Adventüden 2019. Ein Fazit.

Schön war’s, oder?! Als Allererstes möchte ich mich bei euch bedanken, die ihr mitgeschrieben habt, ohne euch wäre eh nichts gegangen, dann bei der Gruppe unermüdlich Lesender, Likender und Kommentierender – es ist so eine Freude, dass ihr immer wieder bei mir auftaucht!
Na klar, als Gruppe der Schreibenden sind wir ziemlich unterschiedlich und decken eine große Bandbreite ab. Diese Vielfalt wurde immer wieder genannt und hat mich, ehrlich gesagt, auch ein bisschen gewundert – ich kann doch nicht die Einzige sein, die überall liest, wo Etüden auftauchen? Zudem habe ich immer wieder darauf hingewiesen, dass jede*r weiß, dass die Vorweihnachtszeit und speziell Weihnachten für viele eine schlimme Belastung darstellen und dass sich das ruhig in den Adventüden niederschlagen darf.

Wirklich total geflasht haben mich aber dann die vielen Wortmeldungen, die alle in die Richtung gingen, dass ihr euch morgens beeilen / euch darauf freuen / extra früh in den Blog schauen würdet, um das aktuelle Türchen des Adventüden-Adventskalenders zu lesen. HERZLICHEN DANK!!! Das ist natürlich genau das, was ich hören will und auch brauche und geht runter wie, äh, Lebkuchen.

Ihr habt vielleicht schon im Sommer mitbekommen, dass ich zumindest gelegentlich gern in meine Statistiken schaue. Ich dachte, dass es euch vielleicht interessieren könnte, wie denn die Adventüden so „performt“ haben. Erwartet habe ich, dass die frühen Adventüden viele Klicks haben und die späten wenige, auch, weil es ja auf Weihnachten zuging und alle gefühlt in Hektik waren. Das bestätigte sich höchstens grob als Trend. Seht selbst, hier sind die Top 5 mit der Anzahl Aufrufe.

 

TOP 5 Adventüden 2019 | 365tageasatzadayScreenshot; anklicken macht groß!

 

TOP 1: Myriade, 13. Dezember
TOP 2: Veronika, 20. Dezember
TOP 3: Bettina, 3. Dezember
TOP 4: Petra, 5. Dezember
TOP 5: Tanja, 1. Dezember

 

Was lernen wir daraus? 😉

  1. Nachdenkliche Etüden sind ganz vorne mit dabei (TOP 2 und 3)
  2. Austria rules! (TOP 1 und 2)
  3. Kein Mann unter den TOP 5 (ja, schon gut, die Plätze 6 und 9 gehen an Herren, ja, schon gut, ich wollte unbedingt einen dritten Punkt).

Myriades Etüde ist die einzige mit über 200 Aufrufen, TOP 6 ist knapp unter 150, und nur eine einzige Adventüde ist unter 100 Aufrufen geblieben. Wenn jemand von euch Mitschreibenden seine Platzierung wissen will, gebe ich gern Auskunft.

 

Danke für das immer wiederkehrende Lob, ich würde mir „so eine Mühe machen“. Na ja. Entweder man macht so was ganz oder gar nicht, das ist jedenfalls meine Meinung. Mit ein bisschen Organisation lässt sich der wirklich nicht geringe Zeitaufwand ganz schön verteilen, so waren zum Beispiel ALLE Adventüden-Beiträge vor dem Erscheinen der ersten bereits vorgeplant, wozu auch gehörte, dass die Grafik mit den sich öffnenden Türchen fertig gebastelt und eingebunden war – ich zeige euch das unten als GIF, ich hoffe, auf euren Bildschirmen bewegt sich was.

Die öfter erwähnte Tatsache, dass ich alles, was nicht niet- und nagelfest war, kommentiert habe, berührt eines meiner ehernen Blogprinzipien: Wer hier was schreibt, bekommt eine Antwort. Besonders, wenn der Kommentar ein (sinnvoller) Satz ist und nicht das dritte, fünfte, zehnte Herzchen, Blümchen, Sternchen, Kätzchen auf die längst schon von mir beantwortete Frage, wie es mir denn geht, den Wunsch nach einem guten Tag etc.
Manche finden allerdings den Punkt zum Aufhören nicht, habe ich den Eindruck, wenn sie immer eine Antwort bekommen. Sehr simpel: Es ist mein Blog, daher habe ich hier das letzte Wort, ihr könnt also aufhören, ohne unhöflich zu sein 😉

Warum mache ich das? Wenn ich auf einem Blog bin und eine Anmerkung schreibe, dann freue ich mich, wenn der Bloginhaber mir persönlich antwortet, sei es auch noch so klein und mein Kommentar noch so bescheuert, denn dann fühle ich mich gesehen. Und wo ich mich gesehen fühle, da komme ich gern wieder. Logisch, oder? Das ist also eine Frage von Höflichkeit, klar, aber auch eine Frage von so was Abstraktem wie „Leserbindung“. Und ja, ich betrachte meinen Blog inzwischen zu einem großen Teil als den „Etüden-Blog“, dass ich mich dem Projekt verpflichtet fühle, sollte jedem*jeder inzwischen aufgefallen sein 😉
Ich war/bin wirklich happy, wenn/dass ihr euch in meiner Kommentarspalte zum Beitrag unterhalten habt/unterhaltet, konkret jetzt bei den Adventüden, weil ich dann endlich auch mal nur mitlesen konnte. Kommentieren frisst viel Zeit, ihr wisst das selbst. Ich freue mich sehr über die Diskussionen, die in meinen Kommentaren zustande kommen, und versuche auch, mich rauszuhalten, wenn ich definitiv nicht gemeint bin, wobei ich das im Eifer des Gefechts manchmal erst zu spät mitbekomme/mitbekommen habe, das gebe ich zu.

Was die meisten interessiert zu haben scheint ist die Frage, ob wir so was noch mal machen. Ja, gern. Ich möchte das Ganze erneut als Teil des Etüdensommerpausenintermezzos starten, denn damit habe ich dann tatsächlich genug Vorlaufzeit, dass es nicht allzusehr in Stress ausartet. Wir können die näheren Umstände gern im Sommer im Vorfeld diskutieren: Zeitrahmen (was ist, wenn jemand gern mitmachen will, aber z. B. aus Krankheitsgründen nicht kann), Anzahl bzw. möglicherweise Auswahl/Losen/Laufzeit verlängern (was machen wir, wenn jetzt zum Beispiel 30 Leute mitmachen? Der klassische Adventskalender läuft vom 1. Dezember bis zum 24., und danach brechen auch bei mir die Aufrufe ein, weil auch ich zu Weihnachten und zwischen den Jahren eigentlich null Lust auf Blog habe. Ich freue mich auf eure Gedanken zum Thema).

 

Coming up next: Am Sonntag geht es mit den regulären Etüden wieder los.

 

Adventskalender-GIF | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

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24 – Die Cookie-Oma | Adventüden

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Die Cookie-Oma (Christiane, Irgendwas ist immer)

 

»Und vergiss nicht, Oma Anne zu sagen, wie toll du ihre selbst gebackenen Plätzchen findest!«

Melanie verabscheute die obligatorischen Verwandtenbesuche über Weihnachten. Von wegen Weihnachtszauber: Am ersten Feiertag kamen ihre Eltern von weit, das war ehernes Gesetz. Mit einem Berg Geschenke (nun ja, danke) und Plätzchen, die selbstverständlich bei ihnen blieben. Als ob sie, Melanie, nicht backen könnte! Als ob über Weihnachten in dieser Familie jemals jemand Hunger gelitten hätte!

Ihr Sohn maß sie im Vorbeilaufen mit dem eisigen Blick des Spätpubertierenden. »Wenn ich entscheiden müsste, was ich den Vögeln im Garten hinstreue, dann wäre das ganz sicher nicht Oma Annes Gebäck«, tönte er.

Ach, wo war die Zeit geblieben, als dieses Kind mit einem Kuscheltier zufriedenzustellen gewesen war? Da werkelte sie Stunde um Stunde in der Küche, um ihre Lieben mit Naschereien verwöhnen zu können, und was tat dieser Banause? Erzählte ihr was von vegan und Nussallergie.
»Wenn überhaupt, dann hast du eine Nussunverträglichkeit«, hatte sie gekontert, »wäre ja auch kein Wunder, wenn man sich die Menge Nutella anschaut, die du so in dich hineinschaufelst!«

Okay.

So unflexibel wollte sie nicht sein, obwohl Großmutters Lebkuchen immer die besten bleiben würden. Online hatte sie bei einer COOKIE-OMA angesagte Plätzchenrezepte gefunden. Aber Bananen-Tonka-Plätzchen, Früchtetaler und Schokoladen-Orangen-Riegel? Himbeer-Kokos-Herzen? War das wirklich die Alternative?
Sie hatte diesem gehypten Zeug dann doch nicht getraut, frustriert ihren ewig gleichen Zimtsternen, Vanillekipferl und Spitzbuben den Vorzug gegeben und sich ein wenig für ihre Feigheit geschämt.

Draußen hupte es. Bestimmt die Eltern.

Zwanzig Minuten später starrte sie fassungslos auf die mitgebrachten Weihnachtsplätzchen.

»Ich habe ein neues Projekt«, verkündete ihre Mutter fröhlich. »Seit Carl im Ruhestand ist, beschäftigen wir uns nämlich mit gesunder Ernährung! Vor Weihnachten fand ich Backen passend. Auf Instagram heiße ich übrigens ›Cookie-Oma‹, toll, nicht? Kind? Du sagst ja gar nichts? Ist dir nicht gut?«

 

Adventüden 2019 24 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

Ich möchte mich bei euch bedanken. Bei den Schreibenden der Adventüden natürlich zuerst, aber ebenso bei allen, die jeden (oder fast jeden) Tag vorbeigekommen sind, die gelesen, gelikt und vor allem kommentiert und sich eingebracht haben, und die mir damit gezeigt haben, dass ihnen die Etüden etwas bedeuten – und die Arbeit, die ich hineinstecke. Das bedeutet mir etwas.
Mir ist schon klar, dass einige von euch bereits in der Weihnachtspause sind, aber vielleicht lest ihr es ja trotzdem. Danke.

 

FROHE TAGE EUCH ALLEN, ob ihr feiert oder nicht!

 

Dieser Blog geht heute irgendwann ebenfalls in den Feiertagsmodus: Er schließt nicht, aber ich lasse ihn liegen, bis ich Lust habe, mich darum zu kümmern … Habt eine gute Zeit und passt auf euch auf!

Oh, und wenn ihr morgen Zeit habt: Elke hat mir eine Nachzügler-Etüde versprochen, und ich freue mich schon darauf. Also schaut rein!

Coming up next: Auf jeden Fall ein Adventüden-Resümee, aber wann ist noch nicht sicher.

 

UPDATE: Elke hat eine Nachzügler-Etüde eingereicht und auf mein Bitten erst heute (25.12.) veröffentlicht. Wer also noch nicht genug „Adventüden“ gelesen hat, der findet sie hier:

https://transsilabia.wordpress.com/2019/12/25/nachhaltigkeitsmarkt/

Es lohnt sich!

 

Falls wen die Lust packen sollte … die Rezepte. Achtung, ich habe keins davon selbst ausprobiert! Und nein, das ist keine (unbezahlte) Werbung für die Zeitschrift, die hatten nur die schönsten Fotos.

 

Bananen-Tonka-Plätzchen (vegan)

Früchtetaler (vegan)

Himbeer-Kokos-Herzen (vegan)

Schokoladen-Orangen-Riegel (vegan)

 

Spitzbuben

Vanillekipferl

Zimtsterne

 

23 – Dem Leben auf der Spur | Adventüden

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Dem Leben auf der Spur (Anna-Lena, Meine literarische Visitenkarte)

 

Er war weder blaublütig, noch hatte er goldene Löffel in die Wiege gelegt bekommen, und trotzdem war er ein Kind aus bestem Hause, ein Einzelkind, dessen Eltern es mit viel Kraft und Elan, aber auch mit einer gehörigen Portion Arbeit zu Wohlstand und Reichtum gebracht hatten.
Hunger, Durst und Entbehrungen jeglicher Art waren ihm fremd, er hatte alles in seinem bisherigen Leben bekommen, was er wollte, und doch war er nicht glücklich – bis jetzt.

Es war an einem heißen Sommertag südlich von Kreta. Die Party auf der kleinen Segeljacht war in vollem Gang, als er die verzweifelten Hilferufe der Frau hörte. Immer wieder hielt sie ein kleines Bündel aus dem Wasser. Kurz darauf waren beide verschwunden. Alkohol und Koks hatten seine Sinne getrübt, und auch die anderen bemerkten entweder gar nicht oder zu spät, dass eine verzweifelte Frau mit ihrem kleinen Kind von einem Flüchtlingsboot ins Wasser gefallen und abgetrieben worden war und nun um das nackte Leben kämpfte.
Voller Entsetzen erinnerte er sich daran, dass sie irgendwann beide nicht mehr auftauchten und im weitläufigen Massengrab des Mittelmeeres versunken waren. Diese bitteren Erfahrungen holten ihn als nächtliche Träume immer wieder ein.

Das war die Wende in seinem Leben. Er hatte begriffen, dass er so nicht weiterleben konnte und wollte. Nach unsäglichen Auseinandersetzungen mit seinen Eltern, die ihm bereits einen Studienplatz an einer Eliteuniversität in den Staaten besorgt hatten, zog er nach seinem Abitur durch die Länder Europas, immer wieder nach dem Sinn des Lebens suchend.

Und nun stand er hier in der Suppenküche in Berlin-Pankow und teilte eine heiße Kartoffelsuppe aus an alle, die mit frischen Schneeflocken auf ihren Haaren oder ihren Pudelmützen frierend in den adventlich geschmückten Raum kamen, gekennzeichnet von der bitteren Armut in ihrem Leben und doch lächelnd vor Dankbarkeit für diese Zuwendung.
Es war Weihnachten.

 

Adventüden 2019 23 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

22 – Bescherung | Adventüden

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Bescherung (Nina, Das Bodenlosz-Archiv)

 

Langsam erhitzt sich das Wasser im Kessel. In der Teekanne warten die dreizehn Kräuter.

Bald schon wird er auf dem Bärenfell vor dem Kamin liegen. Nackt und weich wie eine Jungratte. Sie hat eine Tanne aufgestellt, die bis zur Decke ragt, über und über besetzt mit Schneeflocken und Eiszapfen. Soll sie es im Wohnzimmer schneien lassen? Entzückend würde das Zimmer mit einer flauschigen Schneedecke aussehen. Aber er würde frieren. Lieber die Wände mit Zucker glasieren und ein ordentliches Feuer im Kamin prasseln lassen. Er wird Nussplätzchen knabbern und genüsslich über seinen straff gewölbten Bauch streichen.

Sie mag die Gefährten füllig. Da besteht kein Zweifel. Und wenn sie weiß, was sie will, stellt sich der Richtige ein.

Der Kessel pfeift. Sie gießt das sprudelnde Wasser über die Kräuter. Es riecht nach Zimt und Nelken, aber auch nach gefrorener Erde, Moos und Salz. Wie es sich zur Wintersonnenwende gehört. Schon ihre Urgroßmutter hat diesen Tee gebraut.

Sie schließt die Augen, trinkt und wünscht.

Es klopft an der Haustür. Sie öffnet. Die Steinwüste ist von Glatteis überzogen, aber das hat den neuen Gefährten nicht abgehalten. Er trägt eine grüne Pudelmütze und ein breites Lächeln im Gesicht.

Sie ist erfreut.

Woher die Gefährten kommen? Sie hat keine Ahnung. Vielleicht trägt sie der Sturm herbei. Sie wünscht nur und ihre Wünsche werden erfüllt.

Das ist der Weihnachtszauber und es geschieht alle Jahre wieder.

 

Adventüden 2019 22 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

21 – Nobby | Adventüden

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Nobby (Bernd, Red Skies over Paradise)

 

Die längste Nacht des Jahres bricht an – Wintersonnenwende.

Er hat sich auf seinen einigermaßen trockenen Schlafplatz auf dem Hauptfriedhof zurückgezogen; seine Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen sitzt er auf einem alten, zerfledderten Bärenfell, das er nach einem Flohmarkt im Müll gefunden hatte.

Er nennt den Friedhof liebevoll ›seine Steinwüste‹, weil die meisten Gräber auf seinem Weg anstatt mit Graberde nur noch mit diesen hässlichen, aber pflegeleichten Steinplatten bedeckt sind.

Man sieht ihm seine Armut an, seine Kleidung ist verschmutzt, teilweise eingerissen, zwischen Sohle und Schuh klafft ein Spalt, seine Haare sind fettig, sein Bart ist ungepflegt, Haare wachsen aus seinen Ohren.

Ein Herbststurm kündigt sich an, es regnete schon den ganzen Tag, die Temperatur soll kommende Nacht unter null Grad fallen, es wird morgen früh sicherlich Glatteis geben und Verkehrschaos.

Aus der Ferne, hinter der Mauer, dringt Hundegebell an sein Ohr, eine agile Jungratte huscht raschelnd durchs Laub unter den Schuppen.

Er hat Hunger und wickelt aus einer alten BILD-Zeitung einen viertel Laib Brot aus; er liest die Schlagzeile »Herbstdepression!« und denkt: »Dass ich nicht lache – Herbstdepression –, meine ist ganzjährig.«

Die ersten Schneeflocken wehen und er holt aus seiner Manteltasche eine Tüte Studentenfutter, die er heute Nachmittag auf dem Weihnachtsmarkt gefunden hat; die Nüsse sortiert er aus, »scheiß Nussallergie«, wirft sie in Richtung der Stelle, an der die Ratte verschwand.

Er holt den Campingkocher aus seiner blauen IKEA-Tasche, zündet nur mühsam die Flamme, gießt Mineralwasser in die alte Teekanne aus roter Keramik, kocht das Wasser langsam auf und lässt einen Teebeutel »Weihnachtszauber« darin ziehen.

Er legt sich hin, deckt sich mit allerlei Pappen zu, es wird ungemütlich sein bei diesem Sturm, sein Kopf liegt auf einem Riesen-Teddybären, den er vor Jahren einmal auf dem Rummel geschossen hatte; schmunzelnd schläft er ein, als er denkt ›Friedhof der Kuscheltiere‹.

 

Adventüden 2019 21 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

20 – Endlich wieder Weihnachten | Adventüden

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Endlich wieder Weihnachten (Veronika, Vro jongliert)

 

Die Klimakrise hatte ihren Höhepunkt überschritten. Die Temperaturen sanken seit Jahren beständig. Nicht, dass die letzten Überlebenden sich groß darum gekümmert hätten. Sie waren auch weiterhin beschäftigt mit Überleben. Die Herbststürme hatten längst die wenigen verschrumpelten Äpfel von den Bäumen gefegt.

Die Dorfkinder balgten sich um die kleinen holzigen Früchte. Schmal und ausgezehrt waren sie, ein Anblick des Jammers. Die Armut traf sie am härtesten. Das Winterfest rückte näher. Früher einmal hatte es Weihnachten geheißen. Aber an Götter glaubte niemand mehr, nur noch an Mutter Erde. Und die war eine rachsüchtige strenge Frau, die keine Fehler entschuldigte. Wer Fehler machte, überlebte nicht.

Eliza sehnte sich nach Weihnachten. Sie hatte so viele Geschichten gehört. Heuer würde sie ihre Familie überraschen. Schon seit Wochen jagte sie allen möglichen Schätzen nach. Klaute Nüsse, raufte wie wild um die Äpfelchen, sammelte ein bisschen Moos und riskierte, von den anderen Kindern deshalb scheel angesehen zu werden. Jedes Mal bedankte sie sich bei Mutter Erde und flehte sie an, sie nicht dafür zu bestrafen, weil sie die Sachen in einem geheimen Versteck bunkerte und nicht mit der Gemeinschaft teilte.

Wenn sie nur sicher wüsste, wann genau das Weihnachtsfest stattfand. Das musste sie noch herausfinden. Dann würde sie nachts in den Gemeinschaftsraum ihrer Familie schleichen und auf dem Tisch ein Moosnest machen. Darin würde sie all die Nüsse und Früchte stapeln. Ihr ganz persönliches Weihnachten. Da würden sie alle staunen: Mama und Papa und die großen Brüder und Schwestern. Sie, Eliza, die Kleinste und Schmächtigste unter ihnen, der sie immer voraussagten, sie würde nicht lange genug leben, um erwachsen zu werden, und die trotzdem Jahr für Jahr überlebte.

Als an jenem Wintermorgen dichte Wolken aufzogen und das erste Mal seit Jahrzehnten wieder Schneeflocken vom Himmel fielen, wusste Eliza, ihr Traum vom Weihnachtsfest würde in Erfüllung gehen.

 

Adventüden 2019 20 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

19 – Sieben Geister | Adventüden

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Sieben Geister (Katharina, Katha kritzelt)

 

Schneeflocken landen in Kinderlachen, tummeln sich um allgemeines Wohlbefinden. Die Bäuche sind voll, die Beine schwer. Je länger man läuft, desto freier fühlt man sich. Der Hund fährt mit seiner Nase Bahnen in den frisch gefallenen Schnee. Irgendjemand muss den Weg ja ebnen.

Zwölf, zwanzig, fünfzig, hundert, unendlich viel. Alles ist teuer. Das Geld klingelt laut und raschelt überall. Nur leise hört man den Magen einiger Geldbörsen grummeln. Auch dieses Jahr hat der Weihnachtsmann unterwegs Geschenke verloren.

Tick tock. Tick tock. Gleich kommt die Weihnachtsgala im Fernsehen. Die sieht sie jedes Jahr. Früher mit ihrem Mann. Sie schiebt das Fertiggericht mit Gans in die Mikrowelle. Es duftet chemisch und nach Rotkohl. Ein Ping erfüllt die leere Wohnung.

Das kleine Einhorn strahlt rosa, blau und gelb, als es genau im schummrigen Weihnachtsbaumlicht inspiziert wird. Sein Schweif glitzert und schwingt fröhlich hin und her. Eine kleine Dame drückt es an sich und quiekt vor Freude. Sie wird ihn überall hin mitnehmen. Auch in ihre erste eigene Wohnung.

Engumschlungen, liebend, zärtlich. Er streichelt ihre Wange. Sie küsst sanft seine Schulter. Sie liegen vor dem Kamin, eingerollt in das Bärenfell von seinem Großvater. Die Kerzen im Baum und das Feuer im Kamin leuchten nur halb so stark wie ihre Augen.

Leise rascheln seine grünen Nadeln. Seine Äste beben, geht man an ihm vorbei. Es riecht nach Wald, süßlich, herb. Leben. Sterben. Er ist entwurzelt und seine Tage sind gezählt. Draußen könnte er mit seinen Brüdern für eine grünere Welt sorgen, hier drinnen saugt nur jemand.

Sie reicht ihm die Vanillekipferl, er gibt ihr die Teekanne. Die Kindeskinder toben im Hintergrund. Die Kinder ermahnen, halb scherzend, halb erziehend. Sie verbrennt sich am heißen Tee, er krümelt seine Hose voll. Beide lächeln.

 

Adventüden 2019 19 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

18 – Nächtliche Gedanken | Adventüden

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Nächtliche Gedanken (Sabine, Wortgeflumselkritzelkram)

 

Heute Nacht treffen sich Weihnachtszauber und Wintersonnenwende, haben ein Stelldichein. Hundegebell höre ich von fern, Kinderlachen trifft mein Ohr.

Mein Gesicht recke ich in den Himmel, breite die Arme aus. Die Schneeflocken schmelzen auf meinen Augenlidern, rinnen herab.

Ich denke an Kaminfeuer und Bärenfell, bauchige Teekannen und Kerzenschein, wohlige Wärme. Ich höre Glockengeläut, rieche die Tannen, die am Waldesrand stehen.

Früher ließen wir uns fallen und warfen Engel in den Schnee.

Ein Gefühl von Frieden wird in mir wach.

Ich lausche, ich fühle – ich bin …

 

Adventüden 2019 18 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

17 – Auf das Leben! | Adventüden

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Auf das Leben! (Viola, viola-et-cetera)

 

Seit ich mit meiner Familie Weihnachten feiere, war kein Weihnachtsfest wie das andere. Meistens wurde im Familienkreis gefeiert. Manchmal waren auch Freunde der Familie dabei, die sich einsam fühlten. Und irgendwann mischte sich auch Hundegebell in die menschlichen Gespräche.

Traditionen gibt es nicht viele in meiner Familie. Das Zusammensein mit anderen ist wichtig. Nicht immer war das Fest harmonisch, vor allem Teenager-Viola hat alle deutlich wissen lassen, was sie davon hielt, ihr Bett eine Nacht der Oma überlassen zu müssen. Aber wir haben es zusammen durchgestanden. Weiße Weihnachten mit Glatteis und Schneeflocken waren genauso dabei wie grüne Weihnachtsfeiertage. Aber ausgefallen ist noch kein Weihnachtsfest, und das ist auch gut so, es hätte uns allen sehr gefehlt.

Leider mussten wir uns auch schon zwei Mal ganz kurz vor Heiligabend von Verwandten für immer verabschieden. Daraufhin hat meine Mutter den Brauch eingeführt, Weihnachten »auf das Leben« anzustoßen. Das beinhaltet Dankbarkeit, dass wir ein weiteres Mal im Kreise lieber Menschen feiern können, und es ist ein Gedenken an diejenigen, die nicht mehr dabei sind.

Mir hilft die Vorfreude auf Weihnachten immer aus der Herbstdepression, die sich gerne in mir ausbreitet, wenn die Tage kürzer werden. Geschenke müssen besorgt und eingepackt werden, Adventsgestecke verbreiten angenehmen Tannenduft, und oft steht abends eine Teekanne voll wohltuend warmem Gebräu auf dem Tisch. Und wenn der Weihnachtszauber vorbei ist und alles wieder in Dunkelheit und Matsch versinkt, kann ich mir einreden, dass die Wintersonnenwende schon vorbei ist und die Helligkeit wieder Einzug hält.

Euch allen frohe Feiertage, und feiert das Leben!

 

Adventüden 2019 17 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

16 – Die Eiligen Drei Könige | Adventüden

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Die Eiligen Drei Könige (Werner, Werner Kastens)

 

»Caspar?«

»Ja, Melchior, was ist?«

»Nimm endlich diese dämliche Pudelmütze ab! Wir sind doch die Drei Eiligen Könige und tragen Kronen!«

»Aber es ist doch nachts so kalt hier in der Steinwüste. Wenn die Sonne untergegangen ist, kühlt es sofort ab und ich friere an den Ohren!«

»Caspar, und wo bleibt eigentlich Balthasar? Warum ist er denn noch nicht zurück?«

»Der ist wieder einmal mit seinen Schnabelschuhen an einem Stein hängen geblieben. Dabei hat er die Teekanne umgestoßen. Jetzt muss er ihn neu aufbrühen! Und das dauert! Ich habe schon ganz klamme Hände.«

Melchior schüttelte den Kopf. Ihm wurde das Campieren mitten im Geröll der Jahrtausende auch langsam zu lang.

Er ermahnte Caspar, heute in dieser klaren Vollmondnacht besonders darauf zu achten, ob der in den alten Legenden angekündigte Stern auch tatsächlich aufgehen und ihnen den Weg zum Heiland zeigen würde.

»Und er wird tatsächlich von einer Jungfrau geboren?«, fragte Caspar unvermittelt.

»Ja, Maria soll sie heißen, und der sich als Vater ausgibt, Josef«, antwortete Melchior.

»Und wie sollen wir sie finden?«, fragte Balthasar mit dem Teekessel in der Hand.

»Gegen Ende des Jahres, so lautet die Prophezeiung«, antwortete Melchior. »Wenn im Abendland der weiße Schnee fällt! Was weiß ich, was damit gemeint ist. Lasst uns lieber etwas essen!«

»Ja, zum Tee gibt es heute von den neuen Navel-Apfelsinen«, frohlockte Balthasar. »Sehr lecker und keine Kerne mehr, auf denen man sich die Zähne ausbeißt.«

»Ich glaube wir sind schon im Gelobten Land. Wir müssen unsere Geschenke bereithalten!« Caspar sank plötzlich auf die Knie. »Da, zwischen den vielen Sternen glänzt der ganz helle, der uns führen soll! Ein Wunder ist geschehen!«

»Balthasar! Hast du wieder zu viel von dem Zaubertrank in den Tee gegeben? Ich habe es dir doch verboten!« Melchior war ganz außer sich. »Wie soll das nur enden?«

 

Die Heiligen Drei Könige für die Adventüden | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, gestiftet von Werner

 

Adventüden 2019 16 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

15 – Vorbereitet | Adventüden

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Vorbereitet (Natalie, Fundevogelnest)

 

»Ich taufe dich auf den Namen Géraldine«, spricht Alma zu dem bebenden Tierchen in ihren Händen. Früher hatte sie ein Buch gehabt, Géraldine und die Mauseflöte. Diese Maus spielte auf ihrem Schwanz Flöte und vertrieb mit dieser Musik anderen Mäusen im Winter den Hunger. Insofern war es ein Buch, das vorbereiten konnte, mindestens so nützlich wie der Selbstversorgergarten, und obendrein wäre es ein Geschenk für Brüderchen zur Wintersonnenwende, weil sie doch kein Weihnachten mehr feierten. Aber so leicht ließ Vater sich von Alma nicht aufs Glatteis führen: »Löse dich von solchem Tand«, grollte er, »sonst wirst du nicht vorbereitet sein.«

Tags darauf wollte er ihr, Agnes und Hermann das Schießen beibringen. Heimlich musste das sein, natürlich: »In Amerika darf ein Mann seine Kinder noch beschützen, in diesem Scheißland jedoch …«
Vater war das Rattennest in der Scheune gerade recht gekommen. Agnes gelang es tatsächlich, mit der illegal erworbenen, uralten Beretta ein Gemetzel unter den Jungratten anzurichten, Blut und Todesangstquieken überall. Dann war Hermann ohnmächtig geworden, Vaters Zorn übermächtig und Alma musste nicht schießen. Später hatte sie Géraldine, die Verwaiste, in einer angeschlagenen Teekanne gefunden.

Sie wusste, was ihre Eltern zu Géraldine sagen würden. »Unnützer Fresser. Wenn die Katastrophe kommt …«
Die schon ewig auf sich warten ließ. Alle Welt lümmelt sich im Herbststurm in geheizten Wohnungen vor coolen Tablets, einzig ihre Familie sitzt mit Pudelmützen in der eisigen Stube und bereitet sich vor. Bibellesend und Federn spleißend.

Allein Brüderchen darf Géraldine kennenlernen. Alma lehrt sie Kunststücke, Männchen machen, Pfötchen geben. Davon darf Brüderchen indes nichts wissen, auch nicht von der Packung Lebkuchen, die irgendein nachlässiger Mensch, der von der Katastrophe hinweggerafft werden würde, auf der Straße verloren hatte.

Sie wird Brüderchen einen fantastischen Weihnachtszauber bereiten, mit Lebkuchen, geklauten Kerzen, Abfallglitzer und der tollsten Rattenshow aller Zeiten.

Ihre Vorbereitung ist einwandfrei.

 

Adventüden 2019 15 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

 

14 – Auf der Jagd | Adventüden

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Auf der Jagd (Stepnwolf, Weltall. Erde. Mensch…und Ich.)

 

Das Kaminzimmer sah pittoresk aus. Zumindest aus dem Blickwinkel eines Jagdenthusiasten. Von den obligatorischen Jagdtrophäen und Wandgemälden über Vitrinen voller Pokale und Jagdflinten bis zum durchaus etwas überdimensionierten Bärenfell vor dem Steinkamin war dieser Raum vollends ein Jägertraum. Einzig die obere Galerie mit ihren unendlichen Bücherreihen widersprach diesem Bild ein wenig.
Und natürlich die wild im Zimmer verstreuten Leichenteile.

»Agent Luphes? Wir haben etwas gefunden.«
»Wo?«
»Auf der Veranda.«

Es hatte die ganze Nacht hindurch geschneit. Erst in den Morgenstunden ließ das Schneegestöber allmählich nach, bis nur noch vereinzelte Schneeflocken geschmeidig gen Boden rieselten, wo sie in einem Meer aus Weiß versanken. Das Dach der Veranda ragte weit hinaus, weshalb der Neuschnee gänzlich fehlte. Der Platz davor war mit Spuren übersät.

»Wir gehen anhand der Fußabdrücke von einer männlichen Person aus, circa eins neunzig groß und eher ein Leichtgewicht. Sieht nach Einbruch mit Todesfolge aus. Die zerfledderte Leiche könnte von den anderen Spuren herrühren.«

Agent Luphes’ Blick fiel auf ein Gewimmel wolfsähnlicher Abdrücke.

»Nach der übereilten Flucht des Täters hat sich anscheinend ein Wolfsrudel an dem noch frischen Fleisch satt gefressen. Wie pflegte mein alter Herr immer zu tönen: Ein Wolf ist kein Kuscheltier! Da kann man nur hoffen, dass der Baron zu diesem Zeitpunkt bereits tot war.«

Agent Luphes nippte am Kaffee. Ihrem ersten an diesem frühen Morgen. Sie ging zurück zum Tatort. Vorbei an abgetrennten Körperteilen. Erklomm die Leiter zur Galerie. Schaute über die Balustrade und sah, was sie längst vermutet hatte. Die Leichenteile waren mitnichten wahllos verstreut. Verband man alle miteinander, bildeten sie vielmehr einen Buchstaben. Ein W.

Das war definitiv kein Raubmord, ebenso wenig ein Rudel ausgehungerter Wölfe. Sondern eigentlich nur ein Wolf. Allerdings ein ganz spezielles Exemplar.

Agent Luphes wählte eine Nummer auf ihrem Handy. Ihre Lippen murmelten nur einen Satz:  »Mein Bruder ist zurück.«

 

Adventüden 2019 14 | 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, Bearbeitung von mir