Waldmensch | abc.etüden

Ich betrete ein Wäldchen. Viele Birken, viele Buchen, die Sonne scheint, der vor mir liegende Weg wirkt licht und grün, ich sehe, dass sich Häuser in die Hänge kuscheln. Wohnen im Wald – wie herrlich, denke ich, und dass uns Deutschen ja sowieso eine intensive Beziehung zum Wald nachgesagt wird und es im Deutschen schier unendlich viele Bezeichnungen für Grüns gäbe. Wir sind irgendwie Waldmenschen, denke ich, lächle und fühle mich in meinem Dahingehen wohl.

Waldmenschen. Es trifft mich wie ein Schlag. »Waldmensch«, das ist die Übersetzung von »Orang-Utan«, einer Affenart, an deren Ausrottung wir Menschen gerade mit aller Macht arbeiten, indem wir für Holz- und Palmölgewinnung ihre Lebensräume vernichten und sie jagen, um sie zu essen oder als Haustiere zu verkaufen. Big Business. Orang-Utans sind die größten heute noch lebenden Baumsäugetiere sowie die einzigen überlebenden Großen Menschenaffen Asiens. Ein paar dürfen in Zoos herumsitzen und sich fortpflanzen, ja, klar, aber leben? Leben?

Ich denke ein bisschen beschämt an meine Mitgliedschaft im NABU, die mir plötzlich wie ein Feigenblatt vorkommt, anständig und bemüht, wie ich nun mal bin, und daran, dass Palmöl heute in etwa jedem zweiten Produkt steckt, das in deutschen Supermärkten zu kaufen ist.

Ich trotte weiter. Der Wald um mich herum leuchtet, Spechte klopfen, es ist wunderschön. Es gibt Zahlen, wie viel Prozent der Bäume aktuell bereits schwer geschädigt sind, die tendenziell steigenden Temperaturen und die Trockenheit machen die Sache nicht besser. Ich überlege, dass ich mich nicht so einfach aus der Welt verkrümeln kann, wie ich demnächst diesen Wald hinter mir lassen werde. Und was das bedeutet.

Früher sah man gefühlt überall diesen Aufkleber mit der (angeblichen) Prophezeiung der Cree-Indianer: »Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.«

Abgelutscht, aber wahr.

 

abc.etüden 2021 38+39 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Für die abc.etüden, Wochen 38/39.2021: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende stammt dieses Mal von Werner Kastens mit seinem Blog Mit Worten Gedanken horten. Sie lauten: Prophezeiung, anständig, verkrümeln.

Alles an dieser Etüde stimmt: Der Weg durch den Wald, die Assoziationen, sogar die Sache mit der Prophezeiung, die allgemein als »Weissagung der Cree« verkauft wird, ist mir dort eingefallen. Geht also auch ohne Hund (hallo, Werner).

Die Links, mit denen ich euch jetzt füttern möchte, die musste ich allerdings nachschlagen.

Orang-Utans: Dazu gibt es unglaublich viel Bewegendes, und ihr werdet vermutlich einiges selbst kennen. Ich fange einfach mal ganz simpel mit dem WWF (hier) und mit der Wikipedia (hier) an.
Von der WWF-Seite stammt auch die Aussage mit dem Palmöl (hier lesen).

Hier ist ein weiteres (Schweizer) Projekt zum Schutz von Orang-Utans vor Ort, ich möchte nicht, dass der Link in den Kommentaren untergeht: PanEco – Der SMARTe Regenwaldschutz.

Wald: »Nur noch einer von fünf Bäumen weist keine erkennbaren Schäden an seiner Krone auf«, fasst GEO den aktuellen Waldbericht der Bundesregierung 2021 zusammen. Mehr siehe dort.

Weissagung: Die »Weissagung« ist mitnichten eine Weissagung (und erst recht keine Prophezeiung), sondern ein Zitat einer (späteren) kanadischen Filmemacherin, die einem Volk der First Nations entstammt, hat der »Quote Investigator« Garson O’Toole herausgefunden (hier, engl.). Der Wikipedia-Eintrag (hier) listet außerdem noch ein paar Infos um das Zitat herum auf, z. B. die Verwendung durch Greenpeace, wodurch es in D sehr bekannt wurde.

Ja, ich weiß, ich bin früh dieses Mal, aber ich wollte verhindern, dass eine*r von euch vor mir mit diesem Aufkleber ankommt … 😉

 

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59 Kommentare zu “Waldmensch | abc.etüden

  1. Wie gut und zudem auch wie aktuell deine Zeilen sind, liebe Christiane. Ich bin heute früh dran mit Lesen, wie du siehst. Schön auch, dass die drei Worte sich „wie dafür gemacht“ einfügen in dem, was du tatsächlich erlebt hast. Liebe Komm-Gut-in-den-Tag-Grüße, Marion

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  2. Eines der wenigen wertvollen Engagements aus diesem Land, welches hilft, Orang-Utans Lebensräume zu geben bzw nicht elendiglich zugrunde gehen, nachdem sie angeschossen oder Waisen wurden, kommt aus der Schweiz – dafür spende ich seit Jahren und nicht für die Großwildjäger vom WWF oder die inkompetenten Dummerln von Greenpeace (hier empfehle ich als Ersatz Sea Shepherd, die tun was zur Erhaltung der Erde außer groß reden und ‚aufmerksam‘ machen…).

    https://paneco.ch/der-smarte-regenwaldschutz/

    Aus Erfahrung wird vielen Etüdlinge der Text auf der PanEco-Seite zu lang zum Lesen sein; aber ein Spender mehr und mein Hinweis war nicht umsonst.

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    • Ich wollte den WWF auch mehr als Infoseiten verstanden haben, nicht als Aufforderung, dort seine Kröten zu lassen, von daher ist mir dein Link sehr willkommen, gerade weil ich von dir weiß, dass du dich engagierst. 😁👍
      Vielen Dank, ich gehe auf jeden Fall dort vorbei.
      Kaffeeschlürfende Morgenkaffeegrüße 😁🐈🐁☁️☕🍪👍

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      • Lustig – den kenne ich gar nicht 😉 … ich fürchte, der Spruch ist sowieso falsch.
        Ich glaube, der letzte lebende Mensch wird die Schuld an der Selbstvernichtung nicht der Habgier und Kurzsichtigkeit seiner Rasse zuschreiben, sondern der ‚Vorsehung‘ (klingt witzig in diesem Zusammenhang, nicht ;-?).
        Wer keine Waren aus China zu Hause hat, der werfe den ersten Stein … 😉

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      • Oh, echt nicht? Dann war der lokaler verbreitet, als ich dachte. 😁
        Über „die Menschheit“ traue ich mich nicht, Aussagen zu machen, erkennen, dass der Spruch eine simple Wahrheit wiedergibt, könn(t)en alle, die ein Minimum an Abstraktionsvermögen besitzen. Sich einsichtig zeigen und dementsprechend handeln, da bin ich möglicherweise ähnlich pessimistisch wie du … ☕🍪👍

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      • Ich müsste (siehe letzter Kommentar) mich dazu bewegen, um die Frage zu beantworten, aber ich vermute, dass du recht hast.
        Ich stelle die grundsätzliche Berechtigung des Pessimismus gar nicht infrage, da ist einiges nicht koscher.

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      • Ich habe nichts verändert. Bei mir im Reader wird er in den Kommentaren nicht angezeigt, aber das werden Bilder oft nicht, wenn ich sie nur verlinke. Du findest ihn in den Links ganz unten in dem Wikipedia-Eintrag, ich glaube, er ist Punkt 11. (Bin gerade nicht am Rechner und der Katze liegt auf meinem Schoß, kann mich also nicht bewegen 😺😼.)

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      • Seltsam ist, daß das Bild ja da war, sonst hätte ich nicht gewußt, daß ich es nicht kenne …
        Vielleicht hat die Schadstoffabteilung des WP geschlafen und immerhin verspätet reagiert. Mich irritiert sowas.

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      • Mich auch. Ich sehe ihn jetzt selbst nicht mehr, nicht im Reader und nicht, wenn ich den Kommentar über den Browser per Handy aufrufe. Bist also nicht speziell du mit deinen Cookies.
        Im Quelltext des Kommentars ist der Link noch drin.
        Kannst du das Bild über den Wikipedia-Eintrag aufrufen, siehe Kommentar eben?
        Wenn nicht, suche ich gleich noch mal ein anderes Bild, vielleicht möchte die Urheber-Website nicht, dass da ein Link draufliegt … 🤔
        Muss ja nicht immer gleich WP sein.
        Update: Hab jetzt einen Link zu einer Seite drin, nicht mehr direkt auf ein Bild. Sollte jetzt gehen.

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  3. Ich kenne den Spruch auch, aber schon sehr lange. In welchem Zusammenhang er mir untergekommen ist, weiß ich aber nicht. Diese Etüde hätte ich nicht als von dir erkannt: ichform, viel Beschreibung, kein Dialog, ganz anders…

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    • Der Spruch ist auch alt. Wikipedia listet seine Verwendung für Anfang der 80er durch Greenpeace. Ich erinnere mich, dass er meist direkt neben dem Anti-Atomkraft-Aufkleber seinen Platz auf dem friedensbewegten Autoheck hatte, ich weiß nicht, wie das bei euch war 🤔😉
      Tja, ab und an muss man auch mal was anderes ausprobieren. Machst du ja auch. Mir war/ist nicht nach lustig, da passte das ganz gut. Aber kommen bestimmt auch wieder andere Zeiten … 😉
      Vormittagskaffeegrüße, ich könnte gefühlt nur schlafen 😁😼☁️🌻☕🍪👍

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  4. Schön, dass Du an die Cree-Indianer erinnert hast. Leider ist man erst viel zu spät zu der Erkenntnis gekommen, dass deren nachhaltige Gedankenwelt auch unsere „moderne“ Welt retten könnte.
    Aber auch, wenn manche Mitgliedschaften nur zum Schein und zur eigenen Reputationsverbesserung erworben werden, so tragen sie dennoch auch ein Stückchen weit mit dazu bei, dass Organisationen wie der Nabu und WWF weiter ihre Stimme erheben und stärken können.

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    • Du hast sicher gelesen, dass der Satz mitnichten dem Gedankengut der Cree entstammt, aber egal. Ich gebe dir recht: Jedes bisschen hilft, oder, wie meine Mutter gesagt hätte: Kleinvieh macht auch Mist. 😉
      Sehr schön, deine Wörter, lieber Werner! 😀

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    • Schönes Wort, Erwachen, danke. Das Problem sehe ich darin, dass man nur Assoziationen haben kann, wenn man wenn man etwas kennt. Soll heißen, hätte ich nie gehört, dass Orang-Utan „Waldmensch“ bedeutet, hätte ich den Bogen nicht schlagen können. Was wiederum heißt: Stopft den Leuten das Hirn mit Wissen voll, lasst sie nicht alles on demand aus dem Netz ziehen, bestimmte Sachen funktionieren nur, wenn man eine Grundlage hat …
      Amen, Predigt vorbei. 😉👍
      Freut mich, dass dir die Etüde gefällt. 😁
      Nachmittagskaffeegrüße 😁☁️🌻🦋☕🍪👍

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  5. Danke dir, Christiane.
    Ich kann mich erinnern, dass ich damals ein schmales Büchlein bekommen habe, in dem die ganze Rede des Häuptlings gedruckt war.
    Mal sehen, ob das noch irgendwo steht.
    Liebe Grüße
    Judith

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    • Du wirst das Zitat darin nicht finden, es existiert so nicht – allerdings ähnlich. Schau mal im Kleingedruckten in dem Wikipedia-Eintrag, da sind allerlei nützliche weiterführende Links, unter anderem auch der Verweis auf Wikisource zur Rede von Chief Seattle, die du vermutlich meinst … 🤔😉
      Herzliche Nachtgrüße 😁☁️🍪🍷👍

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  6. Etüdenunterhaltung mit sehr ernstem Hintergrund und beim Lesen von Waldmensch , kam mir der Ralph Waldo Emerson in den Sinn und nicht der Orang-Utan, weil ich das auch nicht wußte. Es ist für so viele Tiere kurz vor Zwölf. Es müßte ein Bewußtsein bei allen Menschen auf der Erde dafür geben, was wir der Natur und damit auch uns selber antun – die Naturvölker hatten es, aber auch die sind ja am Aussterben und werden „zivilisiert“.
    Nachdenkliche Grüße in Deinen Vormittag vom sonnenbestrahlten kühlen Dach, Karin

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    • Da hast du so recht. Ich glaube, dass das nicht so schwer ist, übrigens, das mit dem Bewusstsein, ich glaube, dass es schlicht an finanziellen/materiellen Umständen scheitert, und allzuoft an simpler Gier: Warum soll ich mich mit weniger zufrieden geben, wenn ich mehr haben könnte, und: Wenn ich es nicht tue, tut es jemand anders, warum also nicht ich? 🤔
      Nein, ich habe auch keine Antwort darauf.
      (Thoreau war der mit der Hütte im Wald, oder irre ich mich da?)
      Abendgrüße, sorry, ich bin spät 😁🧡🍷✨🍪👍

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  7. Wundervoll, ein Gang durch einen solch lichten grünenden Wald, in dem die Vögel singen und Eichhörnchen in den Wipfeln spielen. Manchmal sitzt eines mitten auf dem Waldweg und Du bleibst stehen, hältst den Atem an und hoffst, es bleibt recht lange. Nein, davon hast Du nichts geschrieben, aber es hätte so gut gepasst zu der Stimmung, im immer noch fast gesunden Wald, liebe christiane.
    Den Aufkleber habe ich oft gesehen, aber schon lange nicht mehr.
    Was wird uns erwarten am Sonntag. Ich erhoffe ein Wunder und weiß doch, es wird keines geben. Meine rosarote Brille fuktioniert nicht mehr perfekt…
    Liebe Grüße an den Kater auf Deinem Schoß und Dich
    von Bruni

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  8. Irgendwann hörte ich mal einen Vortrag eines indonesischen Aktivisten, der auf Einladung von „Rettet den Regenwald“ in Hamburg war und wie er beschrieb, dass er früher durch den Wald ging wie unserereins und da dann die Orang Utans mit ihren Babys am Wasser sitzen sah, einfach so, da, wo jetzt Ölpalmen wachsen, ach das zog das Herz zusammen.Er selbst war bei seinen Recherchen und Protestaktionen fast umgebracht worden.“Rettet den Regenwald“ ist ja nun meine Herzensorganisation in dieser Angelegenheit., kommt ja auch aus Hamburg, den leider mittlerweile verstorbenen Gründer Reinhardt Behrend schätzte ich sehr.
    Mit dem Palmöl ist das leider auch vielschichtig, es ist eine extrem ergiebige Frucht, sie durch andere Fette zu ersetzen,löst das Problem in etwa so gut wie Elektroautos statt Benzinern.
    Es ist eine Verlagerung, mehr nicht.Wenn mehrer Milliarden Menschen auf diesem Planten überleben wollen,müssen wir uns bescheiden, auch wenn so keine Wahlen zu gewinnen sind und damit sind wir bei Thoureau, den du dir wirklich nicht auf Dauer entgehen lassen solltest.Er schrieb wunderschön.
    So und nun verschwinde ich in ein langes Arbeitswochenende., nix Klimaprotest. Leider.

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    • Meine Etüde war eine Aneinanderreihung von Assoziationen. Sie sollte aufmerksam machen, genauer hinzuschauen, und sollte gar keine Lösungen präsentieren: Die gibt es so einfach nicht, das Problem ist komplex, selbstverständlich.
      „Sich bescheiden“ klingt wie Hohn angesichts der vielen Menschen weltweit, die erst mal in die Lage kommen wollen, sich „bescheiden“ zu können. Natürlich hast du recht, was den Westen angeht … und natürlich gewinnt man damit keine Wahlen.
      Dir Gutes! 🧡
      Trübhimmelige Morgenkaffeegrüße 😉🐿️☁️🌳☕🍪👍

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  9. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 40.41.21 | Wortspende von umgeBUCHt | Irgendwas ist immer

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