Tim saß rauchend am Fenster und betrachtete den Sternenglanz der wolkenlosen Nacht. Langsam kam der Winter und manchmal roch die Luft schon nach Schnee, der wahrscheinlich wieder nicht fallen würde, dabei war es erst Oktober.
Er hätte gar nicht sagen können, warum ihm solche Gedanken kamen, aber seit einigen Minuten dachte er an die kommende Weihnacht. In ihm wuchs eine Idee. Der entsprechende Entschluss, diese sofort in die Tat umzusetzen, stand kurz vor dem Durchbruch.
Er würde seiner Mutter eine Liebeserklärung der ganz besonderen Art machen!
Er ersann einen Adventskalender, den er selbst bauen würde. Hielten ihn doch seine fünf Geschwister für einen Tunichtgut, der nichts zustande brachte. Die würden staunen.
Er erhob sich wie ein Mann, der genau weiß, was zu tun ist, und griff sich im Vorbeigehen den Kellerschlüssel. Es war zwar schon spät, aber er würde zunächst nur die Grundlagen schaffen.
Im Keller angekommen suchte er lange nach seiner Laubsäge, die seit ewigen Zeiten nicht mehr in der Hand gehabt hatte. Er kramte in den Regalen. Schob Kisten und Kartons hin und her. Plötzlich verspürte er einen brennenden Schmerz und zog die Hand zurück. Blut sickerte aus einem Riss am Mittelfinger. Die Säge war gefunden! Schnell tupfte er mit einem Taschentuch das Blut ab. Er fand Holzleim, Schraubendreher, sogar sein altes Schnitzmesser. Er suchte Holz zusammen und betrachtete die verschieden langen Stücke.
Tim besah sich sein Material. Er überlegte, doch eine Zeichnung zu machen, fand einen kurzen Bleistift und so begann er seine Arbeit.
Sieben Stunden später – der Himmel wurde gerade sanft rosa – betrachtete er stolz sein Werk: ein Schwibbogen wie die Gebäckdose des Elbflorenzer Stollenkonfekts, in dem er 24 Fächer versteckt hatte. Die Figuren, die er noch schnitzen wollte, würden seine Familie darstellen.
Er musste sich ranhalten, wenn er das bis zum ersten Advent schaffen wollte.
Autor*in: Kain Schreiber Blog: Gedankenflut
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.
Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:
Adventskalender, Dezemberdilemma, Eintopf, Gebäckdose, Hefe, Lametta, Laubsäge, Liebeserklärung, Kreuzkümmel, Kulturschock, Sternenglanz, Sturz, Taschentuch, Tunichtgut, Weihnachtsputz.
Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2022, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.
In 7 Stunden, mit vorangegangener Zeichnung! Toll!
So schnell würde ich auch gern mal sein wollen
Tja, Glaube versetzt Berge. Oder ist es Liebe?!
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Muss ein guter Handwerker sein, der Typ, das geht nicht einfach nur so, eben. Und bei aller Liebe: Ohne die Technik (handwerkliches Können) gibt es ziemlich sicher Probleme bei der Umsetzung.
Morgenkaffeegrüße ☁️🕯️☕🍪👍
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Technik ist immer ein Gutteil jeder künstlerischen Tätigkeit. Manchmal prämiert man genau das, daß jemand widerspenstiges Ausgangsmaterial bändigen kann und etwas hervorbringt, was dem Material garnicht eigen ist.
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Das habe ich auch so vermutet. Ich sehe da Parallelen zum Schreiben, was die Beherrschung der Technik angeht 🤔
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Ganz sicher.
Man schreibt gewöhnlich einfach so ins Blaue. Vom Schriftsteller erwarte man schon eine gehöriges Verständnis von Sprache.
Schauspielerei: Da gibt es himmelsschreiende Unterschiede.
Von Güner Lamprecht, der in diesem Jahr verstorben ist, habe ich Szenen in Erinnerung: Wie er sich SCHWER auf einen Stuhl setzt, in einer Szene. Oder wie er gierig eine Flasche Schnaps ansetzt in „Rückfälle“.
Wenn ich dann manchmal vielbeschäftigte Schauspieler sehe, wie die gelegentlich Szenen spielen, dann denke ich: Technik! Und diese muß ad hoch verfügbar sein, sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen sein.
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Ja. Und wenn es richtig gut ist, dann fällt es nicht weiter auf, weil es so natürlich ist.
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Genau! Es fällt nicht weiters auf. Solche Technik ist sparsam und nicht plakativ. Gerade das Plakative (und damit „Laute“) stört mich manchmal.
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Da bin ich total bei dir.
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Vielleicht ist er ja Handwerker. Es wird ja nichts über ihn gesagt, außer dass alle anderen ihn für einen Tunichtgut halten…vielleicht weil er keiner geregelten Arbeit nachgeht…
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Dann verdient er mit seinen Fertigkeiten offenbar kein Geld.
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Vielleicht schon. Doch wenn ihm sein Leben mehr Wert ist als reich zu werden, indem er nur schuftet, dann wird er wahrscheinlich abgestempelt als faul und nutzlos.
Ist das nicht so in unserer Gesellschaft?
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Oh, was für eine Frage! Buuh.
Man sucht das Gleichgewicht: Gut leben zu können und gleichzeitig Teil der Gesellschaft zu sein. Jeder sucht sein persönliches Gleichgewicht.
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Das ist auch eine Frage des Umfeldes, welcher Lifestyle von dir erwartet wird. Und wohin man sich sortiert, darauf hat man schon einen gewissen Einfluss. 🤔
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Vielleicht ist es genau die richtige Mischung aus beidem, die Tim in seiner Arbeit so beflügelt. 🙂
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Beides, sicher! Man ist beflügelt, wenn man etwas aus dem Herzen schöpfen kann…
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Das hast du sehr schön poetisch formuliert.
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Holzschnitzen kann das schwarze Schaf der Familie? Vielleicht ist er der Künstler unter den Geschwistern, die ihm nichts zutrauen 😇
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Ich wünsche ihm, dass ihn jetzt alle in einem anderen Licht sehen, denn offensichtlich ist er ziemlich kompetent, wird aber nicht gewertschätzt … 🤔
Morgenkaffeegrüße ☁️🕯️☕🍪👍
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Was für ein toller Sohn und so unglaublich kreativ. Ich – als Mutter – würde mich wahnsinnig freuen…
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Ja, das ist eine der Geschichten, wo man eigentlich gern wüsste, wie sie weitergingen.
Vermutlich wird irgendein Depp „brotlose Kunst“ sagen. Aber hoffentlich freut sich die Mutter wirklich.
Danke dir!
Vormittagskaffeegrüße ☁️🕯️☕🍪👍
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Mütter freuen sich immer…
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Wenn du das sagst.
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Hahaha… naja… meistens
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Sie tun zumindest geschickter so…
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😉
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Ich habe wohl einen Hang zum Unvollendeten 😉
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Och … wie kommst du denn darauf??? 😎
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Ich denke, man könnte unendlich viele Texte darüber verfassen wie Mütter und Väter mit Geschenken, insbesondere mit selbstgebauten, umgehen.
Mein Vater hat bei jedem (gekauften)Geschenk nach dem Preis geguckt und Selbstgebautes als „Gebastelt“ weggestellt. Meine Mutter hatte einen ganzen Schrank voller verstaubter Dinge, über die sie sich total gefreut hat.
Ein weites Feld…
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Jepp, Menschen sind da ganz unterschiedlich. Aber Selbstgemachtes ist unbezahlbar, weil es Zeit gekostet hat
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Pingback: 29.11. – Eine Liebeserklärung der anderen Art | Adventüden — Irgendwas ist immer – Gedankenflut
Juhu meine Adventüde ist erschienen!!!
Vielen Dank für dieses Projekt! Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit stimmt es mich auch immer darauf ein, selbst wenn mir noch gar nicht danach ist …;)
Danke fürs Lesen und Kommentieren!
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Ich danke dir, dass du sie geschrieben hast und so unverbrüchlich bei den Etüden dabei bist! 🧡👍
Mittagskaffeegrüße ☁️🕯️☕🍪👍
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Sehr sehr gern!
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Auch wenn es nicht ganz perfekt geworden wäre: die persönliche Einstellung, etwas Eigenes zu schenken, bringt dem Beschenkten doch sicherlich mehr Freude und beiden Befriedigung.
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Einerseits: Ja, klar. Andererseits: Hast du schon mal „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“ um die Ohren gehauen bekommen? Es gibt genügend Leute, die so ticken.
Mittagskaffeegrüße ☁️🕯️☕🍪👍
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Ich aber nicht.
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Das hätte ich auch nicht geglaubt.
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Da hat Tim sich wirklich etwas Schönes ausgedacht, um seine Mutter und Familie zu überraschen. Gerade über selbstgemachte Dinge freut man sich doch meist besonders. Auch wenn Tim diesen Schwibbogen sozusagen mit „seinem eigenen Blut bezahlt“ hat. 😉
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Eine wunderschöne Etüde mit einer großartigen Idee!
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Das fand ich auch. Denn mit dieser einen Nacht ist das Thema ja noch lange nicht durch.
Mittagskaffeegrüße ☁️🕯️☕🍪👍
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Eine schöne weihnachtliche Geschichte.
Gefällt mir sehr.
LG, Nati
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Mir auch. Danke dir!
Nachmittagskaffeegrüße 🌧️🕯️☕🍪👍
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Kain kann ganz wunderbar schreiben. 🙂
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Meine Rede! 👍
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Liebsten Dank!
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Vielen Dank für deine Worte!Esfreut mich sehr!
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Sehr gerne und nur ehrlich.
Einen schönen Abend dir.
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Die beschriebene Schwibbogenform des Elbflorenzer Stollenkonfekts musste ich erstmal im Netz suchen, das ist schon ein beachtliches Vorhaben für einen, der spontan seine Kenntnisse im Werken wieder hervorkramt, aber die Selbstverständlichkeit der Beschreibung lässt keinen Zweifel am guten Ergebnis.
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Ich habe sie auch gesucht und dann das Vorhaben noch mehr gefeiert. Das schaut wie eine komplexe Sache aus, wenn man es richtig machen will 😉👍
Abendgrüße ☁️🕯️🍵🍪👍
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Auf jeden Fall ein kreativer Kopf, der nun eine gute Idee umsetzt!
Ich denke, es wird ihm gelingen, die ganze Familie in Ertaunen zu versetzen, die ihn bis jetzt nur belächelte und nicht besonders viel von ihm hielt.
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Ich hoffe mit dir, liebe Bruni. Aber du weißt, wer „anders“ ist, hat es oft schwer …
Herzliche Abendgrüße ☁️🕯️🍵🍪👍
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Oh ja 🙂
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Das ist etwas, dass ich an Weihnachten mag, es fördert nicht nur Konsum sondern auch Kreativität. Sieht man ja allein schon an den Adventüden. 😇
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Der Schönheitsfehler ist, dass die Adventüden ursprünglich keine Weihnachtsidee waren. Aber sie wachsen und haben sich etabliert, ich bin sehr zufrieden 😁👍
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Herrlich herrlich ich kenne das Fieber, in Gedanken an die zu Beschenkenden noch den Adventskalender fertigzukriegen auch wenn es rein rechnerisch zeitlich niemals mehr zu schaffen ist. Und ich kenne den Stolz und das große Glück, es geschafft zu haben. Und zwar für sich. Die besten Ideen kommen ja immer spontan und zu knapp und dann das Unmögliche möglich zu machen + Postlieferzeiten oder sonst irgendwelche Umstände. Ein AdventsWerk ist immer eine große Nummer. 24 ist eine konditionsfordernde Zahl. Und dann soll es als Ganzes und als Einzelnes Tägliches so sein, dass man es am liebsten behalten möchte und dann gibt man es von Herzen her. Ich liebe es – das große Gefühl all sein Talent, seine Liebe zum Tun so zu kanalisieren. Und ich tue s immer für mich.
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Ich glaube, du verstehst ihn richtig gut 😉👍
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Kain, ich liebe deine sanften Geschichten so sehr.
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Bei mir wäre der Keller und die Säge wohl eher in die Horrorrichtung abgedriftet… 😉
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Du hast dich ja erfreulich zurückgehalten 😉
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Ausnahmsweise. 😀
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Ich vermute ja, dass selbst du irgendwo sentimental bist … ich sags auch keinem weiter. 😎
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Da vermutest du nicht ganz falsch. 🙂
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