Von Zweisamkeit. Irgendwie

Eine Ehe

Sie konnten sich nie leiden
Und wurden doch ein Paar.
Sie dachten täglich ans Scheiden
Durch fünfundzwanzig Jahr.

Sie haßt ihn, der nicht minder
Von Schmähungen über sie strotzt.
Und beide haben neun Kinder
Einander abgetrotzt.

(Georg Bötticher, Eine Ehe, Online-Quelle)

Der Nachtschelm und das Siebenschwein
oder
Eine glückliche Ehe

Der Nachtschelm und das Siebenschwein,
die gingen eine Ehe ein,
o wehe!
Sie hatten dreizehn Kinder, und
davon war eins der Schluchtenhund,
zwei andre waren Rehe.

Das vierte war die Rabenmaus,
das fünfte war ein Schneck samt Haus,
o Wunder!
Das sechste war ein Käuzelein,
das siebte war ein Siebenschwein
und lebte in Burgunder.

Acht war ein Gürteltier nebst Gurt,
neun starb sofort nach der Geburt,
o wehe!
Von zehn bis dreizehn ist nicht klar; –
doch wie dem auch gewesen war,
es war eine glückliche Ehe!

(Christian Morgenstern, Der Nachtschelm und das Siebenschwein oder Eine glückliche Ehe, aus: Galgenlieder, 1932, Online-Quelle)

VERSÖHNUNG

Es ließe sich alles versöhnen,
Wenn keine Rechenkunst es will.
In einer schönen,
Ganz neuen und scheuen
Stunde spricht ein Bereuen
So mutig still.

Es kann ein ergreifend Gedicht
Werden, das kurze Leben,
Wenn ein Vergeben
Aus Frömmigkeit schlicht
Sein Innerstes spricht.

Zwei Liebende auseinandergerissen:
Gut wollen und einfach sein!
Wenn beide das wissen,
Kann ihr Dach wieder sein Dach sein
Und sein Kissen ihr Kissen.

(Joachim Ringelnatz, Versöhnung, aus: Flugzeuggedanken, 1929, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Und wieder: Normalerweise veröffentliche ich keine zwei Beiträge an einem Tag, damit sie sich untereinander keine Konkurrenz machen, speziell bei den Adventüden möchte ich das nicht. Aber weil mein Herz daran hängt, will ich euch so ganz ohne Gedicht(e) dann doch nicht in/durch die Woche entlassen.

Mir fiel es heute schwer, der schrägen Adventüde etwas zur Seite zu stellen. Ich hoffe, ihr lasst euch dennoch berühren, nachdenklich machen … und lächelt.

Hier geht es zur Adventüde von heute.

 

37 Kommentare zu “Von Zweisamkeit. Irgendwie

  1. „Acht war ein Gürteltier nebst Gurt“ … ich weiß nicht, warum mich das fröhlich macht, aber es tut es. Lyrik erfrischt, assoziiert und reinigt den verhangenen Blick, und das kann ich, schaue ich aus dem Fenster, sehr gut gebrauchen. Graues Einerlei. Aber der Kaffee ist heiß und das Gürteltier gurtet sich für eine weitere Woche an. Fröhliche Morgenkaffeegrüße!

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    • Ich habe mich das bei vielen Galgenliedern schon gefragt, wo denn da der tiefere Sinn ist, und bin meist nicht weitergekommen. Tatsache ist, dass mich die Aufzählung auch fröhlich macht. Kennst du/erinnerst du dich an: Wie sich das Galgenkind die Monatsnamen merkt? Hier lesen:

      Von Phantasie


      Morgenkaffeegrüße ❄️🌧️🪔☕🍪🎶

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  2. Interessant und muss ich es erst mal sacken lassen. Das Leben erzählt so viele Geschichten und manche sind wahr. Was wir aushalten und uns antun ist aus anderer Sicht eh noch einmal etwas ganz anderes. Danke Christiane, mal ein anderes Feld, interessantes Thema. LG Doro

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  3. Ich lache: Zweisamkeit „irgendwie“ mit neun bis dreizehn Kindern oder auch nur als Vergebungs-Wunschtraum. Irgendwie klappt es anscheinend nie so richtig. Ich hatte mit meinem „Paar“-Archetyp auch so meine Probleme

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    • Ich brauchte etwas zu der Adventüde, das ebenfalls leicht, äh, schräg ist … 😉
      Schlimm ist, wenn man gelernt hat, dass etwas „nur so“ sein darf, und alles andere ist „schlecht“ …
      Nachmittagskaffeegrüße mit Regen 🌧️🪔☕🍪🎶

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  4. Ich lächle immer noch, liebe Christiane.
    Danke dir für diese Gedichte – vor allem die beiden letzten haben es mir angetan.
    Und beim ersten wächst mir ein Kloß im Hals – das soll es ja in der Realität tatsächlich geben.
    Liebe Grüße zu dir
    Judith

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  5. Drum prüfe, wer sich ewig bindet … 😉 .
    Dass die Wahl zur heutigen Etüde schwierig war, glaube ich dir gern, aber du hast es wieder gut gemeistert.

    Abendteegrüße aus dem tauenden Brandenburg,
    Anna-Lena

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  6. Das erste von Ringelnatzens Vater?
    Dann hat er seinem Sohn aber ein trefflich dichtendes Erbe mitgegeben *g*, aber mir liegt der Morgenstern noch mehr heute abend am Herzen, er ist SO herrlich verrückt und irre verquer 🙂

    Liebe Grüße in die Nacht von Bruni

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