Von Sommer und Liebe

Sommer

Am Abend schweigt die Klage
Des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
Der rote Mohn.

Schwarzes Gewitter droht
Über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
Erstirbt im Feld.

Nimmer regt sich das Laub
Der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
Rauscht dein Kleid.

Stille leuchtet die Kerze
Im dunklen Zimmer;
Eine silberne Hand
Löschte sie aus;

Windstille, sternlose Nacht.

(Georg Trakl, Sommer, aus: Sebastian im Traum, 1915, Online-Quelle)

Gefunden

Laue Sommernacht; am Himmel
Stand kein Stern; im weiten Walde
Suchten wir uns tief im Dunkel,
Und wir fanden uns.

Fanden uns im weiten Walde
In der Nacht, der sternenlosen,
Hielten staunend uns im Arme
In der dunklen Nacht.

War nicht unser ganzes Leben
So ein Tappen, so ein Suchen?
Da: In seine Finsternisse,
Liebe, fiel Dein Licht.

(Otto Julius Bierbaum, Gefunden, aus: Irrgarten der Liebe, 1901, Online-Quelle)

Rosen

Ach, gestern hat er mir Rosen gebracht,
Sie haben geduftet die ganze Nacht,
Für ihn geworben, der meiner denkt –
Da hab’ ich den Traum der Nacht ihm geschenkt.

Und heute geh’ ich und lächle stumm,
Trag’ seine Rosen mit mir herum
Und warte und lausche, und geht die Thür,
So zittert mein Herz: ach, käm er zu mir!

Und küsse die Rosen, die er gebracht,
Und gehe und suche den Traum der Nacht …

(Thekla Lingen, Rosen, aus: Am Scheidewege, 1898, Online-Quelle)

 

Quelle: Unsplash

 

Kommt gut und sanft durch die neue Woche! 😉

Update Adventüden: höchst erfreuliche 9, Stand gestern Abend. Vielen Dank! Weiter so! 😀

 

49 Kommentare zu “Von Sommer und Liebe

    • Gerade deswegen, ja. Die Zahl meiner Wiederholer steigt, stelle ich dabei fest, aber ich finde das nicht schlimm – es gibt so viele Gedichte, die man öfter als einmal lesen kann … 😉
      Guten Morgen, liebe Karin! 😁
      Morgenkaffeegrüße 😁⛅🌼🌳☕🍪👍

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  1. Ich mag diesmal Thekla Lingens Poem besonders gern. Soooo alt und doch so aktuell. Guten Nachmittag, liebe Christiane. Danke und habe auch eine feine Woche. B.💐😁☕🍪

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    • Das Problem mit diesen alten Gedichten ist oft die Sprache, die mir aufstößt, wo ich mir wünsche, dass die Gedichte weniger inniglich wären – und oft kürzer 😉 Können nicht so viele, aber Thekla Lingen gehört dazu, zumindest mit diesem Gedicht.
      Freut mich, dass es dir so gut gefällt 🧡💐😁
      Nachmittagskaffeegrüße zurück 😁🌤️🌳🌼☕🍪👍

      Gefällt 2 Personen

  2. Meins ist auch das erste von Georg Trakl. Wobei die anderen zwei auch nicht zu verachten sind, wirklich nicht.
    Beim Urheberrecht schwanke ich immer hin und her wie ein Grashalm im Wind: Auf der einen Seite kann ich es ja verstehen, würde ich Geld mit meinen Texten verdienen müssen, würde ich sie wohl auch sehr gezielt plazieren wollen. Auf der anderen Seite: Wie sollen denn die ganzen jüngeren Dichter jemals bekannter werden, wenn keines ihrer Gedichte irgendwo gepostet werden darf? Schwierig.
    Liebe Montagsgrüße! 🙂

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  3. Nun ist Nacht, eine „laue Sommernacht, vom Mond überstrahlt sind die Sterne, die dennoch sichtbar bleiben. Rosen blühen und duften nicht. Anders ist die Nacht als in den Gedichten. Aber schön, sie hier zu und jetzt zu lesen. Danke dafür, liebe Christiane!

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    • Wann sonst ist die beste Zeit für Sommernachtsgedichte und -träume, wenn nicht jetzt? Der Sommer ist auf seinem Höhepunkt, auch wenn er überall ein wenig anders aussehen mag … 🌞🧡✨
      Herzliche Morgenkaffeegrüße bei kühlem, leichtem Wind mit Katze 😁🌤️🌳🌼☕🍪👍

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    • Trakl ist recht bekannt, finde ich jedenfalls, die beiden anderen könnte man dem Namen nach kennen … 🤔
      Danke für den Kommentar, willkommen auf meinem Blog! 😁
      Morgenkaffeegrüße 😁🌤️🌳🌼☕🍪👍

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  4. Trakls Worte:
    * Eine silberne Hand
    Löschte sie aus; *
    sind einfach wundervoll. Er findet eine so gute zarte und schlichte Formulierung, daß mir vor Freude fast schwindelig wird.
    Heute habe ich aber eine Favoritin; Thekla Lingens Gedicht ist voller Romantik und da ich eine unverbesserliche Romantikerin bin, mag ich es von den dreien am liebsten. 🙂

    Liebe Grüße zum Abend von Bruni an Dich

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  5. Liebe Christiane,
    …und gehe und suche den Traum der Nacht – dieser Satz hat es mir angetan. Möglicherweise, weil ich selbst oft nach dem Traum der Nacht suche, die meine Traumfetzen vervollständigen.
    Alle Gedichte gefallen mir sehr.
    Liebe Grüße
    Judith

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    • Ich gebe dir recht: Die sind allesamt schön. 🧡
      Ja, sie sind wichtig, unsere Träume, die von der Nacht und die am Tag …
      Freut mich, dass du wieder DEIN Gedicht gefunden hast! 😁🧡
      Frühabendgrüße 😁🌦️🌳🌼☕🍪👍

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      • Liebe Christiane,
        danke dir.
        Mich freut es auch. Bei deinen Gedichten von gestern habe ich noch nicht geschaut, aber bestimmt werde ich auch da fündig.
        Herzliche Abendgrüße
        Judith

        PS: Heute Abend habe ich mich (mal wieder) ein wenig mit Annette von Droste-Hülshoff beschäftigt.

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        • Sie sind auf jeden Fall anders, die Gedichte dieser Woche. Bin neugierig, wie du sie findest. 😉
          Droste-Hülshoff? Von der kenne/kannte ich nur die „Judenbuche“ und ein paar Gedichte … 🤔😉
          Nachtgrüße 😁🥱😴👍

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  6. Liebe Christiane,
    ich schau gleich mal rein…
    Von der „Droste“ habe ich einiges über ihr Leben erfahren und einiges gelesen; ist allerdings auch schon wieder lange her.
    Wir haben in Meersburg (Viertelstunden von uns weg) das „Fürstenhäusle“ – ihre Wohnstatt. Eine Führung dort ist sehr zu empfehlen (allerdings weit von Hamburg weg!)
    Liebe Grüße
    Judith

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