Er war kurz davor, das persönlich zu nehmen. Da hatte er sich solche Mühe gegeben, ihnen etwas zu bieten! Für wen hatte er denn seinen altersschwachen Vorgänger verfrüht aus dem Rennen gedrängelt und das ganze Land mit frischem Grün überzogen? Und? Wo blieben sie? Undankbares Volk!
Er vermisste ihre blassen Gesichter: Die Spaziergänger, die Sonnenanbeter, die In-die-Luft-Gucker-und-Freuer, die Balkonsitzer, die ewigen Griller, die Eisesser, die Jogger, die Gassigeher, die Omas und Mütter mit kleinen Kindern, die Mittags-essen-Geher – Temperaturen fast egal, Hauptsache draußen? Kommt raus, ihr Gesundheitsapostel, tankt euer Vitamin D!
Er liebte sie alle, und er wusste, sie liebten ihn auch. Eigentlich.
Hatte er sich doch nicht genug ins Zeug gelegt, war das Gelb der Forsythien oder des Löwenzahns diesmal nicht strahlend genug? Selbst Osterglocken hatte er schon reichlich gestreut und sogar hier und da Magnolien versucht – und dafür war es eigentlich wirklich noch zu früh.
Als alles nicht zu helfen schien, hatte er tiefer in die Trickkiste gegriffen: Frost. Etwas erfrieren zu lassen, brachte die Leute immer zuverlässig nach draußen zum Jammern, vor allem die, die sonst wie bescheuert in ihren Gärten werkelten und allen möglichen Trends nachliefen, als ob sie sonst nichts Wichtigeres zu tun hätten.
Nichts. Also nicht komplett nichts, aber alles in allem lächerlich wenig.
Er schnaubte beleidigt, als er sich die leeren Parks besah. Schön, es hatte auch seine Vorteile, wenn man nicht so herumpowern musste, aber das sah bisher nach einem überaus merkwürdigen Jahr aus und er wusste noch nicht, ob er die Entwicklung begrüßen würde.
Quelle: Pixabay, bearbeitet von mir
Für die abc.etüden, Wochen 12/13.2020: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Worte stammen dieses Mal von Elke H. Speidel mit ihrem Blog Transworte auf Litera-Tour und lauten: Forsythien, lächerlich, erfrieren.
Hat vielleicht mal wer Mitleid mit dem armen Frühling?