Sie starrten beide auf die lange Reihe kleiner grünlich-gelb-weißer Würfelchen, die er akribisch auf der Serviette aufgereiht hatte.
»Du kannst es nicht wissen, weil wir uns noch nicht so lange kennen«, sagte er, und seine Stimme klang trügerisch sanft, »aber ich verabscheue dieses Zeug. Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann tu das bitte nie wieder in einen Kuchen, den ich essen soll.«
Sie dachte kurz darüber nach, ob da vielleicht ein »Sonst …« mitschwang. War da nicht überhaupt ein komischer Unterton?
»Es gehörte zum Rezept für Königskuchen«, stellte sie sachlich fest. »Sukkade, auch als Zitronat bekannt. Ein Rezept meiner Mutter aus einem alten Familienbackbuch. Eigentlich mag das doch jeder, nein?«
»Ich bin aber nicht jeder!« Seine Stimme schwoll leicht an. »Und wenn wir uns erst besser kennenlernen – und das wollen wir doch, nicht wahr? –, dann wirst du auch verstehen, wie wichtig es ist, individuelle Eigenheiten zu respektieren.«
Wollen wir das? Wieso lief es ihr gerade so merkwürdig kalt den Rücken herunter?
Hatte sie nicht überhaupt von Schmetterlingen im Bauch geträumt? Hier saß sie mit ihrem durchaus attraktiven Blind Date an einem belebten Bootsanleger in der Innenstadt, hatte drei- oder viermal mit ihm über das Online-Portal gechattet und ihm einen Kuchen gebacken, fühlte sich definitiv unwohl und war froh, dass er nichts Konkretes über sie wusste.
Was war denn mit ihr los?
»Tut mir leid. Dann lass uns halt den restlichen Kuchen an die Enten verfüttern«, schlug sie vor und begann sofort damit. Das war knapp, dachte sie und wunderte sich über sich selbst.
Später ging sie allein nach Hause. Abends löschte sie ihren Account bei dem Datingportal und beschloss, in den nächsten Jahren den Anleger sicherheitshalber zu meiden.
Es war die beste Entscheidung ihres Lebens, aber wie so vieles andere würde sie auch das nie erfahren.
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Für die abc.etüden, Wochen 16/17.2022: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende stammt dieses Mal von Ludwig Zeidler, dem Etüdenerfinder, der nicht mehr bloggt. Sie lautet: Königskuchen, akribisch, träumen.
Komplett fiktiv, die Etüde, bis auf den Bootsanleger 😉, der ein bisschen dem Hamburger Jungfernstieg (sehr weit weg von mir) ähneln soll, und der Tatsache, dass ich eigentlich auch kein Fan von Zitronat bin, speziell nicht von diesem gekauften Zeugs, was für mich am ehesten in Weihnachtsplätzchen und Stollen gehört (wo ich es dann auch gern esse). Und oh, das Backbuch: »Backen macht Freude« von Dr. Oetker, 26. Auflage von 1963. Meine Mutter hat viel damit gemacht, ich greife meist auf ihre Rezeptsammlung zurück.
Aber hattet ihr schon mal das Gefühl, gerade so davongekommen zu sein, wisst aber eigentlich nicht, wieso? 😉
Gruselig … besonders durch den impliziten Beobachterwechsel am Ende, wie eine Stimme aus dem Off, die die Sicherheit verkündet, dem Horror nochmals von der Schippe gesprungen zu sein. Diese kleine Geschichte ist sehr zeitgemäß – wo Subjektivismus in Exaltiertheit und Aggression umschlägt, also in Herrschaft über andere, den Wunsch, nicht behandelt zu werden wie alle, ohne sich aber zu unterscheiden (im Kommunikationsverhältnis). Ich fliehe da auch lieber, auch vor dem Zitronat. Das, was beide nicht mögen, wie man sieht, ist noch lange kein Gemeinsames. Viele Grüße und Danke für den Morgen-Denkanstoß!
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Ich habe mich schon gefragt, ob ich ihr Unbehagen nicht zu dick aufgetragen habe. Aber wenn man jemanden persönlich kennenlernt, sind ja normalerweise erst mal die Hormone am Start, und dann kann es schon wichtig sein, sich ein rationales Eckchen vorzubehalten, wo irgendwann jemand „Vorsicht!“ schreit … 🤔
Da ich aber andererseits im Vagen bleiben wollte – sieht/hört sie nun Gespenster oder nicht? –, brauchte es zwingend diesen Schluss, damit das Gruseln kommt. Wobei ich entzückt bin, dass du es gruselig findest.
Herzlichen Dank für die professionellen Worte, ich lese sie mit Vergnügen, du bist um Welten theoretischer als ich. 😉👍
Morgenkaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Kein bisschen zu dick aufgetragen!!! Es ist schon viele Jahre her, als ich auch auf verschiedenste Weise versuchte, jemand an meine Seite zu „locken“. Diese „Blind dates“ gab es wohl noch nicht – aber es gab genügend andere Möglichkeiten, sich bzw. mich in akute Gefahr zu bringen – zum Glück habe ich alle überstanden und es dann irgendwann auch bleiben gelassen. Unglücklicher als mit so einem Typen an der Seite bin ich jetzt keinesfalls.
Liebe Grüße von Clara
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Ja, ich bin auch der Meinung, dass meine Protagonistin gut daran getan hat, möglichst schnell die Kurve zu kratzen. 😉
Und ich stimme dir zu: Möglichkeiten, sich in Schwierigkeiten zu bringen, gab es auch schon vor der Erfindung des Internets 😎 Allerdings hat das diese Möglichkeiten entschieden vergrößert … 😉
Herzliche Morgenkaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Da ich heute ausnahmsweise schon vor 7.00 Uhr aufgestanden bin, habe ich schon zwei Morgenkaffees genossen oder zumindest getrunken.
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Ich finde es leichter, früh aufzustehen, wenn es draußen schon hell ist. Im Winter leide ich. ☕👍
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Ich MUSS ja nicht früh aufstehen, weder im Winter noch im Sommer – ich DARF oder noch besser, ich WILL.
Aber die Helligkeit macht natürlich was aus.
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😀🌞👍
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Grossartig. Die Stimmung kommt komplett rüber. Ich hatte leichtes kaltes Rieseln am Rücken. Mag ich sehr. Und Zitronat ist eklig😂🙈
Morgenkaffeegrüße ☕🌞🐈🐈⬛🐕
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Ah, sehr schön, vielen herzlichen Dank für die Rückmeldung. Genau so wollte ich den Effekt gern haben. 🧡👍
Höchst erfreute Morgenkaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Stimmt, der Gruseleffekt kommt ausgezeichnet rüber. Nur mag ich das nicht. Eh herrscht allzuviel Grusel und Misstrauen zwschen den Menschen, zu viel trennt sie, und diese Frau verwandelt nun sogar einen Teil ihres natürlichen Umfeldes, macht aus dem Bereich der Unschuld ((der romantische Bootsanleger) einen der Gefahr – Seit ich Kind bin, versuche ich mich von derlei Gruselvorstellungen frei zu kämpfen, da sie meine Bewegungsfreiheit einschränken.
Du siehst, dein Text ist gelungen. 😉
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Ich kann dich gut verstehen. Einerseits. Andererseits wollte ich eine Geschichte probieren, in der sich ihre düsteren Vorahnungen als berechtigt erweisen, ohne dass sie gleich umkommt oder anders in ihr Unglück rennt. Daher die Überreaktionen am Ende; und du hast völlig recht, damit muss man wirklich aufpassen.
Danke dir für die Rückmeldung! 🧡
Vormittagskaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Uiiiii, da schlägt die Phantasie Purzelbäume, sehr gelungener Grusel!! „Und wenn meine Schuhe nicht immer absolut parallel zu der Eingangstür stehen, dann musst du gar nicht mehr versuchen, dort hinaus zu kommen“. Ich finde ja blind dates ohnehin ziemlich gefährlich, sogar im öffentlichen Raum.
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Ja, genau, so ein Typ ist das, manchmal ist es echt schön, so was nur anzudeuten 😉
Ich bin nicht wirklich der abenteuerlustige Typ; wenn ich mich also bisher mit „Fremden“ verabredet habe, waren das meist bereits gefühlt Freunde, die ich halt nur noch nicht persönlich kannte. Klar, kann immer noch schiefgehen, aber schlimme Erfahrungen habe ich mit diesem Vorgehen bisher nicht gemacht. 🤔
Vormittagskaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Kann man gut nachvollziehen. Und ihre Entscheidung hätte nicht besser ausfallen können. Da sieht man, dass persönliche Kontakte doch wertvoller sind, um den Neuen einzuschätzen, als nur Gechatte.
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Letzten Endes entscheidet immer der persönliche Kontakt, oder? Wobei ich die Reihenfolge Chatten/Mailen/Telefonieren und dann erst persönlich kennenlernen schon ganz okay finde, vor allem, wenn man nicht nur miteinander ins Bett will … 🤔😉
Danke dir!
Mittagskaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Die ist gut! So bedrohlich wie eine Gewitterwolke.
Man ahnt ja oft nicht einmal in der Rückschau, wievielen brenzlingen Situationen man in seinem Leben schon entgangen ist.
Online jemanden als mögliches Date ausfindig zu machen ist meiner Ansicht nach eigentlich nicht gefährlicher als beim Ausgehen irgendwo eine Bekanntschaft zu machen, nur ist die Verführbarkeit zur Vertrauensseligkeit grösser.
Der Treffpunkt in der Öffentlichkeit war gut gewählt, und ihr weiblicher Drang zur Freundlichkeit hat zum Glück nicht ihre Vorsicht beeinträchtigt.
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Ein öffentlicher, belebter Treffpunkt nicht zu nah vor der eigenen Haustür ist für erste Dates immer eine gute Entscheidung und gibt Sicherheit, eben. Ansonsten stimme ich dir zu, speziell Stichwort Vertrauensseligkeit, und danke dir für die „Gewitterwolke“.
Nachmittagskaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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So fiktiv ware das nicht, Christiane.
Habe mal ähnliche Erfahrung gemacht, aber leider nicht locker gelassen. Hoffnungsvoll in eine neue Verbindung zu gehen und dann gleich am Anfang kehrt zu machen, das will gelernt sein.
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Da hast du recht, Gerhard, denn alles in einem drängt einen ja, keinen Rückzieher zu machen, zu denken, man habe bestimmt etwas falsch verstanden etc. etc. 😟
Glaub nicht, dass ich das nicht kenne, ich habe auch schon viel zu lange gewartet.
Nachmittagskaffeegrüße! 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Uhhhh…spooky….vor gefühlten 1000 Jahren hatte ich mal ein Internetdate, dass ganz ähnlich war. Die Plattform hat mich auch nie wieder gesehen…
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Es ist vermutlich immer noch so, aber gerade bei diesen Dating-Geschichten haben sich manchmal aber auch Leute getummelt … 😎
Nachmittagskaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Das passt gerade lustigerweise. Habe eben einen Podcast über einen Betrüger gehört und eine Frau ist ihm entkommen, weil sie ein ungutes Gefühl hatte. 😅 In deiner Geschichte klingt es dann doch etwas ernster.
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Es gibt diese Geschichten, wo einen die innere Stimme plötzlich anbrüllt. Ja, man kann sie immer ignorieren, aber ich habe es auch schon bereut.
Und so was wie die Stimme aus dem Off am Ende der Etüde fehlt im wirklichen Leben ja meistens 😉
Manchmal ist das Unterbewusstsein aufmerksamer als das Wachbewusstsein. Isso.
Abendgrüße ✨🍷🥗🍪🦋👍
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Finde die story gut, leicht bedrohlich für ’sie‘.
Das Ende gefällt mir sehr gut 🙂
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Wenn mehr Leute auf ihre innere Stimme hören würden, ginge vieles anders und vielleicht weniger zerstörerisch aus, ja. Leider fehlt die Stimme aus dem Off im wirklichen Leben meist 😉
Danke dir und einen schönen Abend! ✨🍷🥗🍪🦋👍
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Danke ✨🍷🥗
Diese Stimme – ich sag ja immer ‚inneres Gefühl‘ liegt ja meistens richtig 😉
Dir auch einen angenehmen Abend 🙂
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Wie man es bezeichnet ist doch egal, ich denke, das empfindet eh jede*r individuell. 🤔😉👍
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Blind dates? Schwierige Kiste.
Ein ganz kleines bisschen abenteuerlustig muß man dazu schon sein, oder vielleicht auch nur neugierig auf die Menschen, wenn man eines wagen möchte.
Persönliche Treffen können von schreibenden Kontakten weit abweichen, insofern können sie auch gefährlich sein.
Aber sie können auch Wundervolles bringen 🙂
Tolle Geschichte, liebe Christiane!
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Aber unbedingt können persönliche Kontakte wundervoll sein, liebe Bruni! Natürlich ist das so: Man liest sich, schreibt sich, telefoniert vielleicht und lernt sich irgendwann dann auch mal persönlich kennen. Und dann weiß man, ob es Fortsetzungen geben kann oder nicht. Ist das Abenteuerlust? Finde ich gar nicht mal, das ist einfach Leben … 😉
Nachtgrüße 🥱😴
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Leben…
Wie gut sich das anhört, liebe Christiane ❣
Ganz herzlich am Morgen
Bruni
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Ach, Bruni, ja!
Morgenkaffeegrüße 🌄🌼☕🍪🦋👍
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Bei uns ist es frühsonnig und Freitag. Also eine gute Kombination ❣ 🙂
Hoffen wir, dass es sonnig bleibt, liebe Christiane .
Grüss mir herzlich und streichelnd den Fellträger 😼
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Fellträger schläft, und ich setze mich an die Arbeit. Mit Kaffee. ☕😉👍
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Das hört sich doch ganz gemütlich an❣?
Ich kämpfe mich durch meine medis🤨aber dann gibt es Kaffee ☕ juchhu🙃
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Gemütlich ist daran nur das Homeoffice ☕🍪👍
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Also Stress? 🌷🌷🌷
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Arbeit ist Arbeit ist Arbeit ist Arbeit.
⛅🌼☕🍪🦋👍
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Es gibt Arbeit, die Freude macht und dann die, die man eigentlich nicht mag, aber notgedrungen doch tut…🌹
Ich denke, du magst deine Arbeit ganz gerne 🐦🐦
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Ja. Trotzdem habe ich heute viel zu tun.
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Ziemlich gruseliger Unterton …
Da läuft es mir ja kalt den Rücken runter. *smile
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Genau das war der Plan, die Sache mit dem gruseligen Unterton. Danke dir! 👍
Maimorgenkaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪🦋👍
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Liebe Christiane,
der gruselige Unterton ist gelungen und ich bin froh, dass sie auf ihre innere Stimme gehört hat. Bei mir ging schon das Kopfkino an – ich könnte die Geschichte gerade fortsetzen.
Und Zitronat find ich auch eklig – bäh, was für eine Konsistenz.
Liebe Grüße
Judith
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Eben, wir haben aus vielerlei Gründen alle dieses Kopfkino am Start, deshalb habe ich es auch am Ende so aufgelöst – ich wollte nicht noch eine*n Tote*n für die Etüdenkriminalstatistik 👍
Zitronat mögen erstaunlich viele nicht, man sollte es als Test weiterempfehlen 😉
Abendgrüße ☁️🍷🍪🦋👍
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Danke dir, Christiane.
Das Ende ist auch gut so – noch mehr Tote braucht es wahrlich nicht.
Grüße zu dir
Judith
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