Sonntagmorgen, 9:30 Uhr, ich wandere bei strahlendem Sonnenschein mit der kleinen Kamera durch die U- und S-Bahn-Station Elbbrücken auf der Suche nach den schönsten Perspektiven. Und derer gibt es so einige, wie ich dann festgestellt habe (Foto), viel mehr, als ich in diesem Rahmen zeigen möchte (aber bitte hier gucken!). Als meine Mitwanderin eintrifft, begeben wir uns gleich auf die Strecke (Foto). Links das ist übrigens die Autobahn (A 255).
Ich kann nicht sagen, wie oft ich schon über die Elbbrücken mit dem Auto gefahren bin, aber GELAUFEN bin ich dort noch nie. Die Stadtansichten sind schon ziemlich einmalig: Seht ihr den Michelturm? Seht ihr den ICE, der freundlicherweise dekorativ über die Freihafenelbbrücke schwebte, als ich fotografieren wollte? (Foto) Manchmal passt alles …



Wir kamen auf die Veddel, prompt wurde die Beschilderung schlechter und ich musste Herrn Gugl befragen, wo entlang wir mussten. Unter anderem an einer Straße namens »Passierzettel« (Foto) vorbei, die ihren Namen wirklich daher hat, dass dort »… im 19. Jahrhundert Auswanderer zum letzten Mal ihre Papiere zeigen [mussten], um dann endgültig auf das Schiff zu kommen, das sie nach Amerika bringen sollte« (Wikipedia). Wie das mit Kiezen so ist, bei manchen hat man das Gefühl, das man sie uneingeladen betritt, so ging es mir, bis wir die S-Bahn-Station Veddel einerseits und das Auswanderermuseum BallinStadt andererseits hinter uns gelassen hatten. (Ach so, BallinStadt: Meiner Meinung nach lohnt sich das nicht, es sei denn, ihr habt Kids dabei, dann vielleicht.) Wir auf jeden Fall ließen die Bebauung hinter uns und begrüßten freudig einen Kleingarten (»Hoffnung v. 1931« – manchmal fragt man sich, was für Geschichten hinter Namen stehen) (Foto). Auch wenn es plötzlich wieder weiße Weg-Elfer in Hülle und Fülle gab, es war dennoch laut. Man hört entweder die Stadtautobahn A 255 oder die Wilhelmsburger Reichsstraße (B 75) oder beide, trotz Lärmschutzwand. Ich wusste, dass an der Reichsstraße Fahrradwege entlanglaufen, dass ich sie mal zu Fuß überqueren würde, hätte ich vor diesem Wanderprojekt auch nicht gedacht. Tja, Wandern bildet (Foto). Und rechts neben uns dann kurz auch noch die S-Bahn-Trasse (Foto): Großstadtfeeling, da half auch das schönste Plakat am nächsten Kleingartenverein nichts.





Fairerweise muss ich sagen, dass uns besagte Großstadt schon nach wenigen Hundert Metern wieder verzauberte: Wir erreichten die Wilhelmsburger Dove Elbe (Foto), und alles dort war so idyllisch, dass es schon beinahe nach Kitsch-Alarm stank. In Bäumen hingen Schaukeln (Foto), es gab frei zugängliche Anleger, Ruderboote/Kajaks/Kanus waren auf dem Wasser, deren Insassen sich lautstark unterhielten. Und auch die Immobilien auf der anderen Seite, sehr gediegen (Foto).
Damit ich es nicht wieder vergesse: Unsere Geschwindigkeit nahm nicht nur deswegen ab, weil ich gefühlt ständig fotografieren wollte (Foto), ich musste auch ständig Brombeeren naschen, die Sträucher hingen voll. Waren die an der Wilhelmsburger Dove Elbe oft noch relativ sauer, änderte sich das später sehr. Wir wanderten also ziemlich glückselig die Hövelpromenade entlang, bis wir über ein schmales Brücklein die Seiten wechseln durften und so die ganze Pracht von oben bestaunen konnten (Foto).
Und dann erreichten wir als absolute Krönung eine echte Windmühle: die Wilhelmsburger Windmühle, nach ihrer letzten Müllerin »Johanna« genannt (mehr lesen auf der Website des Wilhelmsburger Windmühlenvereins). Der Galerieholländer (Foto) wurde 1875 errichtet und war bis 1960 in Betrieb als Kornmühle, bekannt ist an dieser Stelle eine Mühle seit 1585. Zu »Johanna« gehört seit 2013 auch wieder ein Backhaus (gegenüber), in dem fleißig gewerkelt wurde, als wir ankamen, aber alles befand sich noch in der Produktion und auch das Mühlencafé würde leider erst in zwei Stunden öffnen. In dem Fall: Hätten wir das gewusst, schlechte Planung. So wollten wir nämlich schon weit weg sein, denn der am Morgen strahlend blaue Himmel hatte begonnen, Wolken zu produzieren. Wir packten also unsere Stullen aus und rasteten, bevor wir weiterzogen (Foto). Ich kann mich erinnern, dass ich die Mühle mit dem Auto mal wie blöd gesucht (und nicht gefunden) habe. Haken dran, erledigt.






Der Jenerseitedeich, der uns dann aufnahm (und mich mit jeder Menge unglaublich wohlschmeckender Brombeeren) (Foto) versorgte, führt wohl durch die sogenannte »Kulturlandschaft Wilhelmsburger Osten«. Der Tour-Guide sagt dazu: »Der ländliche Teil der Elbinsel Wilhelmsburg ist geprägt durch Gartenbau, Feuchtgrünländereien und dörfliches Zusammenleben. Entlang der Elbdeiche stehen alte, sehenswerte Bauernhäuser« (Quelle). DAS allerdings kann ich lebhaft bestätigen, auch wenn ich die wieder mal nicht fotografiert habe, sondern euch mit Blick über die Felder (Foto) und in den Gemüsegarten (Foto) tröste. Die Hochhäuser ganz hinten gehören übrigens zu Kirchdorf-Süd, einer »Großwohnsiedlung« im Süden von Wilhelmsburg (Foto). Ja, eine andere Welt.




Schließlich erreichten wir mit dem Moorwerder Hauptdeich die Norderelbe (Foto), diesmal auf der anderen Seite, und liefen den Deich entlang nach Süden (Foto). Wären wir immer geradeaus weitergegangen, wären wir irgendwann bei der Bunthäuser Spitze herausgekommen (Hamburg hat nämlich einen Leuchtturm, und nein, ich meine nicht die Insel Neuwerk –> hier klicken), und hätten dann auch noch mal das Naturschutzgebiet Heuckenlock aufsuchen können. Aber ehrlich gesagt war ich müde, so unspektakulär das ist, es zuzugeben. Als also die angekündigte Querstraße in Sicht kam und der Grüne Ring nach Westen führte und auf die Etappenbushaltestelle (Foto) zusteuerte, war ich nicht allzu traurig, auch wenn ich/wir zuvor überlegt hatten, ob wir, da der Bus nur alle Stunde fährt, noch mal zum Heuckenlock rüberlaufen sollten, falls wir sehr ungünstig angekommen wären. Antwort: nein. Es war warm und schattenlos und der Heuckenlock noch ein ganzes Stück entfernt. Auf den Deich hätte ich mich setzen wollen, die Aussicht ließ nicht zu wünschen übrig (Foto), aber der Bus kam bald und entließ uns an der S-Bahn-Station Wilhelmsburg. Das ist die nächste Station von mir aus gesehen, verglichen mit meiner Mitwanderin war ich also schnell zu Hause und lag längst gemütlich auf der Couch, als sie ihr Ankommen meldete. Und oh, ich bin zum ersten Mal in den 3 Monaten 9-Euro-Ticket (*überleg*) in der S-Bahn in eine Fahrkartenkontrolle geraten.




Die Statistik wie immer zum Schluss. Etappenanfang: U-/S-Bahn-Haltestelle Elbbrücken, Etappenende: Bushaltestelle Stillhorner Weg. Meine Gugl-Maps-Kilometerzahl lag bei 10 Kilometer, meine Schrittzähler zeigten jedoch insgesamt 19.023 Schritte an, was gemittelt 12,7 Kilometer entsprächen. Ja, ich fand es gefühlt eine kurze Etappe, und allein wegen der Brombeeren würde ich sie noch mal gehen ;-), trotzdem bin ich allmählich froh, dass sich das Projekt dem Ende zuneigt.
Eine Etappe noch, dann haben wir Hamburg umrundet. Nächsten Sonntag, so das Wetter mitspielt, sind wir wieder unterwegs. Nachdem ich allerdings letzte Woche Petrus so sehr gelobt habe, scheint er prompt am kommenden Wochenende eine Auszeit zu nehmen: Es soll nicht rechtzeitig abkühlen, und wir halten es uns noch offen, ob wir bei 30 °C mit wenig vorhersehbarem Schatten unterwegs sein wollen.
Natürlich haben wir beide schon mal über ein Fazit unserer Runde nachgedacht. Wenn ihr aber noch Fragen/Überlegungen habt, die ihr gern beantwortet/kommentiert hättet – ich habe ja einen Extra-Beitrag dazu versprochen – dann könnt ihr sie jetzt loswerden.
Mein ganzes Grüner-Ring-Gedöns als Kategorie zum Nachlesen: hier klicken!
Moinsen liebe Christiane, Passierzettel – was für eine schöne Anschrift! Du zeigst mir HH, wie ich es noch nie gesehen habe, ich bin begeistert🥰😀, danke dafür und liebe Grüße mit Kaffee dazu, Annette
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Moin, liebe Annette, ich habe immer gedacht, schräge Straßennamen gäbe es in jeder Stadt, zumindest in jeder Großstadt, oder etwa nicht? Ich weiß, dass es für Hamburg Bücher dazu gibt oder zumindest gab, und vermutlich findet sich für die „üblichen Verdächtigen“ auch jede Menge im Internet … 😉
Morgenkaffeegrüße zurück, mit auf Wunsch geeistem Kaffee 🌞🌳☕🧊👍
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hihi, einige wenige originelle Straßennamen gibt es auch hier in Do, wenn auch nur in sehr überschaubarer Zahl. Für ein Buch reicht es keinesfalls. Meistens sind es eher die üblichen langweiligen Namen, die nach Orten oder Menschen benannt wurden. Liebe Grüße und einen sehr herzlichen Dank für den geeisten Kaffee, Annette
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Wenn die Temperaturen hochgehen, neige ich dazu, in sehr vieles Trinkbares Eis zu werfen 😎🧊👍
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Eisenbahn- und Seerosenromantik kommt rüber ! Die Mühle mit dem kleinen Ableger am Dach sieht auch sehr interessant aus !
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Ich glaube, der „Ableger“ schimpft sich Windrose. Ja, und Mühlenromantik ist auch schon schön 😀, ich bekomme bei dem Anblick von Windmühlen, gerade dieses Typs, immer sentimentale Anfälle 😎
Vormittagskaffeegrüße 🌞🌳☕🧊👍
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Der derzeitige Energiemangel begünstigt auch den romantischen Blick auf die ersten Energieerzeugungsmöglichkeiten 😉 Ich finde ja Wassermühlen noch um einiges romantischer als Windmühlen …
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Mag sein, aber nicht ich, ich bekomme diese Anfälle regelmäßig, solange ich mich erinnere 😉
🎵 „Es kla-happ-ert die Mühle am rauschenden Bach … “ 🎶
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Klipp, klapp …… ja, ja
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Hach, deutsches Liedgut … 🎶
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Ach diese Brombeeren, da bekomme ich direkt auch Lust drauf, pflücken, schwarze Hände und Lippen bekommen, aber fröhlich sein! Das hört sich wie ein schöner Spaziergang an! Viele herzliche Grüße!
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War es irgendwie auch. Wenn man sich dem Ende nähert, sieht man vieles erheblich entspannter, jedenfalls empfinde ich das hier so 😉. Und Brombeeren sind für mich auch immer Kindheitserinnerung … 🧡
Herzliche Abendgrüße zurück! 🌅🍷🧊👍
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Von einer „Wilhelmsburger Dove-Elbe“ hatte ich bisher nie gehört, es war also wieder richtig lehrreich. Aber als ich vor Jahrzehnten diese Ecken durchstreifte, war auch die B 75 nicht so eine Art Autobahn wie heute.
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Du warst nie oder wenig im Hamburger Süden, oder? Die Reichsstraße ist so alt, wie der Name vermuten lässt, und glaubt man Wikipedia, ist sie seit dem II. Weltkrieg DIE Verkehrsader 🚛🏍️🚗 im Süden.
Von der Existenz der Wilhelmsburger Dove Elbe ⛵ wusste ich allerdings auch nichts, bis ich näher auf die Karte geschaut hatte.
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Sehr lang her, meine Streifzüge. Gut möglich, dass ich die Reichsstraße mit der Georg-Wilhelm verwechsle. Aber Bunthäuser Spitze fand ich toll.
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Da hast du recht. Der Leuchtturm ist klasse und macht immer wieder Spaß.
Abendgrüße 🌅🍷🧊🛋️👍
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Passierzettel … ja, das hat was Volkstümliches aus einer Zeit, als US-Amerikaner werden zu dürfen, verlockend und abenteuerlich zugleich war – im positiv besetzten Sinn.
In Wien gibt es eine ‚Meldemannstraße‘ – dort gab es bis vor wenigen Jahren ein Obdachlosenasyl, ich glaube, auch DER Hitler gehörte vor seiner Berufung zum Weltverbesserer zu den Nutznießern dieser Sozialeinrichtung … anno dazumals, als er noch Postkartenmaler war – der sprichwörtliche Volksmund auf beamtenösterreichdeutscher Ebene 😉 …
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Es ist ja bekannt, dass der Herr seinerzeit auf solche Einrichtungen zurückgreifen musste. Aber für Hamburg sprechen wir über die Zeit, die dem vorausging: so ca. ab 1850 war Hamburg Durchgangsstation … 🤔
Hamburg hat viele Straßennamen mit Geschichte(n), ich denke, Wien hat das auch. Meines Wissens gibt es zu den Hamburger Straßennamen sogar ein Büchlein oder so …
Mittagseiskaffeegrüße nach Wien! 🌞☕🧊⛵🌼👍
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