Adventüden 2021 03-12 | 365tageasatzaday

03.12. – Die unergründliche Welt der Mathematik | Adventüden

Im Saal herrscht hohe Konzentration. Jede Bewegung wird durch das Holz der schon in die Tage gekommene Bestuhlung knarrend übertragen. Von der untersten bis obersten Sitzreiche sind die Körper über ihre Tische gebeugt. Die Köpfe rauchen, die Stifte kratzen eifrig über das Papier. Kaum einer der Kommilitoninnen und Kommilitonen wagt es, sich vom Blatt zu lösen. Das mathematische Ergebnis scheint greifbar nah.

Dabei fing alles so harmlos an diesem Montagmorgen an. Ein Temperatursturz verwandelte das trübe Feucht in Schneeregen mit Aussichten auf späteren Schnee. Die Mathematikstudentinnen und -studenten flüchteten gerne in die Geborgenheit ihres Hörsaals. Ihr Professor erschien in bester Laune und zog nach einem herzlichen »Guten Morgen« Bögen weißes Papier aus seiner Aktentasche.

Die in ihren Rängen Sitzenden stöhnten in düsterer Vorahnung auf, waren doch die Aufgabenstellungen des Professors sehr gefürchtet.

Die Papierstapel wanderten die Stuhlreihen entlang und verteilten sich fliegend. Ein listiges Lächeln im Gesicht des Professors verhieß nichts Gutes, so die Einschätzung der Studierenden.

Gleichzeitig wurden die Blätter umgedreht und …

Erstaunen, Erleichterung, ein entspanntes Rekeln von der oberen Sitzreihe, hier ein Gelächter, dort schwollen Gespräche an, es wurde »Jingle Bells« angestimmt, übermütige vorweihnachtliche Stimmung drohte auszubrechen und wurde von ein paar wenigen mit beklommener Erwartungshaltung unterdrückt.

»Nehmen Sie es bitte ernst«, meinte der Professor, dem der Schalk selbst schon im Nacken saß, und tippte auf die Uhr am Handgelenk, »Sie haben eine Stunde Zeit.«

Seitdem geistern Knoten, Kanten, Linien, Graphen in den Köpfen herum, um schnell an die Lösung der Aufgabe zu kommen. Es wird gerechnet, kombiniert, logisch geschlussfolgert, ausprobiert. Die Ersten stehen auf, geben erleichtert ihre Blätter ab.

Eines rutscht vom Tisch und so können wir die Aufgabe, die für ein wenig Kopfzerbrechen gesorgt hat, lesen. Sie besteht aus einem Satz: »Wie viele Möglichkeiten gibt es, das Haus vom Nikolaus in einem Zug zu zeichnen?«


Autor*in: Doro                 Blog: Doro|Art

 

Adventüden 2021 03-12 | 365tageasatzaday
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

118 Kommentare zu “03.12. – Die unergründliche Welt der Mathematik | Adventüden

        • Hach je, als ich die Geschichte noch nicht geschrieben hatte war ich froh, wenn mir das Haus einfach gelingt, fertig und aus. Dass sich andere wissenschaftlich damit beschäftigen konnte ich mir vorher nicht vorstellen mit dem Euler und so. Aber im Umkehrschluß sagt mir das, dass alles nur ein Spiel ist, manchmal ein einfaches und manchmal ein komplizierteres – das große Spiel der Mathematik. Das macht Mathematik sehr viel freundlicher, finde ich.

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    • War ich auch; ich weiß, dass Mathematik nichts mit dem zu tun hat, was man so in der Schule lernt, und dass ich keine Ahnung davon habe 😉
      Eine Adventüde wie ein Stück Schokolade 🍫 zum Kaffee, habe ich sie vorhin genannt. Einen guten Tag wünsche ich dir! 😁
      Morgenkaffeegrüße 😁☁️🕯️☕🍪👍

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    • Hallo Zusammen, ich habe diese Etüde meinem Studentenkind gewidmet, sie war in Entscheidung zwischen Mathematik und Physik und ich schnupperte in dieser Zeit in Form eines Elternabends Studentenluft in einem Hörsaal den ich hier aufleben lassen durfte. Ich persönlich bin so weit von Mathematik entfernt, wie nur was, möchte ich behaupten, aber das Haus hat mich schon immer in der Adventszeit gereizt – wohlgemerkt als Kinderspiel. Mich streifte die wissenschaftliche Seite erst im Verlauf meiner Geschichte – eine wunderbare Fügung also LG Doro

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      • Guten Morgen, liebe Doro, vielen Dank für den Adventüdenhintergrund! Ich habe mich auch gefragt, wie du auf die Idee für diese Etüde gekommen bist. Wofür ist die Entscheidung denn schließlich gefallen – und ist sie glücklich damit geworden? 🤔😉
        Vielen lieben Dank für deine zauberhafte Adventüde! 🧡
        Vormittagskaffeegrüße 😁⛅🕯️☕🍪👍

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        • Hallo liebe Christiane, Du wirst es nicht glauben, aber es hat sie durch ein Soziales Freiwilligenjahr auf die menschliche Seite verschlagen, sie studiert nun Heilpädagogik mit Leidenschaft und zwei Semester auf einmal – also 3 + 5 weil sie ein Jahr im Ausland studieren und Praktika machen will.
          Ich danke Dir für dieses Adventsfest der Geschichten, so unterschiedlich wie sie sind, hat mich noch jede berührt. Es ist wie ein Finale des Jahres, so erlebe ich gerade die Adventsgeschenke hier! Das ist Dein Verdienst!
          LG Doro

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          • Das ist jedes Jahr so, dass die Adventüden ein breites Spektrum abdecken. Und ich kann dir jetzt schon versprechen: Es geht so weiter! 😁
            Das freut mich für deine Tochter. Es ist natürlich nur meine Einzelmeinung, aber ich halte momentan Leute, die mit Menschen oder Tieren arbeiten, also Praktiker, für wichtiger als noch mehr Theoretiker, die Flüge zum Mars berechnen können, aber beim Pizzaaufbacken scheitern … 😉
            Grüße von Nord nach Süd! 😁

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  1. Eine richtig feine Adventüde.
    Ich kenne zwar das Haus vom Nikolaus und habe es immer mal wieder gezeichnet, aber über die Zahl der Möglichkeiten, es mit einem einzigen Strich hinzubekommen, habe ich nie nachgedacht *g*

    Liebe Grüße von Bruni

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