WortSchatz: Korinthenkacker

Darüber spricht man nicht, und das macht es offensichtlich so anziehend: das Tabu, das das betrifft, was „hinten rauskommt“. Es scheint eine Binsenweisheit, dass Deutsche (Deutschsprachige) anal fluchen (und Witze reißen), und dass unsere Nachbarn um uns herum das nicht tun. (Kennt irgendwer eine Theorie, warum das bei uns Deutschen so ist?)

Eine wirklich schöne und immer wieder gern genommene Demonstration dieser unserer Witzekultur findet sich bei Jürgen von der Lippe („Wie Gott den Witz erfand“ aus seinem Buch „Beim Dehnen singe ich Balladen“). Ob man das Buch nun lesen muss, sei dahingestellt (ich finde das Hörbuch witzig), was ich allerdings mochte, war der Kommentar von Denis Scheck dazu, der sagte, die „forcierten Pipi-Kacka-Pointen“ seien „not my cup of tea“, sollte ihn allerdings demnächst ein Ausländer fragen, welches Buch er lesen soll, wenn er etwas vom deutschen Wesen begreifen möchte, würde er ihm dieses Buch schenken („Druckfrisch“ vom 08.02.2015, 3:16). Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Niederländer, die mit Krankheiten (ver-) fluchen, und dass sich mit Sex auch gut fluchen lässt, weiß der Deutschsprachige an sich auch aus den englischsprachigen Medien, seien es Film oder Musik.

Als mich also der „Korinthenkacker“ neugierig machte, fiel mir zuerst auf, dass ich das Wort viel plastischer finde als den gleichbedeutenden „Erbsenzähler“. Ja, nun, ich bin ohne jeden Zweifel deutsch, was das angeht. Da ich Neugier für eine Tugend halte, fing ich dann an herumzusuchen, ob die benannten Korinthen tatsächlich was mit Rosinen zu tun haben: Ja, haben sie. Korinthen, sagt die Wikipedia, „werden aus der Rebsorte Korinthiaki (‚Schwarze Korinthe‘; lat. Vitis vinifera apyrena) gewonnen. Sie sind ebenfalls kernlos, schwarzbraun bis schwarzblau, kleinbeerig und im Geschmack kräftiger. Die Korinthe wurde nach der griechischen Stadt Korinth benannt und ist eine seit dem 15. Jahrhundert im Deutschen nachweisbare Neubildung“ (Quelle). Man kann also vermutlich davon ausgehen, dass das Schimpfwort auch schon recht alt ist, denn kleinliche, pedantische Menschen hat es auch schon immer gegeben.

Der/die/das Wiktionary versorgte mich zusätzlich zu „pedantischer, kleinlicher, perfektionistischer und gleichzeitig auch rechthaberischer, altkluger Mensch“ (Quelle) mit der Information, dass es im Österreichischen dafür den Begriff „Krümelkacker“ gäbe, die Franken dazu „Dipferlasscheißer“ und die Schweizer „Tüpflischisser“ sagen würden. Da das offensichtlich eine Ähnlichkeit ist, die sich auf Optik bezieht, möchte ich schnell noch die Kurve zu dem überaus lesenswerten Buch „Darm mit Charme“ von Giulia Enders bekommen, die es mit ihrem locker-flockigen Stil tatsächlich schafft, ein tabubeladenes Thema (Verdauung und ihre Organe) zum Partygespräch zu machen UND dabei ein paar grundlegende Fakten zu vermitteln. Was mir zum Beispiel völlig neu war, ist die Existenz der Bristol-Stuhlformen-Skala.
Und wenn ich aus der meine Schlüsse ziehe, dann leiden Korinthenkacker an schwerer Verstopfung. Was, wie ich finde, wiederum passt.

 

Rosinen – 365tageasatzadayQuelle: Pixabay, und ich habe keine Ahnung, ob das Korinthen sind

 

Werbung

Schweineteuer – saublöd

Im Radio nervt ein Werbespot mit schweineteuer. Warum es denn wohl schweineteuer hieße, es solle doch viel eher tigerteuer heißen, Tiger seien doch viel wertvoller als Schweine. Während ich da nur die Augen rolle und das lieber unkommentiert lasse, fand ich die Frage nach dem Schwein plötzlich ganz interessant. Ich nun wieder, ich weiß.

Was macht denn das Schwein bei schweineteuer, beziehungsweise die Sau, denn ich erinnerte mich schnell, dass ich ja auch noch sauteuer kenne?

Gesucht und schnell gefunden war auch eine Antwort: gar nichts. Sau- bzw. schweine- (letzteres ist die norddeutsche Nebenform) sind sogenannte „Präfixoide“ (Sprachelemente, die nicht im ursprünglichen Wortsinn gebraucht werden, sondern der positiven/negativen Verstärkung dienen), sagt das Wiktionary (Quelle und Differenzierung).

Okay. Aber warum kam nun gerade das Schwein ins Spiel, die arme Sau? Die negative Verstärkung (z. B. saudoof, saugrob, Sauwetter) ist überaus bekannt, denn, wie die GfdS zum Thema sau- schreibt: „Das Schwein bzw. die Sau hat als Haustier seit Urzeiten den Menschen begleitet, und aufgrund seiner Lebensweise und seines Verhaltens wird es oft als Symbol für Unreinheit, Schmutz, Gestank, ja auch Größe und Plumpheit betrachtet“ (Quelle).
Für die positive Verstärkung sind Begriffe wie saugut und Sauglück bekannt. Und Sauglück hatte ich, als ich auf einen Eintrag stieß, dass im Mittelalter das Ass (die höchste Karte im deutschen Kartenspiel) als Daus bekannt war – und auf dieser Karte war häufig ein Schwein/eine Sau abgebildet! So häufig, dass sich Schwein/Sau als Name für diese Karte durchsetzte, und wer diese Karte ausspielen konnte, hatte Schwein beziehungsweise Sauglück, denn es war eine Stichkarte, die sogar den König stechen konnte (Quelle) und damit zum Gewinnen verhalf.

Wie/warum nun das Schwein auf die Karte gelangte, ist nicht belegt. „Die Bezeichnung Sau stellt möglicherweise eine Verballhornung des Wortes Daus dar, und die Abbildung eines Schweines auf den Spielkarten bedeutet lediglich eine bildliche Darstellung dieser etymologischen Entwicklung“ (Quelle). Aber wenn nun diese Karte Gewinn/Überfluss bedeutete, könnte ich mir zumindest vorstellen, dass die Sau, die als gebärfreudig und wertvoll hoch geschätzt war (Quelle), ihren Weg auf die Karte fand, noch dazu, falls es wirklich sprachliche Überlappungen zwischen Daus/Sau gab.

Habt also ganz viel Schwein heute!

Hausschwein mit Ferkeln – 365tageasatzadayQuelle: Pixabay

 

Kulturbeutel

… hier mein Rasierzeug | im Beutel aus Leinen.

(aus Günter Eich, Inventur, hier das gesamte Gedicht)

 

Ich rätsele an den 11 Fragen des geschätzten Herrn lz herum und bleibe schon bei der ersten hängen:
1• bestücke einen Koffer mit 11 Dingen für eine 11 tägige Reise.

Okay. Kleidung und … das, was man zur täglichen Hygiene, Pflege und optischen Verschönerungs- und Wartungszwecken so mit sich herumschleppt. Ich stocke. Ist es wirklich immer noch so, dass sich das dazugehörige Ding „Kulturbeutel“ schimpft? Passt also in Deutschland die Kultur in einen Beutel? Hm. KULTUR? Wikipedia klärt mich auf, „im Rheinland ist der ältere Ausdruck Necessaire oder Nessessär ([neße’ßä:r], von frz. nécessaire für ’notwendig‘) geläufig“. Was im Schriftdeutschen also schon Kultur, ist im Französischen noch „Notwendigkeit“. Hmhm.

Belegt ist der Begriff wohl seit Mitte des letzten Jahrhunderts. etymologie.info vermutet „Man wollte auch auf Reisen nicht auf ein Mindestmass an ‚verfeinerter Lebensweise‘ verzichten. […] Und so verstaute man die notwendigsten Pflegemittel und -werkzeuge in leichten Beuteln – dem Kulturbeutel.“

Ein Kulturbeutel ist also ein Zeichen für Körperkultur, lerne ich, und ich betätige mich demnach kulturell, wenn ich mich wasche. Aha. (Anthropologen/Ethnologen: bitte weiterlesen, es gibt hier nichts zu sehen.)

Nochmal etymologie.info: La culture c’est comme la confiture – moins on en a, plus on l’étale.
(Die Kultur ist wie Konfitüre – je weniger man hat, umso breiter streicht man sie aus.)

In diesem Sinne!

 

Kulturbeutel – 365tageasatzadayQuelle: Pixabay