Von Frost und Vorfrühling

Hoffnung

Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muss doch Frühling werden.

Und drängen die Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.

Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht
Kommt doch der Lenz gegangen.

Da wacht die Erde grünend auf,
Weiß nicht, wie ihr geschehen,
Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf
Und möchte vor Lust vergehen.

Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren
Und lässt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren.

Drum still! Und wie es frieren mag,
O Herz, gib dich zufrieden;
Es ist ein großer Maientag
Der ganzen Welt beschieden.

Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Als sei die Höll’ auf Erden,
Nur unverzagt auf Gott vertraut!
Es muss doch Frühling werden.

(Emanuel Geibel, Hoffnung, aus: Zeitstimmen, 1846, Online-Quelle)

Sehnsucht nach dem Frühling

O wie ist es kalt geworden
und so traurig öd und leer!
Rauhe Winde wehn von Norden,
und die Sonne scheint nicht mehr.

Auf die Berge möcht ich fliegen
möchte sehn ein grünes Tal
möcht in Gras und Blumen Liegen
und mich freun am Sonnenstrahl.

Möchte hören die Schalmeien
und der Herden Glockenklang
Möchte freuen mich im Freien
an der Vögel süßem Sang!

Schöner Frühling, komm doch wieder
Lieber Frühling, komm doch bald
Bring uns Blumen, Laub und Lieder
schmücke wieder Feld und Wald

(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Sehnsucht nach dem Frühling, 1849, aus: Die Kinderwelt in Liedern, 1853, Online-Quelle)

Vorfrühling

Sieh da: Die Weide schon im Silberpelz,
Die Birken glänzen, ob auch ohne Laub,
In einem Lichte, das wie Frühling ist.
Der blaue Himmel zeigt türkisenblau
Ganz schmale Streifen, und ich weiß, das ist
Des jungen Jahres erster Farbenklang,
Die ferne Flöte der Beruhigung:
Die Liebe hat die Flügel schon gespannt,
Sie naht gelassenen Flügels himmelher,
Bald wird die Erde bräutlich heiter sein.

Nun Herz, sei wach und halte dich bereit
Dem holden Gaste, der mit Blumen kommt
Und Liebe atmet, wie die Blume Duft.
Sei wach und glaube: Liebe kommt zu dir,
Wenn du nur recht ergeben und getrost
Dich auftust wie ein Frühlingsblumenkelch.

(Otto Julius Bierbaum, Vorfrühling, aus: Das seidene Buch. Eine lyrische Damenspende, 1904, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Ich könnte mir vorstellen, dass einige von euch wie ich auch von der Rückkehr von Schnee und Frost überrascht worden sind. Schön, die drei Flocken hier kann man als Deko bezeichnen, aber wir hatten letzte Nacht doch (für diesen Winter) ganz anständig Frost, was den Fellträger wieder auf der Heizung festgetackert hat, nachdem er zuvor durchaus wieder bisschen frühlingslustiger geworden war. Na ja. Wird nicht lange bleiben, sagt die Wettervorhersage.

Ich auf jeden Fall habe das zum Anlass genommen, noch mal ein paar Fast-Wintergedichte herauszukramen, dieses Mal auch ältere, ich hatte plötzlich so sentimentale Anwandlungen.

Kommt gut und heil und warm in und durch die neue Woche – und erkältet euch nicht!

 

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16.12. – Zeitenwende | Adventüden

Dunkelheit lag über der Stadt und vereinzelt versuchten Sterne, das schwarze Schweigen ein wenig zu erleuchten.

Das Dezemberdilemma bestand längst nicht mehr darin, die grellen Leuchtreklamen in den Schaufenstern zu ertragen oder die unzähligen Weihnachtsmärkte abzuklappern, um für alle das passende Weihnachtsgeschenk zu finden. Das »Süßer die Kassen nie klingeln …« gehörte in Deutschland inzwischen der Vergangenheit an.

In vielen privaten Gebäckdosen, sonst übervoll mit duftenden Weihnachtskeksen, herrschte eine Flaute. Das jährlich geplante Weihnachtsmenü mit fetter Weihnachtsgans, Kartoffelklößen sowie Grün- und Rotkohl als schmackhafte Beilagen war auf vielen Einkaufszetteln zu einem erschwinglichen Eintopf zusammengeschrumpft.

Geld und Güter des täglichen Bedarfes waren knapp geworden. Kriegsschauplätze, Umweltkatastrophen und Krankheiten forderten ihren Tribut und zwangen die Menschen zu einem gewaltigen Umdenken.

Tatjana und ihr Sohn Dima saßen auf dem zerschlissenen Sofa, kuschelten sich unter einer dicken Wolldecke aneinander, um einander zu wärmen. Ein halbes Jahr lebten sie nun in Deutschland, dem sinnlosen Krieg in der Heimat knapp entkommen. Den Kulturschock hatten sie gut überwunden, sie lernten fleißig und miteinander die deutsche Sprache. Sie waren überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Menschen in ihrer Nachbarschaft, die sie mit offenen Armen aufgenommen und mit allem, was sie zum Über-Leben brauchten, unterstützt hatten.

Tatjana hatte sich den Weihnachtsputz nicht nehmen lassen und die kleine Zweizimmerwohnung, eine Einliegerwohnung in einem brandenburgischen Dorf nahe der Berliner Stadtgrenze, mit duftenden Tannenzweigen aus dem Wald geschmückt.

Sie wartete sehnsüchtig auf Denys, ihren Mann, der eine Möglichkeit zur Flucht gefunden hatte, und betete, dass er bald kommen und seine kleine Familie zu Weihnachten in die Arme schließen konnte. Egal, wo auf der Welt, die Hauptsache war, dass sie wieder zusammen sein und miteinander leben konnten. Sie betrachtete die einzige Kerze auf dem kleinen Küchentisch. Am Weihnachtsabend würde sie brennen und mit dem Sternenglanz des Himmels wetteifern. Daran glaubte sie ganz fest.


Autor*in: Anna-Lena                    Blog: Meine literarische Visitenkarte

Anna-Lena kann sich momentan aus privaten Gründen nicht um ihren Blog kümmern. Das Leben hält sich nicht an Pläne, ihr kennt das sicher alle.


Adventüden 2022 16-12 | 365tageasatzaday

Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir

Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.

Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:

Adventskalender, Dezemberdilemma, Eintopf, Gebäckdose, Hefe, Lametta, Laubsäge, Liebeserklärung, Kreuzkümmel, Kulturschock, Sternenglanz, Sturz, Taschentuch, Tunichtgut, Weihnachtsputz.

Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2022, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.

 

Über Hoffnung

 

Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden jähen Bach des Lebens.
(Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1876 bis Sommer 1877, 23[119], Online-Quelle)

 

Kalender 2020 | 365tageasatzadayQuelle: ichmeinerselbst, aber so was von!

 

Wer regelmäßig bei mir mitliest, kennt meine Jahreskalender (2016, 2017, 2018, 2019). Jedes Jahr aufs Neue entsteht vor Weihnachten in mühevoller (aber geliebter) Kleinarbeit ein Kalenderposter, das im folgenden Jahr meine und (meist) die Türen weniger ausgewählter Mitmenschen verschönert. Auch das abgelaufene Jahr machte da keine Ausnahme. Wie im letzten Jahr bereits ist die Kalenderkachel weiß geblieben, weiß macht alles gefühlt bisschen leichter, vielleicht brauche ich das gerade.

Sollte ich irgendwem, der/die dies liest, bisher kein frohes gutes neues Jahr 2020 gewünscht haben, sei dies hiermit nachgeholt und nicht weniger herzlich gemeint.
Ich hoffe, ihr seid alle gut ins neue Jahr gekommen und habt die Zeit der Festlichkeiten einigermaßen unversehrt überstanden.

Glaubt mal nicht, dass ich schon wach wäre, dies ist ein vorgeplanter Beitrag.

Coming up next: Sonntag gehen die regulären Etüden wieder los, ich wollte es nur mal erwähnt haben.