Vom Glück (und) der Liebe

Erinnerung.

Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

(Johann Wolfgang von Goethe, Erinnerung, aus: Gedichte (Ausgabe letzter Hand, 1827), Online-Quelle)

15.

Du hattest kein Glück, und ich hatte keins;
wir nahmen einander, nun haben wir eins.
Wo haben wir es denn hergenommen?
Es ist vom Himmel auf uns gekommen.

(Friedrich Rückert, Du hattest kein Glück, in: Vierzeilen, Zweites Hundert, aus: Gesammelte Gedichte, Zweiter Band, 1836, Online-Quelle)

[Das Glück ist dieses]

Das Glück ist dieses: Beieinander ruhen,
schweigsam als wie gebettet in den Abend,
und Horchen ist es auf den Ton,
den meine Seele nächtlich deiner singt.

(Walter Calé, Das Glück ist dieses, aus: Mauthner (Hg.), Nachgelassene Schriften von Walter Calé, 1910, Online-Quelle)

Die Nicht-Gewesenen.

Über ein Glück, das du flüchtig besessen,
Tröstet Erinnern, tröstet Vergessen,
Tröstet die alles heilende Zeit.
Aber die Träume, die nie errung’nen,
Nie vergeß’nen und nie bezwung’nen,
Nimmer verläßt dich ihr sehnendes Leid.

(Isolde Kurz, Die Nicht-Gewesenen, aus: Gedichte, 1888, Online-Quelle)

Die Liebe

Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Thür noch Riegel,
Und dringt durch Alles sich;
Sie ist ohn’ Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel,
Und schlägt sie ewiglich.

(Matthias Claudius, Die Liebe, aus: ASMUS omnia sua SECUM portans oder sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen, Sechster Theil, 1797, Online-Quelle)

 

Quelle: Pixabay

 

Nein, ich bin nicht der Meinung, dass man nur zu zweit glücklich werden kann, aber ich mochte die Zartheit der Gedichte so. Kommt gut und fröhlich in und durch die neue Woche! 🙂

 

28 Kommentare zu “Vom Glück (und) der Liebe

  1. Was für ein hinreißend entzückendes Foto zu Deiner Glücksblütenlese liebe Christiane, die Gedichte gefallen mir alle und zwei waren mir ganz neu. Lieber Wochenstartgruß zu Dir , Karin

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  2. Oh ja, sie sind alle zart und fein und mit Gefühl zu lesen, sonst mag man sie nicht, liebe Christiane
    Ich mag sie alle fünf. Goethes Erinnerung kennt vermutlich jeder und wenn es auch nur die erste Zeile wäre 🙂
    Über das Nichtgewesene läßt die Zeit Gras wachsen und das, was war, wird in Liebe gehütet *lächel*. Ist doch schön, wenn man gute und freudige Erinnungen hat… Sie helfen über vieles andere hinweg.

    Ganz herzlich am sonnigen Montagmorgen
    Bruni

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  3. köstliche Kleinode. Das Goethe-Gedicht ist für mich nur als fünfstimmiger Kanon erinnerbar. Eine schöne Melodie von Haydn, aber ich würde es auch gern mal musiklos lesen können. Nun, es geht nicht. Immerhin fand ich eine originelle Interpretation, die auch ein Kommentar zu deinem Kommentar ist, liebe Christiane: „ich bin nicht der Meinung, dass man nur zu zweit glücklich werden kann,“ https://youtu.be/tLpGMUeEhKM

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  4. Cale’s Zeilen gefallen mir. Sie sind so schön ruhig. Nicht dass die anderen Gedichte laut wären, aber das ist irgendwie nochmal speziell…Ok, ich kriege es gerade nicht hin, zu beschreiben, was ich meine. Ist halt toll. So. 😉

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  5. Liebe Christiane,
    wie schön. Lauter kurze Glückstexte. Und ja, ich glaube auch, dass man nicht nur zu zweit glücklich werden kann.
    Ein schönes Bild – die Liebe ohne Anfang und Ende.
    Herzliche Abendgrüße
    Judith

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