Von Schwalben

Schwalben

Schwalben, durch den Abend treibend,
leise rufend, hin und wieder,
kurze rasche Bogen schreibend,
goldne Schimmer im Gefieder –.

Oh, wie möcht’ ich dir sie zeigen,
diese sonnenroten Rücken!
Und der götterleichte Reigen
müsste dich wie mich entzücken.

(Christian Morgenstern, Schwalben, aus: Ein Sommer. Verse. S. Fischer, Berlin, 1900, Online-Quelle)

Die Schwalben schossen vorüber tief dir zu Füßen

Die Schwalben schossen vorüber tief dir zu Füßen,
Als sei ihr Flug ihr Zeichen tief dich zu grüßen.
Oft dünkten die Vögel am Himmel mich mehr klug
Wie mancher, den ich nach Wegen der Erde frug.
Schwalben, die früh bis spät in Freiheit schwammen,
Die halten sich in Liebe eng zusammen.
Sie bauen ihr Nest warm wie der Mensch sein Dach.
Sie fliegen von früh bis spät begeistert wach
Und eilen stets hurtig dem Weg ihres Herzens nach.

(Max Dauthendey, Die Schwalben schossen vorüber tief dir zu Füßen, aus: Lusamgärtlein, in: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 279)

Sonnenkraft

Und immer wieder sinkt der Winter
und immer wieder wird es Frühling
und immer immer wieder stehst du
und freust dich an dem ersten Grün,
und wenn die kleinen Veilchen blühn,
und immer wieder ist es schön
und macht es jung und macht es froh,
und ob du’s tausendmal gesehn:
wenn hoch in lauen blauen Lüften
die ersten Schwalben lustig zwitschern …
immer wieder … jedes Jahr …
sag, ist das nicht wunderbar?!

Diese stille Kraft der Seele:
immer neu sich aufzuringen
aus dem Banne trüber Winter,
aus dem Schatten grauer Nächte,
aus der Tiefe in die Höhe …
sag, ist das nicht wunderbar?!
diese stille Kraft der Seele,
immer wieder
sich zur Sonne zu befrein,
immer wieder stolz zu werden,
immer wieder froh zu sein?!

(Cäsar Flaischlen, Sonnenkraft, in: Ziel-entgegen, aus: Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens, Erstdruck 1900, Online-Quelle)

Schwalbensiciliane.

Zwei Mutterarme, die das Kindchen wiegen,
Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder.
Maitage, trautes Aneinanderschmiegen,
Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder.
Des Mannes Kampf: Sieg oder Unterliegen,
Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder.
Ein Sarg, auf den drei Handvoll Erde fliegen,
Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder.

(Detlev von Liliencron, Schwalbensiciliane, aus: Adjutantenritte und andere Gedichte, Leipzig, 1883, Online-Quelle)


Quelle: Pixabay

Ich konnte nicht widerstehen, auch wenn ich eigentlich Schwalben im Flug hätte haben wollen …

Kommt gut und heiter durch diese Woche!

 

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26 Kommentare zu “Von Schwalben

  1. Schöne Auswahl! Dass der Frühling alles zum Erwecken bringt, schwirrt und wird im Schwalbenflug umso deutlicher. Selbst hier. Fenster aus dem 5. Stock, über bedächerte Wiesen und zugestellte Himmel! Die Vögel fliegen! Gruß und weiterhin gute Genesung!

    Gefällt 3 Personen

    • Die Vögel fliegen und erobern die Welt. Der Fellträger belagert mich schnurrend und schaut aus dem Fenster nach seinem Lieblingsärgernis: Eichhörnchen oder eine sehr frühe Amsel … 🐿️
      Danke für die guten Wünsche!
      Morgenkaffeegrüße 🌤️🌱🌼☕🍪

      Gefällt 3 Personen

      • Ha! Unser Kalle kann sich auch immer sehr laut und ausdauernd über die Eichhörnchen echauffieren. Dann steht er draußen unter der Tanne, legt den Kopf in den Nacken und bellt aus Leibeskräften, während das Hörnchen vermutlich oben im Baum sitzt und den bedauernswerten Tropf auslacht, der nicht hinter ihm her klettern kann😂

        Gefällt 1 Person

      • Ich bin sicher, dass vor ein paar Jahren noch die Eichhörnchen 🐿️ versucht haben, meinen Fellträger auf den Baum zu locken, um ihn dort auszutricksen 😎. Inzwischen hat er kapiert, dass er sie nicht kriegt, bleibt am Boden und schnattert ihnen höchstens aufgebracht hinterher.
        Die sind so gemein, die Biester! 😁
        Mittagskaffeegrüße 🌤️🌱🌼☕🍪

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  2. Morgenstern hat recht, so ein flug kann entzücken.
    Ein Schmetterlingsexperte an der Uni meinte mal zu einem seltenen Falter: „Wer ihn hat fliegen sehn…“
    Da dieser Falter am aussterben ist, kann es sein dass er verschwindet.
    Der Experte meinte wohl mit seiner Anmerkung : Was ist solch ein besonderes Fliegen wert?! Hat es Relevanz? Wohl kaum.

    Gefällt 1 Person

    • Bei dem Foto hätte ich auch nicht widerstehen können.
      Das sind sehr schöne Schwalbengedichte. Ich habe beim Lesen festgestellt, dass ich mit eigentlich nie Gedanken über sie mache.🤔
      Liebe Mittagsgrüsse zu Dir, B.☕️

      Gefällt 2 Personen

      • Ich gestehe, dass ich erstaunt war, als ich bemerkt habe, durch wie viele Gedichte Schwalben huschen. Ich bin mit einem Schwalbennest im Schuppen aufgewachsen. Ich werde nie vergessen, wie oft wir den Kopf einziehen mussten, wenn sie Junge hatten und jeden vertreiben wollten, der sich ihnen näherte … 😉
        Nachmittagskaffeegrüße zurück 🌤️🌱🌼☕🍪

        Gefällt 2 Personen

  3. Als ich en Kind war, schliefen wir sommers auf dem Dachboden, auf Strohsäcken, denn die Zimmer darunter waren für die Sommergäste. Dies Schlafen unter dem Dach, an dessen Balken Schwalbennester klebten, war ein Hauptvergnügen. Durch die Lüftungsöffnungen flogen sie aus und ein, um die Jungen zu füttern. Die Kisten und Koffer waren mit Planen bedeckt und verschissen…
    Jetzt freue ich mich immer über die Schwalben in unserer Taverne, Momentan sind es sehr viele, die Kleinen sind schon tüchtig am Fliegen und Mückenschnappen.

    Gefällt 1 Person

    • Ach, wie wunderbar! Na ja, verschissen vielleicht nicht 😉
      Aber das mit den Schwalben in der Taverne ist toll, wie schön, dass es so viele sind und ihr offenbar keinen Insektenmangel habt.
      Morgengrüße noch ohne Kaffee, aber mit Fellträger 🌥️🦁🌱🌼

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  4. Du hast mit den Gedichten und dem Foto bei mir Kindheitserinnerungen wachgerufen. Die Schwalben gehörte anders als andere Vögel zum Haus und zum Leben. Ich weiß noch wie wir im Herbst am Verhalten der Tiere bemerkten, dass sie in den Tagen nach Süden aufbrechen würden Und wie groß war erst die Freude, wenn sie im nächsten Frühjahr zurückwaren.
    Ja, und dann natürlich die aufgesperrten Schnäbel der Jungen, genauso wie im Foto.
    Schöne Grüße zur Mitte der Woche, Joachim.

    Gefällt 1 Person

    • Ja, jedes Jahr eine große Freude: Die Schwalben sind wieder da! 🧡 Ich bin mit einem Schwalbennest im Schuppen aufgewachsen. Und ich kenne Frauen, die jedes Jahr die Ankunft der Mauersegler feiern. Ich kanns verstehen.
      Freut mich, dass du auch Schwalben-Kindheitserinnerungen hast und teilst! Vielen lieben Dank!
      Morgenkaffeegrüße 🌥️🦁☕🍪🌼

      Gefällt 1 Person

  5. Liebe Christiane, es liegt bestimmt an mir, dem Tag oder dem Wetter? Die Gedichte spüre ich nicht. Aber an Schwalben erinnere ich mich gerne. Schwalben waren früher die kleinen Hausbesetzer, die sich immer einen Platz an einer Hoftortür reservierten und dann wurde diese Tür den ganzen Sommer nicht mehr geöffnet. Irgendwann ging die Türe oben in die Knie und mein Schwiegervater hat den Schwalben einen Landeplatz angebracht – zu den gleichen Bedingungen. Es war jedes Jahr ein Erlebnis, wenn sie kamen, emsig ein und aus flogen, ihren Nachwuchs großzogen und alle weiterzogen. Danke für die schöne Erinnerung. LG Doro

    Gefällt 1 Person

    • Ich habe auch Tage, wo manche Gedichte mich nicht bzw. mehr als andere berühren, das ist bestimmt nicht dein Fehler. Schön ist, dass auch positive Schwalben-Kindheitserinnerungen hast, willkommen im Club! 😁
      Herzliche Spätnachmittagskaffeegrüße ☁️🌱🌼☕🍪

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  6. Mit den Gedichten kann ich, bis auf den Morgenstern, nicht so viel anfangen, vielleicht fehlt mir auch gerade die Ruhe dazu. Aber ich habe mich letztes Jahr gefreut, dass ich wieder Schwalben bei uns überm Grundstück fliegen gesehen habe. Ein paar Jahre waren kaum welche hier. Die Bauern geben ihre Höfe auf, Dielen werden zu Wohnräumen umgestaltet, was zwar hübsch aussieht, aber die Schwalben aus ihrem angestammten Wohnraum vertreibt. Dazu immer weniger Lehmpfützen, weil die Höfe komplett durchgepflastert sind.
    Umso schöner, wenn sich dann welche bei mir unter der Dachtraufe ihr Nest bauen, auch wenn das nicht so geschützt ist wie in einer Diele. Und Pfützen gibt es bei uns auf dem Hof nach wie vor.
    Das Foto mit den aufgerissenen Schnäbeln ist super!
    Liebe Grüße

    Gefällt 1 Person

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