Schwalben, durch den Abend treibend, leise rufend, hin und wieder, kurze rasche Bogen schreibend, goldne Schimmer im Gefieder –.
Oh, wie möcht’ ich dir sie zeigen, diese sonnenroten Rücken! Und der götterleichte Reigen müsste dich wie mich entzücken.
(Christian Morgenstern, Schwalben, aus: Ein Sommer. Verse. S. Fischer, Berlin, 1900, Online-Quelle)
Die Schwalben schossen vorüber tief dir zu Füßen
Die Schwalben schossen vorüber tief dir zu Füßen, Als sei ihr Flug ihr Zeichen tief dich zu grüßen. Oft dünkten die Vögel am Himmel mich mehr klug Wie mancher, den ich nach Wegen der Erde frug. Schwalben, die früh bis spät in Freiheit schwammen, Die halten sich in Liebe eng zusammen. Sie bauen ihr Nest warm wie der Mensch sein Dach. Sie fliegen von früh bis spät begeistert wach Und eilen stets hurtig dem Weg ihres Herzens nach.
(Max Dauthendey, Die Schwalben schossen vorüber tief dir zu Füßen, aus: Lusamgärtlein, in: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 279)
Sonnenkraft
Und immer wieder sinkt der Winter und immer wieder wird es Frühling und immer immer wieder stehst du und freust dich an dem ersten Grün, und wenn die kleinen Veilchen blühn, und immer wieder ist es schön und macht es jung und macht es froh, und ob du’s tausendmal gesehn: wenn hoch in lauen blauen Lüften die ersten Schwalben lustig zwitschern … immer wieder … jedes Jahr … sag, ist das nicht wunderbar?!
Diese stille Kraft der Seele: immer neu sich aufzuringen aus dem Banne trüber Winter, aus dem Schatten grauer Nächte, aus der Tiefe in die Höhe … sag, ist das nicht wunderbar?! diese stille Kraft der Seele, immer wieder sich zur Sonne zu befrein, immer wieder stolz zu werden, immer wieder froh zu sein?!
(Cäsar Flaischlen, Sonnenkraft, in: Ziel-entgegen, aus: Aus den Lehr- und Wanderjahren des Lebens, Erstdruck 1900, Online-Quelle)
Schwalbensiciliane.
Zwei Mutterarme, die das Kindchen wiegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Maitage, trautes Aneinanderschmiegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Des Mannes Kampf: Sieg oder Unterliegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder. Ein Sarg, auf den drei Handvoll Erde fliegen, Es jagt die Schwalbe weglang auf und nieder.
(Detlev von Liliencron, Schwalbensiciliane, aus: Adjutantenritte und andere Gedichte, Leipzig, 1883, Online-Quelle)
Der Kuckuck und der Esel, Die hatten einen Streit, Wer wohl am besten sänge Zur schönen Maienzeit
Der Kuckuck sprach: „Das kann ich!“ Und fing gleich an zu schrei’n. „Ich aber kann es besser!“ Fiel gleich der Esel ein.
Das klang so schön und lieblich, So schön von fern und nah; Sie sangen alle beide Kuckuck, Kuckuck, i-a, i-a! Kuckuck, Kuckuck, i-a!
(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Der Kuckuck und der Esel, 1835, Information, Online-Quelle)
Mai
Der Flieder am Tor dringt rötlich hervor, das himmlische Blau erduftet im Tau. Noch blendets vom Blühn, schon rieselt es grün und flimmert und bebt, von Licht überschwebt. O seliger Mai und morgen vorbei: ein trunkener Zug, ein blitzender Flug!
(Richard von Schaukal, Mai (?), o. A., Online-Quelle – bessere Quelle mit bibliografischen Angaben dringend erwünscht!)
Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum
Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum, Auf allen Bäumen flammen Blütenbrände, Unzählbar lacht der Kuckuck durch den Raum. Frag ich ihn bang nach meines Lebens Ende. Es blüht und lebt bis an der Erde Saum, Wird blühn und leben, singt er, ohne Wende, Als wäre Frühling nicht ein kurzer Traum. Auch du bist ewig! Spare nicht, verschwende!
(Ricarda Huch, Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum, aus: Herbstfeuer. Gedichte, Insel Verlag zu Leipzig 1944, Online-Quelle)
Und, schon den ersten Kuckuck gehört? Ich habe es noch nicht so weit von den Häusern weg geschafft, aber eigentlich müsste es doch langsam so weit sein, oder?
Kommt gut und heiter durch den Feiertag und die neue Woche!
Das ist die Drossel, die da schlägt, Der Frühling, der mein Herz bewegt; Ich fühle, die sich hold bezeigen, Die Geister aus der Erde steigen. Das Leben fließet wie ein Traum – Mir ist wie Blume, Blatt und Baum.
(Theodor Storm, April, aus: Gedichte (Ausgabe 1885), Erstes Buch, Online-Quelle)
[Alle tausend Jahre]
Alle tausend Jahre wachsen mir Flügel.
Alle tausend Jahre saust mein purpurner Drachenleib durch die Finsterniss.
In entseelte Himmel spei ich Myriaden Sterne!
Am Bach, unter Weiden, sitz ich dann, flechte mein langes Goldhaar, singe und freue mich, wie sie Oben glitzern.
Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß es kommen, all das Drängende und Blinde, vor dem wir glühen werden –: alles das. (Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.) O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.
Von irgendwo bringt dieser neue Wind, schwankend vom Tragen namenloser Dinge, über das Meer her was wir sind.
…. Wären wirs doch. So wären wir zuhaus. (Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.) Aber mit diesem Wind geht immer wieder das Schicksal riesig über uns hinaus
(Rainer Maria Rilke, Ein Frühlingswind, aus: Rilke, Die Gedichte. Insel Verlag, Frankfurt a.M. 1986. 1906 bis 1926. Vollendetes. Online-Quelle)
Durchs Fenster strömt der See zu mir herein, Der Himmel auch mit seinem Mondenschein. Die Wogen ziehen über mir dahin, Ich träume, daß ich längst gestorben bin. Ich liege auf dem Grunde alles Seins Und bin mit Kiesel, Hecht und Muschel eins.
Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung an der Wiesen aufgedecktes Grau. Kleine Wasser ändern die Betonung. Zärtlichkeiten, ungenau,
greifen nach der Erde aus dem Raum. Wege gehen weit ins Land und zeigens. Unvermutet siehst du seines Steigens Ausdruck in dem leeren Baum.
(Rainer Maria Rilke, Vorfrühling, In: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Muzot, etwa 20. Februar 1924), Online-Quelle)
Frühling.
Frühling. Ein erstes Blühen In zarten Frühen, Vom Himmelssaum Ein Stern noch schaut. Ein Lercheschlag Im stillen Raum, Weit vor Tag Und sonst kein Laut. O Liebe.
(Georg Heym, Frühling, aus: Frühwerk, in: Georg Heym, Dichtungen und Schriften, Gesamtausgabe, Band 1: Lyrik, Verlag Heinrich Ellermann 1964, Online-Quelle)
Vorfrühling
Leise tritt auf …
Nicht mehr in tiefem Schlaf, in leichtem Schlummer nur Liegt das Land: Und der Amsel Frühruf Spielt schon liebliche Morgenbilder ihm in den Traum.
Leise tritt auf …
(Ferdinand Avenarius, Vorfrühling, aus: Stimmen und Bilder. Neue Gedichte, 1898, Online-Quelle)
O wie ist es kalt geworden und so traurig öd und leer! Rauhe Winde wehn von Norden, und die Sonne scheint nicht mehr.
Auf die Berge möcht ich fliegen möchte sehn ein grünes Tal möcht in Gras und Blumen Liegen und mich freun am Sonnenstrahl.
Möchte hören die Schalmeien und der Herden Glockenklang Möchte freuen mich im Freien an der Vögel süßem Sang!
Schöner Frühling, komm doch wieder Lieber Frühling, komm doch bald Bring uns Blumen, Laub und Lieder schmücke wieder Feld und Wald
(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Sehnsucht nach dem Frühling, 1849, aus: Die Kinderwelt in Liedern, 1853, Online-Quelle)
Vorfrühling
Sieh da: Die Weide schon im Silberpelz, Die Birken glänzen, ob auch ohne Laub, In einem Lichte, das wie Frühling ist. Der blaue Himmel zeigt türkisenblau Ganz schmale Streifen, und ich weiß, das ist Des jungen Jahres erster Farbenklang, Die ferne Flöte der Beruhigung: Die Liebe hat die Flügel schon gespannt, Sie naht gelassenen Flügels himmelher, Bald wird die Erde bräutlich heiter sein.
Nun Herz, sei wach und halte dich bereit Dem holden Gaste, der mit Blumen kommt Und Liebe atmet, wie die Blume Duft. Sei wach und glaube: Liebe kommt zu dir, Wenn du nur recht ergeben und getrost Dich auftust wie ein Frühlingsblumenkelch.
(Otto Julius Bierbaum, Vorfrühling, aus: Das seidene Buch. Eine lyrische Damenspende, 1904, Online-Quelle)
Ich könnte mir vorstellen, dass einige von euch wie ich auch von der Rückkehr von Schnee und Frost überrascht worden sind. Schön, die drei Flocken hier kann man als Deko bezeichnen, aber wir hatten letzte Nacht doch (für diesen Winter) ganz anständig Frost, was den Fellträger wieder auf der Heizung festgetackert hat, nachdem er zuvor durchaus wieder bisschen frühlingslustiger geworden war. Na ja. Wird nicht lange bleiben, sagt die Wettervorhersage.
Ich auf jeden Fall habe das zum Anlass genommen, noch mal ein paar Fast-Wintergedichte herauszukramen, dieses Mal auch ältere, ich hatte plötzlich so sentimentale Anwandlungen.
Kommt gut und heil und warm in und durch die neue Woche – und erkältet euch nicht!
Kurze Vorrede zu einer langen Ballade: Zum zweiten Mal habe ich einen Ritter in misslicher Lage für euch. Stand beim letzten Mal besagter Ritter unfreiwillig unter dem Einfluss von Zauberei (hier klicken), so ist er diesmal aufgrund seiner Zugehörigkeit zum falschen Clan in die Bredouille geraten, und so fiktiv der verzauberte Ritter war, so historisch belegt ist dieser …
»Ich hab’ es getragen sieben Jahr Und ich kann es nicht tragen mehr, Wo immer die Welt am schönsten war, Da war sie öd’ und leer.
Ich will hintreten vor sein Gesicht In dieser Knechtsgestalt, Er kann meine Bitte versagen nicht, Ich bin ja worden alt.
Und trüg’ er noch den alten Groll, Frisch wie am ersten Tag, So komme, was da kommen soll, Und komme, was da mag.«
Graf Douglas spricht’s. Am Weg ein Stein Lud ihn zu harter Ruh, Er sah in Wald und Feld hinein, Die Augen fielen ihm zu.
Er trug einen Harnisch, rostig und schwer, Darüber ein Pilgerkleid – Da horch, vom Waldrand scholl es her. Wie von Hörnern und Jagdgeleit.
Und Kies und Staub aufwirbelte dicht, Her jagte Meut’ und Mann, Und ehe der Graf sich aufgericht’t, Waren Roß und Reiter heran.
König Jakob saß auf hohem Roß, Graf Douglas grüßte tief, Dem König das Blut in die Wange schoß, Der Douglas aber rief:
»König Jakob, schaue mich gnädig an Und höre mich in Geduld, Was meine Brüder dir angetan, Es war nicht meine Schuld.
Denk nicht an den alten Douglas-Neid, Der trotzig dich bekriegt, Denk lieber an deine Kinderzeit, Wo ich dich auf den Knien gewiegt.
Denk lieber zurück an Stirling-Schloß, Wo ich Spielzeug dir geschnitzt, Dich gehoben auf deines Vaters Roß Und Pfeile dir zugespitzt.
Denk lieber zurück an Linlithgow, An den See und den Vogelherd, Wo ich dich fischen und jagen froh Und schwimmen und springen gelehrt.
O denk an alles, was einsten war, Und sänftige deinen Sinn, Ich hab’ es gebüßet sieben Jahr, Daß ich ein Douglas bin.«
»Ich seh’ dich nicht, Graf Archibald, Ich hör’ deine Stimme nicht, Mir ist, als ob ein Rauschen im Wald Von alten Zeiten spricht.
Mir klingt das Rauschen süß und traut, Ich lausch’ ihm immer noch, Dazwischen aber klingt es laut: Er ist ein Douglas doch.
Ich seh’ dich nicht, ich höre dich nicht, Das ist alles, was ich kann, Ein Douglas vor meinem Angesicht Wär’ ein verlorener Mann.«
König Jakob gab seinem Roß den Sporn, Bergan ging jetzt sein Ritt, Graf Douglas faßte den Zügel vorn Und hielt mit dem Könige Schritt.
Der Weg war steil, und die Sonne stach, Und sein Panzerhemd war schwer, Doch ob er schier zusammenbrach, Er lief doch nebenher.
»König Jakob, ich war dein Seneschall, Ich will es nicht fürder sein, Ich will nur warten dein Roß im Stall Und ihm schütten die Körner ein.
Ich will ihm selber machen die Streu Und es tränken mit eig’ner Hand, Nur laß mich atmen wieder aufs neu Die Luft im Vaterland.
Und willst du nicht, so hab’ einen Mut, Und ich will es danken dir, Und zieh dein Schwert und triff mich gut Und laß mich sterben hier.«
König Jakob sprang herab vom Pferd, Hell leuchtete sein Gesicht, Aus der Scheide zog er sein breites Schwert, Aber fallen ließ er es nicht.
»Nimm’s hin, nimm’s hin und trag’ es neu Und bewache mir meine Ruh’, Der ist in tiefster Seele treu, Wer die Heimat liebt wie du.
Zu Roß, wir reiten nach Linlithgow, Und du reitest an meiner Seit’, Da wollen wir fischen und jagen froh, Als wie in alter Zeit.«
(Theodor Fontane, Archibald Douglas, entstanden 1854, aus (Erstdruck): Argo, Album für Kunst und Dichtung, 1857, Online-Quelle)
Stirling Castle, möchtet ihr in Rüstung diesen Berg hoch? Quelle: Pixabay
Schön und edel, die Ballade, oder? Ein demütiger Bittsteller und ein huldvoller König, wie man sie sich wünscht. Die Sache hat nur einen Haken: Die Personen sind zwar historisch, der Vorfall ist auch überliefert, nur nicht so.
Wir bewegen uns in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in England ist Heinrich VIII. an der Macht. Dieser ist der Onkel des erwähnten »König Jakob«, Jakob V. von Schottland. Jakob, geboren 1512, war erst 17 Monate alt, als er seinem Vater auf den Thron folgte.
1525 übernahm sein Stiefvater, ein Douglas, der 6. Earl of Angus, die Regentschaft über Schottland und hielt Jakob zur Durchsetzung seiner eigenen Machtansprüche praktisch wie einen Gefangenen, bis ihm seine Mutter 1528 zur Flucht verhalf. Der Douglas aus der Ballade, Archibald Douglas of Kilspindie (Kilspindie war eine Burg im Dorf Aberlady (Wikipedia)), war der Onkel des Earls und bekleidete nicht nur mehrere hohe Posten im Staat, sondern pflegte auch über Jahre ein gutes und enges Verhältnis zu dem jungen König, der ihn wohl auch für seine, heute würde man sagen, körperliche Fitness und Gewandtheit bewunderte (er war gut 35 Jahre älter). Als Jakob V. 1528 an die Macht gelangte, wurde jedoch der gesamte Douglas-Clan des Verrats angeklagt, ihre Ländereien fielen an die Krone, die Douglas flohen ins Exil und Jakob schwor ihnen ewige Feindschaft.
Der alternde Kilspindie (wenn die Daten stimmen, muss er Ende 50 gewesen sein) kam dennoch einige Jahre später zurück und näherte sich dem König im königlichen Park von Stirling. Der König erkannte ihn, ignorierte ihn aber und ritt den Hügel zum Schloss hinauf. Kilspindie, der unter seiner Kleidung ein Kettenhemd trug (sicher ist sicher), folgte ihm zu Fuß und kam erschöpft zur gleichen Zeit an, aber der König würdigte ihn keines Blickes und verschwand, Kilspindie blieb draußen. Obwohl er darum bat, wollte ihm keiner der Bediensteten etwas zu trinken geben, da der Hass des Königs auf den Namen Douglas allen bekannt war. Der König tadelte diese Unhöflichkeit später und erklärte, hätte er keinen Eid geschworen, dass kein Douglas ihm je wieder dienen solle, hätte er dessen Wunsch entsprochen. Kilspindie ging auf seinen Befehl hin nach Frankreich, wo er jedoch bald an gebrochenem Herzen starb. Sogar Heinrich VIII., ebenfalls nicht gerade für ein ausgeglichenes Temperament bekannt, wird zu dieser Sache mit einem Sprichwort zitiert: »A Kingְ’s face should give grace« – »Das Gesicht eines Königs sollte Gnade gewähren.«
Wie ist Fontane nun zu diesem Stoff gekommen? Hier berufe ich mich auf den überaus detaillierten, großartigen Kommentar in der Wikipedia (hier klicken), der besagt, dass es keinen Zweifel gibt, dass Fontane dazu Walter Scott gelesen hat (unklar ist, wann), zur Auswahl stehen jedoch zwei Bücher: »Minstrelsy of the Scottish border« (1802) (Text, Fußnote) und »Tales of a Grandfather Being the History of Scotland« (1830) (Text). Scott wiederum beruft sich auf David Hume of Godscroft: »The History of the House and Race of Douglas and Angus« (1643/44) (Text), der wiederum mit den Douglas verwandt war. Fontane wiederum war so ergriffen und beeindruckt von dem Stoff, dass er beschloss, das Ende abzuändern, auf dass sie ewig und in Freuden lebten. Er schreibt 1893 in einem Brief an Richard Maria Werner: »Diese kleine Douglas-Geschichte machte einen großen Eindruck auf mich, und da ich ganz der Ansicht von Heinrich dem Achten war, so modelte ich den Stoff in dem entsprechenden Sinne …« (Text, links oben)
Noch im Erscheinungsjahr (1857) schrieb Carl Loewe eine Vertonung der Ballade für Singstimme und Klavier (op. 128). Da das klassische Lied überhaupt nicht mein Fall ist, weise ich nur darauf hin, dass YT dazu einige Aufnahmen anbietet, z B. von Hermann Prey oder dem Wagnersänger Ferdinand Frantz.
Empfehlen möchte ich hingegen eine Aufnahme des gesprochenen Gedichts, vorgetragen von dem (wie so oft großartigen) Otto Sander. Wen es interessiert, der findet dort auch noch eine Aufnahme von Gert Westphal und Fritz Stavenhagen verlinkt. Ich vergleiche gern Interpretationen, vor allem, wenn alle Beteiligten wissen, was sie tun, aber hier gefällt mir Otto Sander am besten, weil er ohne sprachlichen Kanonendonner auskommt.
[Dieser Mann (das Bild im Video) heißt zwar auch Archibald Douglas, ist aber der oben bereits erwähnte 6. Earl of Angus, ein mit allen Wassern gewaschener schottischer Politiker höchsten Ranges.]
Kommt wie immer gut und heiter und gesund in und durch die neue Woche! Und wer sich von euch ins Karnevalsgetümmel stürzt: Viel Vergnügen, und lasst alle Viren und Bazillen draußen vor der Tür!
Achtung, Etüdenschreiber*innen: Die aktuelle Schreibeinladung lässt keine Pings mehr zu. Bitte verewigt euch UNBEDINGT mit dem Link zu eurer Etüde in den Kommentaren, sonst garantiere ich für nichts!
Meine vorherigen Balladentage finden sich in meiner Balladentag-Kategorie: BITTE HIER KLICKEN!
Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, Denn das Glück ist immer da.
(Johann Wolfgang von Goethe, Erinnerung, aus: Gedichte (Ausgabe letzter Hand, 1827), Online-Quelle)
Zuspruch.
Such’ nicht immer, was Dir fehle, Demuth fülle Deine Seele, Dank erfülle Dein Gemüth. Alle Blumen, alle Blümchen, Und darunter selbst ein Rühmchen, Haben auch für Dich geblüht!
Freude soll nimmer schweigen. Freude soll offen sich zeigen. Freude soll lachen, glänzen und singen. Freude soll danken ein Leben lang. Freude soll dir die Seele durchschauern. Freude soll weiterschwingen. Freude soll dauern Ein Leben lang.
Ach, Aufruf! Balladentag, nächste Woche Montag? Wer macht mit? Wie ist es mit euch, seid ihr dabei? Was ich damit meine, könnt ihr hier genauer nachlesen.
Kommt gut und heil und fröhlich in und durch die neue Woche!
Immer enger, leise, leise Ziehen sich die Lebenskreise, Schwindet hin, was prahlt und prunkt, Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben, Und ist nichts in Sicht geblieben, Als der letzte dunkle Punkt.
Ueber alle Gräber wächst zuletzt das Gras, Alle Wunden heilt die Zeit, ein Trost ist das, Wohl der schlechteste, den man dir kann ertheilen; Armes Herz, du willst nicht, daß die Wunden heilen. Etwas hast du noch, solang es schmerzlich brennt; Das Verschmerzte nur ist todt und abgetrennt.
(Friedrich Rückert, Ueber alle Gräber wächst zuletzt das Gras, aus: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, Frankfurt a. M. 1872, S. 153, Online-Quelle)
Tränen, Tränen, die aus mir brechen
Tränen, Tränen, die aus mir brechen. Mein Tod, Mohr, Träger meines Herzens, halte mich schräger, daß sie abfließen. Ich will sprechen.
Schwarzer, riesiger Herzhalter. Wenn ich auch spräche, glaubst du denn, daß das Schweigen bräche?
Wiege mich, Alter.
(Rainer Maria Rilke, Tränen, Tränen, die aus mir brechen, (Paris, Spätherbst 1913) aus: Rainer Maria Rilke, Gedichte 1906 bis 1926, Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte aus den mittleren bis späteren Jahren, Insel-Verlag 1953, S. 467)
Sieben Septillionen Jahre
Sieben Septillionen Jahre zählte ich die Meilensteine am Rande der Milchstrasse.
Sie endeten nicht.
Myriaden Aeonen versank ich in die Wunder eines einzigen Thautröpfchens.
Es erschlossen sich immer neue.
Mein Herz erzitterte!
Selig ins Moos streckte ich mich und wurde Erde.
Jetzt ranken Brombeeren über mir, auf einem sich wiegenden Schlehdornzweig zwitschert ein Rotkehlchen.
Aus meiner Brust springt fröhlich ein Quell, aus meinem Schädel wachsen Blumen.
(Arno Holz, Sieben Septillionen Jahre, aus: Phantasus, II. Heft, Berlin, 1899, Online-Quelle)
Ansprechende Gedichte zum Thema, die nicht oder weitgehend nicht christlich eingefärbt sind, sind eher selten für die Zeit, aus der man öffentlich zitieren darf. Nachdem ich letzte Woche auf eine Zusammenstellung von Trauersprüchen (mit überprüfter Autorenangabe, SELTEN) gestoßen bin (hier klicken), dachte ich, vielleicht mag diese Gedichte noch jemand außer mir.
Wie immer, kommt gut und warm und fröhlich in und durch die neue Woche!
Da draußen regnet es weit und breit. Es regnet graugraue Verlassenheit. Es plaudern tausend flüsternde Zungen. Es regnet tausend Erinnerungen. Der Regen Geschichten ums Fenster rauscht. Die Seele gern dem Regen lauscht.
Der Regen hält dich im Haus gefangen. Die Seele ist hinter ihm hergegangen. Die Insichgekehrte ist still erwacht, Im Regen sie weiteste Wege macht. Du sitzt mit stummem Gesicht am Fenster, Empfängst den Besuch der Regengespenster.
(Max Dauthendey, Regen weit und breit, aus: Gesammelte Werke, Bd. 2 „Aus fernen Ländern“, S. 588/589, Albert Langen, München 1925)
Erinnerung
Einmal vor manchem Jahre war ich ein Baum am Bergesrand, und meine Birkenhaare kämmte der Mond mit weißer Hand.
Hoch überm Abgrund hing ich windbewegt auf schroffem Stein, tanzende Wolken fing ich mir als vergänglich Spielzeug ein.
Fühlte nichts im Gemüte weder von Wonne noch Leid, rauschte, verwelkte, blühte; in meinem Schatten schlief die Zeit.
Mein sind die Jahre nicht die mir die Zeit genommen/ Mein sind die Jahre nicht/ die etwa möchten kommen Der Augenblick ist mein/ und nehm’ ich den in acht So ist der mein/ der Jahr und Ewigkeit gemacht.
(Andreas Gryphius, Betrachtung der Zeit, Epigramme. Das erste Buch, 1663, Online-Quelle)
Weß ist der Erdenraum? Des Fleißigen. Weß ist die Herrschaft? Des Verständigen. Weß sei die Macht? Wir wünschen alle, nur Des Gütigen, des Milden. Rach’ und Wuth Verzehrt sich selber. Der Friedselige Bleibt und errettet. Nur der Weisere Soll unser Vormund seyn. Die Kette ziemt Den Menschen nicht und minder noch das Schwert.
(Johann Gottfried von Herder, Weß ist der Erdenraum?, aus: Die Fremdlinge, in: Zerstreute Blätter, Sechste Sammlung, VII. Legenden, Neue Auflage 1820, Online-Quelle)
II.
Verlange nichts von irgendwem, laß jedermann sein Wesen, du bist von irgendwelcher Fehm zum Richter nicht erlesen.
Tu still dein Werk und gib der Welt allein von deinem Frieden, und hab dein Sach auf nichts gestellt und niemanden hienieden.
(Christian Morgenstern, Verlange nichts von irgendwem, aus: Wir fanden einen Pfad, 1914, Online-Quelle)
Es wird citiert hienieden …
Es wird citiert hienieden Ein Bild zum Ueberdruß: Von dem Faß der Danaiden Und dem Stein des Sysiphus.
Schafft endlich Beiden Frieden Durch freundlichen Beschluß: Verstopft das Faß der Danaiden Mit dem Stein des Sysiphus.
(Albert Roderich, 1846–1938, Schriftsteller und Aphoristiker, Es wird citiert hienieden, keine Quelle bekannt, möglicherweise aus den „Fliegenden Blättern“ oder „In Gedanken. Vers-Aphorismen“, Online-Quelle)
Als ich vor wenigen Tagen eher zufällig den ersten Gedichteintrag des letzten Jahres aufrief, stutzte ich, weil er „Vom Frieden“ hieß und mir das spontan doch bemerkenswert vorkam. Also, dachte ich mir, kann ich ihn auch noch einmal (verändert) wiederholen, denn ich finde den Gedanken, einem Übel ein anderes in den Rachen zu stopfen und damit beide zu erschlagen, immer noch reizvoll. Ich glaube allerdings noch weniger als letztes Jahr, dass es funktioniert. Und ach, Herder: Der Text spielt zu der Frühzeit der deutschen Christianisierung, da mal reinzulesen lohnt sich durchaus ;-), der steht hier also richtig außerhalb jedes Kontextes als frommer (wenn auch sehr nachvollziehbarer) Wunsch … Ja, Gerda, ich habe bei den Danaiden auch an dein Weltentheater denken müssen.
Auch in diesem Jahr: Kommt gut und gesund und heil in und durch die neue Woche!
Du weisst, wir bleiben einsam: du und ich, Wie Stämme, tief in Gold und Blau getaucht, Mit freien Kronen, die der Seewind streift; So nah, doch ganz gesondert, ewig zwei. Und zwischen beiden webt ein feines Licht Und Silberduft, der in den Zweigen spielt, Und dunkel rauscht die Sehnsucht her und hin.
(Paul Wertheimer, Seelen, aus: Neue Gedichte, 1904, Online-Quelle)
Terzinen III
Wir sind aus solchem Zeug, wie das zu Träumen, Und Träume schlagen so die Augen auf Wie kleine Kinder unter Kirschenbäumen,
Aus deren Krone den blaßgoldnen Lauf Der Vollmond anhebt durch die große Nacht. … Nicht anders tauchen unsre Träume auf,
Sind da und leben wie ein Kind, das lacht, Nicht minder groß im Auf- und Niederschweben Als Vollmond, aus Baumkronen aufgewacht,
Das Innerste ist offen ihrem Weben; Wie Geisterhände in versperrtem Raum Sind sie in uns und haben immer Leben.
Und drei sind Eins: ein Mensch, ein Ding, ein Traum.
(Hugo von Hofmannsthal, Terzinen über Vergänglichkeit III, aus: Die Gedichte (Ausgabe 1924), 1895, Online-Quelle)
Nachts in der träumenden Stille
Nachts in der träumenden Stille Kommen Gedanken gegangen, Nachts in der träumenden Stille Atmet, zittert ein Bangen, Nachts in der träumenden Stille, Ratlose quälende Fragen. Weit über alles Sagen Kommen Gedanken gegangen, Atmet, zittert ein Bangen Nachts in der träumenden Stille.
(Gustav Falke, Nachts in der träumenden Stille, aus: Tanz und Andacht. Gedichte, 1893, Online-Quelle)
Wünschelrute
Schläft ein Lied in allen Dingen, Die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, Triffst du nur das Zauberwort.
(Joseph von Eichendorff, Wünschelrute, erschienen 1838 im Deutschen Musenalmanach, aus: Gesammelte Werke. Band 1: Gedichte, Nachlese, Die Feier, 1962, Artikel Wikipedia, Online-Quelle)
Quelle: ichmeinerselbst, schon ziemlich lange her
Das, ihr Lieben, ist eine Ansammlung von Lieblingsgedichten, aus keinem anderen Grund als dem Jahresanfang. Ja, das eine oder andere könnte euch bekannt vorkommen, wenn ihr hier schon länger lest.
Ich habe Anfang Dezember bei so einem (englischsprachigen) Suchbild-Orakel mitgemacht (auf Twitter bei Ulli) (Die ersten vier Worte, du liest, werden dein Mantra für dein neues Jahr sein). Ihr kennt die, so eine wirre Ansammlung von Buchstaben, wo sich Wörter herauskristallisieren, wenn man länger hinschaut? Ich fand es passend, dass es ein englisches Suchbild war, weil mein Kopf dann anders tickt. Hier ist das Ergebnis: connection, strength, purpose, creation. Spontan nicht das, was ich erwartet und/oder typisch für mich gefunden hätte, aber ich fand es gerade deswegen sehr interessant. Nun denn.
Ich hoffe, ihr seid fröhlich ins neue Jahr gerutscht und kommt gut in und durch die erste Woche! 😉