überall so ist. Ich wollte es nur angeführt haben. 👍
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Dummenschule kenne ich vom Sprachgebrauch nicht, den Trottel ohne das Dorf- davor aber sehr wohl. Aber selbst wenn sie vielleicht keine normale Schule besucht haben, so denken und fühlen sie ja trotzdem. Nur ist uns „Normalen“ das so fremd und damit unheimlich.
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Sind auch eher Worte, die man in Norddeutschland verwendet.
Und ja, man muss sich nur einlassen mit ihnen und sie näher kennen lernen.
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Da kullert mir doch gerade tatsächlich eine Träne die Wange runter…
So eine unglaublich schöne aber genau so traurige Geschichte!
Frühstückendegrüsse😊🌲🎅
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Eine Etüde/Adventüde, die große Gefühle weckt! 😁👍 Das freut mich für Veronika, und auch, dass sie dir so gut gefällt! 😉
Vormittagskaffeegruß 😁🌧️🪔☕🍪👍
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Danke dir! Dass diese Geschichte so schrecklich traurig rüberkommt, war eigentlich nicht meine Absicht. Eher, dass da jemand etwas Selbstloses, nicht wirklich Nachvollziehbares macht und dabei umkommt. Aber ich sah das Sterben des alten Konrad nicht in erster Linie als tragisches Ereignis. Ja, das auch. Aber vielleicht wurde das Leben allein in dem Haus schon beschwerlich. Vielleicht war es genau das Ende, das für ihn passte, hier und jetzt, dass er sich vor Müdigkeit hinsetzte und dann einschlief?
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Eine sehr gute Geschichte, meine Liebe. Sie steht in der Tradition ähnlicher Erzählungen über das verkannte einfache Gemüt und hat doch im wahrsten Sinne ihr ganz eigenes Licht. Ich bin sehr angetan.
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Ich bedanke mich ganz herzlich!
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oh nein, der Arme. Bei diesem Ende musste ich unwillkürlich an das Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzchen denken.
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Uh. Ja, ich weiß, was du meinst, aber das Märchen finde ich megaheftig … die Adventüde „vertrage“ ich dagegen besser … 🤔
Mittagskaffeegruß 😉🌧️🎄🪔☕🍪👍
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Ach ja, stimmt. Daran dachte ich gar nicht. Wobei ich die Märchen von H.C. Andersen eigentlich allesamt ziemlich deprimierend finde.
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Das nenne ich mal eine Weihnachtsgeschichte. Vielleicht etwas tragisch am Ende, aber wirklich schön 🎅
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„Etwas tragisch“ – ja, in der Tat 😉
Ja, große Gefühle halt, und speziell zu Weihnachten wird das ja gerne genommen.
Und auch ja: wirklich schön. 🤶
Mittagskaffeegruß 😁🌧️🎄🪔☕🍪👍
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Etwas tragisch … mhm … ich weiß nicht, ob ich die Geschichte heute so enden lassen würde. Mir fallen gerade einige alternative Enden ein. 😆
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Tja, zu spät 😉 Nächstes Jahr? 😁
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Ach, es wird sich wohl wieder eine Geschichte finden … 😉
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Dann jetzt…oder bei den regulären Etüden…oder den nächsten Adventüden…as you like it 😉
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Einesehr berührende Geschichte, die dem Dorf wahrscheinlich noch über Generationen nachhängen wird.
Und in einer wunderschönen Sprache sehr gekonnt erzählt!
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Da hast du recht, mit beidem. Wer das erlebt, erinnert sich (hoffentlich) sein Leben lang daran 🤔.
Nachmittagskaffeegruß 😁🌧️☕🍪👍
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Gruß zurück, noch beim „Frühstück“ nach dem Nachtdienst, ein Frühstück am Rechner im Glanz dieser besonderen Geschichte.
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Das freut mich. Genieß den Tag! 😁👍🪔
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Hach, das geht runter wie Butter! Danke dir! Und hoffentlich hängt sie den Dorfbewohnern lange nach. Das ist ja das Mindeste, dass sie vielleicht jetzt anders von dem alten Mann denken.
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Menschen, die nicht schlau sind, aber ein besonders hellstrahlendes Herz haben, sollte man nie belächeln. Ja, traurig schön und mit einer wichtigen Botschaft.
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Ja, den Aufruf, bisschen länger und tiefer hinzuschauen, kann man gar nicht oft genug wiederholen! 😁👍
Danke dir!
Nachmittagskaffeegruß 😁🌧️☕🍪👍
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Schön, spannend, überraschend, traurig … 💫
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… eine perfekte kleine Weihnachtsgeschichte? 😉
Vielen Dank! 😁🪔🎄🌟✨👍
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So ist es 🌟🌟🌟
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Vielen Dank!
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oh, hätte er denn unbedingt erfrieren müssen, der alte Konrad?
Vielleicht war es für ihn wie einschlafen, nichts Trauriges, sondern etwas, was er gut kannte? Ich hoffe es.
Liebe Abendgrüße von Bruni
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Das ist eine Frage an die Autorin, da halte ich mich raus 😉
Veronika hat sich in den anderen Kommentaren dazu schon ein wenig geäußert, liebe Bruni, ich hoffe, sie schaut noch mal rein. 😁
Abendgrüße zurück 😁🍷🎄🌟👍
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Hat er unbedingt erfrieren müssen? – Das fragte ich mich heute auch schon. Aber ja, ich ließ ihn einfach einschlafen. Nichts Trauriges. Er hatte schließlich ein Lächeln im Gesicht.
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Also war es für ihn wie ein Einschlafen
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