Von Waldeinsamkeit

[Waldeinsamkeit]

Waldeinsamkeit,
Die mich erfreut,
So morgen wie heut
In ewger Zeit,
O wie mich freut
Waldeinsamkeit.

Waldeinsamkeit
Wie liegst du weit!
O Dir gereut
Einst mit der Zeit.
Ach einzge Freud
Waldeinsamkeit!

Waldeinsamkeit
Mich wieder freut,
Mir geschieht kein Leid,
Hier wohnt kein Neid
Von neuem mich freut
Waldeinsamkeit.

(Ludwig Tieck, Waldeinsamkeit, in: Der blonde Eckbert (Kunstmärchen) (Wikipedia), 1797, aus: Volksmärchen, Online-Quelle)

[Waldeinsamkeit]

Waldeinsamkeit!
Du grünes Revier,
Wie liegt so weit
Die Welt von hier!
Schlaf nur, wie bald
Kommt der Abend schön,
Durch den stillen Wald
Die Quellen gehn,
Die Mutter Gottes wacht,
Mit ihrem Sternenkleid
Bedeckt sie dich sacht
In der Waldeinsamkeit,
Gute Nacht, gute Nacht! –

(Joseph von Eichendorff, Waldeinsamkeit, aus: Gedichte (1841), Online-Quelle)

[Waldeinsamkeit]

O zaubergrüne Waldeseinsamkeit,
Wo alte, dunkle Fichten stehn und träumen,
Wo klare Bächlein über Kiesel schäumen
In tief geheimer Abgeschiedenheit.

Nur Herdenglockenlaut von Zeit zu Zeit,
Und leises Säuseln oben in den Bäumen,
Dann wieder Schweigen wie in Tempelräumen,
O zaubergrüne Waldeseinsamkeit! –

Hier sinkt des Erdendaseins enge Schranke,
Es fühlt das Herz sich göttlicher und reiner,
Als könnt es tiefer schauen und verstehen.

Da löst sich manch unsterblicher Gedanke;
Woher das kommt, das ahnet selten einer, –
Es ist des Weltengeistes nahes Wehen.

(Hermann Allmers, Waldeinsamkeit, aus: Dichtungen, 1860, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Mein romantischer Ausflug hält an, heute in die Waldeinsamkeit, was dort ein häufig verwendeter literarischer Begriff war (Wikipedia). Heute begebe ich mich mit Herrn Tieck sogar in die Frühromantik, und siehe da, der Kontext dieses Gedichtes (das nicht als Gedicht konzipiert ist, sondern eine Zusammenstellung dreier Strophen darstellt, die einem seiner Kunstmärchen entnommen sind) ist sehr straight, reichlich erschreckend, höchst moralisch und lohnt das Lesen sehr, wie ich finde.

Kommt gut und gesund und heiter in und durch die neue Woche!

 

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38 Kommentare zu “Von Waldeinsamkeit

  1. Liebe Christiane, Ludwig Tieck hat mich abgeholt, ich habe dein weichen Boden unter meinen Füßen gespürt und die Nadeln gesehen, den mosigen Geruch in der Nase… Und wenn dann noch ein leiser Lichtschein durch die Bäume dringt…
    Ich wünsch Dir eine schöne Woche LG Doro

    Gefällt 2 Personen

    • Lies mal bitte das Märchen dazu, ich habe es unter dem Gedicht verlinkt …
      Hier hat es heute Nacht tatsächlich geschneit, nass, es taut vermutlich schon, aber sehr zauberhaft fürs Auge … Der Fellträger kam mit Schneeflocken im Pelz rein und murrte etwas von kalten Füßen 🧡🐅❄️
      Auch dir eine gute Woche!
      Morgenkaffeegrüße ⛅☁️☕🍪

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  2. Es wird nicht verwundern, dass mir als lyrisch nur mäßig vorgebildetem Menschen dieser Begriff zum ersten Mal begegnet. Es steckt aber viel Schönes drin. Insbesondere der Tieck hats mir heute angetan.

    Gefällt 1 Person

  3. Der Tieck hat mich Poesiebanausen auch gekriegt. Den Link für das Märchen habe ich mir für heute Abend gespeichert, wenn ich hoffentlich die Ruhe dafür finde. Jetzt erstmal muss ich den vollgepackten Tag hinter mich bringen. Dankeschön.
    Und da Fastenzeit ist, Grüße mit Kräutertee nach Hamburg.

    Gefällt 1 Person

    • Ach guck, das freut mich. Bin gespannt, was du sagst, ist ja nicht lang, das Märchen.
      Komm gut in und durch den Tag und die Woche, ob mit Kräutertee oder etwas anderem 🍵
      Vormittagskaffeegrüße zurück ⛅☕🍪

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  4. … aber nicht ohne GSM, und wenn man in eine Empfangsloch gerät, tüchtig fluchen…. 😉

    Aber recht haben sie, die Romantiker. Waldeinsamkeit ist schon was Großartiges, Erstrebenswertes, Herzöffnendes – nur darf man kein Angsthase sein. Ein heißer Glaube an die Mutter Gottes hilft gegen Nachtkälte und Einsamkeitsgefühle der anderen Art.

    Gefällt 1 Person

    • Herzöffnend, eben, unbedingt. Ja, das liebe Jesulein – oder die Mutter Maria, die vielleicht noch eher – hilft den Gläubigen gegen den Schrecken des Pan 😉
      Und es stimmt ja auch: Steh mal allein im Wald, ohne Orientierung 🌲🌳🌲🌲🌳, das kann auch was Archaisches haben …
      Vormittagskaffeegrüße nach nächtlichem Schneefall ☁️⛅🌨️☕🍪

      Gefällt 2 Personen

      • Es HAT was Archaisches. Und dem sind wir halt nicht mehr gewachsen. Da fehlen uns die Antennen, und so brauchen wir die künstlichen des GSM.
        Ich spüre diese Pan-ik ziemlich schnell, da brauche ich mich nur mal ein bisschen im Unterholz zu verlieren, schon meine ich zu stolpern. Lass dann noch ein Aas herumliegen – ja, das kommt hier oft vor, ein verendetes Schaf, ein Hund – , dann hoffe ich, bald eine rettende Asphaltstraße zu erreichen.

        Gefällt 2 Personen

      • Die Antennen sind verkümmert aufgrund von Nichtbenutzung. Und die meisten wissen auch gar nichts mehr mit dem Wald anzufangen, vielleicht noch Pilze sammeln. Und schwups hast du diese ganze esoterische Waldideologie – und auf der anderen Seite die Outdoorfreaks, oft Männer … 🤔
        Wir haben uns entfremdet, ich kann zwar diesbezüglich noch auf eine glückliche Kindheit verweisen, aber mehr auch nicht … 😏

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    • Ich war echt überrascht, wie hardcore das Märchen war, da war auch meine Vorstellung ganz anders. Wie sich die Vorstellungen von Wald über die Jahre gewandelt haben, ist schon krass.
      Abendgrüße 😉🍷🍪

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