Von Wald

Meer und Wald

Draußen das bewegte Meer,
Ruheloses Tosen, Schäumen,
Hier im Walde ringsumher
Tiefer Frieden unter Bäumen.

Liebst Du Kampf und Streiteslust,
Mußt Du an dem Strand verweilen,
Gram und Sorgen in der Brust
Werden in dem Wald verheilen.

(Otto Bauer, Meer und Wald, aus: Gedichte, 1895, Rezension, Online-Quelle)

Stets sind Gespräche im Wald

Stets sind Gespräche im Wald:
Bald winkt dir ein Blatt,
Das dir etwas zu deuten hat.
Bald sitzt ein Käfer an deinem Ärmel und blinkt.
Sein Flügelein blitzt wie ein Liebesgedanke,
Der augenblicklich wieder versinkt.
Die Mücke singend ums Ohr dir schwebt,
Wie Sehnsucht, die vom Blute lebt
Und dir von deinen Poren trinkt.
Wo der Wald sich lichtet,
Steht ungeschlachten Scheitholz geschichtet,
Weht Rindengeruch, der von Bränden dichtet.
Bleibt in den Kleidern dir lang’ noch hocken,
Als will es dich in ein Feuer locken.

(Max Dauthendey, Stets sind Gespräche im Wald, aus: Insichversunkene Lieder im Laub, in: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 303)

Tiere im Wald

Wald, wie betreuend
verhüllst du die Tiere
in deinem unendlichen
Rauschen und Schweigen.
Fern den Menschen
sind sie am schönsten.
Geheim im Blau.
Selten, daß dir ein Reh
am Waldrand scheulos begegnet.
Den runden Tierblick
in deine Menschenaugen taucht.
– Und ward es dir nicht
wie ein geisterhaftes Berühren,
Wink aus dem Zwischenreich,
deine Sehnsucht schmerzend –?

Tiere und Bäume
sind sinnvoll verschwistert,
teilen des Waldes Geheimnis.

(Francisca Stoecklin, Tiere im Wald, aus: Die singende Muschel, 1925, Online-Quelle)


Quelle: Pixabay


So, alle wieder aus dem Himmelfahrts-Kurzurlaub zurück an den Computern? Dann auf und durch die neue Woche … möge sie für euch alle heiter und produktiv (im richtigen Sinne) werden!


28 Kommentare zu “Von Wald

  1. Der Herr Bauer, der hat Recht, aber nur, wenn das Meer unruhig ist. Wenn es ruhig ist, kann man sehr wohl Ruhe dort finden. So. Verteidigungsrede abgeschlossen. 😁 Ansonsten mag ich das letzte sehr, das fängt die manchmal magische Stimmung im Wald ein. Morgengrüße! 😊🥱☕

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  2. Schön sind das zweite und dritte auf sehr verschiedene Art. Dauthendey bleibt Großstädter und Spaziergänger, dem Blätter und Mücken, Käfer und Holz nicht ihre, sondern des Menschen geheime Gedanken und Sehnsüchte kommunizieren, Stoecklin lässt sich auf die „andere Natur“ ein, wird von deren Geheimnis berührt und fühlt schmerzhaft ihr eigenes Ausgeschlossensein.
    Otto Bauer benutzt Wald und Meer lediglich als Resonanzraum für eigene Befindlichkeiten. Das ist wohl der übliche Umgang mit Natur und ein wenig banal.

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    • Liebe Gerda, ich gebe dir völlig recht, speziell was den Herrn Bauer angeht, der ist schlicht. Wenn du dir den Spaß machen möchtest, dann ruf die mal die verlinkte Rezension dazu auf, der Rezensent besprach das Gedichtbuch und war ebenfalls nicht sonderlich angetan. (Ich habe es als Nachweis verlinkt, dieser Otto Bauer scheint nämlich nicht in der Wikipedia vertreten zu sein, bzw. er ist keiner der dort Genannten.)
      Stoecklin mag ich persönlich heute am liebsten, wobei ich Dauthendey eigentlich eh immer mag, vor allem diese Überschwänglichkeit und das Feiern des Geheimnisses der Liebe … 🧡
      Vormittagskaffeegrüße ⛅🌳☕🍪🌼👍

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    • Ist die Frage, ob du das ewige Heranrollen der Wellen als einförmig oder bewegt empfindest. Und er scheint Bewegung mit Streit zu assoziieren, was natürlich etwas über den Herrn aussagt.
      Ich habe es schon bei Gerda erwähnt: Falls du Fraktur lesen kannst, schau mal in die Rezension des Buches rein, der Verfasser war den poetischen Künsten dieses Herrn gegenüber so skeptisch wie du … 😉
      Mittagskaffeegrüße! ☁️🌳☕🍪🌼👍

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      • Ich hab die Rezension nicht gefunden. Ist aber kein Problem, ich wäre nie auf die Idee verfallen, die Bewegung der Wellen mit Kampf zu verbinden und auch nicht darauf Landschaften in Gegensatz zueinander zu setzen.. Ich glaube, ich würde mich mit diesem Herrn nicht gut verstehen… 🤔

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  3. Rezension gefunden. Hihi, der Rezensent ist wirklich nicht allzu begeistert „25 Liebeslieder übergehe ich mit diskretem Schweigen“ 🙂 Weniger gefallen hat mir „gesunde Speise für die Seele unseres Volkes“ Das war die Generation, die mit Begeisterung in den ersten Weltkrieg gezogen ist ….
    Lesen kann ich gedruckte Fraktur recht gut. Die Märchenbücher, die ich als Kind von den Großeltern erbte, sahen so aus. Habe ich immer noch, von mir buntest illustriert 🙂

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    • Das „diskrete Schweigen“ hat mir auch gut gefallen. Und ja, jede Zeit hat(-te) ihren Duktus. Was wird man später über uns sagen, das frage ich mich mitunter … 🤔
      Ich bin auch mit Büchern in Fraktur versorgt worden, als ich noch Kind war. Ich fand diese andere Schrift blöd, aber lesen kann ich sie bis heute 😉

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  4. Wäre mein Montag nicht sowieso schon schön gewesen, dann hätte es diese Zeilen vermocht, mich fröhlich zu stimmen:

    „Wald, wie betreuend
    verhüllst du die Tiere
    in deinem unendlichen
    Rauschen und Schweigen.
    Fern den Menschen
    sind sie am schönsten.
    Geheim im Blau.“

    Nun bin ich noch fröhlicher. Viele Grüße! Und guten Wochenanfang!

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    • Ich freue mich, dass diese Zeilen deine Stimmung so heben können. Dann wünsche ich dir nicht nur einen guten Wochenanfang, sondern eine komplett gute Woche! 😉👍
      Abendgrüße ⛅🌳🍵🥗🌼👍

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  5. Otto Bauer bewegt mich nicht, aber Max Dauthendey um so mehr. *Stets sind Gespräche im Wald*, wie recht hat er doch. Nie ist es mäuschenstill, immer gibt es etwas zu sehen, zu hören, zu erschnuppern und manchmal ist es sehr geheimnisvoll, was der Wald uns spricht.
    Liebe abendliche Grüße von Bruni an Dich, liebe Christiane

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