Von Mut

Krokodile

Einst
war meine Seele ein Lämmchen.

Sie packten es,
schoren ihm gierig seinen weißen Flaum,
und auf sein rosiges Schnuffelschnäuzchen schlugen sie mit Knütteln.

Sein jämmerliches Weinen
rührte sie nicht.

Aus meinen Schwielen
wurden Schuppen.

Ich wuchs zum grünen Drachen mit langer Krokodilschnauze,
unter jedem Zahn eine Giftdrüse.

Ich beiße alle in den Bauch!

Sie weichen mir aus.

Ich bin böse, unchristlich und überhaupt ein Gemütsmensch.

(Rolf Wolfgang Martens, Krokodile, aus: Befreite Flügel, 1899, Online-Quelle)

Der Unterschied zwischen Kraft und Mut

Man braucht Kraft, um stark zu sein,
aber man muß Mut haben, um höflich zu sein.

Man braucht Kraft, um sich zu verteidigen,
aber man muß Mut haben, um Vertrauen zu haben.

Man braucht Kraft, um einen Kampf zu gewinnen,
aber man muß Mut haben, um sich zu ergeben.

Man braucht Kraft, um recht zu haben,
aber man muß Mut haben, um zu zweifeln.

Man braucht Kraft, um stabil zu bleiben,
aber man braucht Mut, um aufrichtig zu bleiben.

Man braucht Kraft, um seine eigenen Fehler zu verbergen,
aber man braucht Mut, um dieselben einzugestehen.

Man braucht Kraft, um das Unrecht zu ertragen,
aber man braucht Mut, um dasselbe zu beenden.

Man braucht Kraft, um alleine zu bleiben,
aber man braucht Mut, um Hilfe zu bitten.

Man braucht Kraft zum Lieben,
aber man braucht Mut, um geliebt zu werden.

Man braucht Kraft, um zu überleben,
aber man braucht Mut zum Leben.

(Berthold Auerbach, Der Unterschied zwischen Kraft und Mut, Online-Quelle, wer eine bessere hat, möge sie bitte nennen – laut Wikipedia (hier) hat Auerbach keine Gedichte geschrieben, und die Formulierung kommt mir sehr modern vor)



Quelle: Pixabay

Wie immer: Kommt gut, heil und gesund in und durch die neue Woche!

 

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34 Kommentare zu “Von Mut

  1. Vielen Dank für die Prise Poesie! Eine gute Woche auch dir. Die Frage, was ein Gedicht ist, wird wohl immer auftauchen. Vielleicht hab‘ ich es schon vorher geschrieben, aber irgendwo las ich eine aus völliger Verzweiflung geborene Definition, nach der ein Gedicht Worte sind, die auf einer Seite gedruckt wurden, aber links und rechts viel Platz zum Seitenrand habe. Noch heute lache ich, obwohl es plausibel ist – eine Definition, die heute aber nicht Layout-, Browser-, CSS-sicher ist 😀 Viele Grüße.

    Gefällt 6 Personen

  2. Kraft und Mut kann man beide gut gebrauchen, finde ich, doch die beiden einander vergleichend entgegenzustellen, macht auch Sinn. Nur eins versteh ich nicht: Wieso braucht es Mut, geliebt zu werden? Zu lieben, ja, das braucht Mut, aber geliebt zu werden ist ja nicht meine Leistung, zu der ich etwas beitragen kann.
    Eine wundervolle Woche dir! Gerda

    Gefällt 3 Personen

  3. KROKODILE fängt mich sofort ein und ich schwitze vor Mitleid mit dem kleinen Ding und seinem Schnuffelschnäutzchen und ich beginne zu einer Kämpferin zu werden um ihm zu helfen, es den Häschern zu entreißen.
    Ich verwandle mich und reiße meinen Rachen weit auf, um alle zu verschlingen, die sich vergreifen…

    Ich weiß genau, wieso ich weder Lamm noch Kalb esse. Es reicht schon, daß ich in anderen Fällen rückfällig werde, aber hier nie.

    Ein tolles Gedicht, denn das ist zweifelfrei eines.

    Mut und Kraft ist gut, aber um das Lämmchen muß ich mich kümmern…

    Ganz herzlich, Bruni am frühen Abend

    Gefällt 3 Personen

    • Ich habe in den letzten Wochen öfter an dich gedacht, als ich ein Buch las, das im Deutschen mit „Phosphoreszenz – Was dir in dunklen Zeiten Halt gibt“ (Julia Baird) betitelt ist. Ich hätte es wegen des Untertitels beinahe nicht ausgeliehen (Bücherhallen), und bin froh, dass ich es mitgenommen habe, denn es war ganz anders als erwartet 😉
      Nachmittagskaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪

      Gefällt 1 Person

    • Rolf Martens gehört zu den Dichtern um Arno Holz, der dir vielleicht etwas sagt.
      Und ja, so etwas in der Art habe ich auch gedacht.
      Mut und Kraft kann ich immer gebrauchen, danke – wer nicht?
      Nachmittagskaffeegrüße 🌤️🌼☕🍪

      Gefällt 1 Person

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