Hellgrüner Kittel, grelles Licht, grüne OP-Maske. Ich liege auf dem OP-Tisch und der Doc sieht auf mich herab wie auf eine Amöbe.
»Tja, gute Frau, das mit der Lokalanästhesie, um die Stellschraube zu entfernen, war ja prinzipiell eine gute Idee, aber …«
Oh-oh. Das klingt nach Komplikationen. Ich erstarre bei dem Tonfall und der gerunzelten Stirn. Der Fluchtreflex übernimmt. Ich geh ja schon. Mit der Schraube. Gibt ja noch andere Krankenhäuser.
»… das sieht so aus, als ob die bei Ihnen über die Wochen so verwachsen ist, dass ich da wirklich so nicht rankomme. Vielleicht ist die Schraube sogar gebrochen, das konnte ich nicht erkennen. Dafür muss ich den Knöchel aufschneiden und würde Sie gern in eine Vollnarkose legen, damit Sie auch ganz sicher nichts mitbekommen. Keine Angst, Sie brauchen keinen neuen Termin, das können wir alles gleich integrieren, unser Anästhesist steht schon bereit.«
O nein! An was für einen Vollprofi bin ich denn da geraten? Kennt der Typ überhaupt meinen Namen? Hat der die richtigen Röntgenbilder? Zum Glück ist das Edding-Zeichen auf dem richtigen Bein!
Wenn ich schon mal hier bin, beruhige ich mich. »Ach bitte«, bettele ich, »können Sie es nicht doch versuchen?«
»Na gut«, seine Stimme klingt deutlich weniger leutselig als zuvor, »aber auf Ihre Verantwortung.«
Am liebsten will ich eigentlich nur weg, aber ich nicke. Das kann nicht gut gehen! Wie in Zeitlupe beobachte ich, dass Doktor Schrecklich nach einem großen Schraubendreher greift, ihn ansetzt und … es quiiiiiiiiiiiiiiiiiietscht. Wie altes, sprödes Metall. Wie Kreide auf einer Schultafel. Wie …
Ich fahre hoch. Es quiiiiiiiiiiiiiiiiiietscht. Wie scharrende Katzenpfoten an einer Fensterscheibe. Fahles Morgenlicht dringt herein. Draußen plumpst der Fellträger vom Fensterbrett und bewegt sich zur Tür. Ich schwinge die Beine aus dem Bett. Morgenroutine. Katze füttern, Katze kuscheln, hoffentlich gemeinsam ein bisschen eindösen.
Nur ein Albtraum.
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Für die abc.etüden, Wochen 19*20*21*22**2023: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende stammt von mir und meinem Blog Irgendwas ist immer. Sie lautet: Stellschraube, leutselig, integrieren.
Natürlich wollte ich zu meiner eigenen Wortspende etwas aus meinem aktuellen Leben beisteuern 😉. Meine Stellschraube ist draußen, und ich kann euch versichern, dass die Szenerie in NICHTS der oben beschriebenen ähnelte. Den Doc kannte ich bereits (und er mein Sprunggelenk), die OP-Schwestern waren jung, souverän und einfach nur großartig und das Prozedere zu keiner Zeit angsteinflößend. Ich war zum ersten Mal bei einer OP nicht in Narkose – und habe den Sichtschutz ein bisschen bedauert. Die Stellschraube durfte mich begleiten, sie glänzt und ist knapp 5 Zentimeter lang und wohnt in ihrem Döschen jetzt bei mir.
Katzenpfoten (die Fußballen) quietschen auf Fensterscheiben allerdings wirklich. Jedenfalls die von einem gewissen Fellträger.