Sie wollen mich interviewen, für Ihren Artikel »Weihnachtliche Arbeitsbedingungen«? Da sind Sie bei mir genau richtig. Sie meinen also, dass unsereiner ohnehin nur rund zwei Wochen im Jahr arbeite und es daher keinerlei Anlass zu Klagen geben könne? Sie haben ja nicht die leiseste Ahnung von unseren Arbeitsbedingungen!
Als ich noch ganz jung war und keinerlei Erfahrungen hatte, landete ich in einem privaten Haushalt und dachte, ich hätte Glück gehabt und würde ein Minimum an Geborgenheit vorfinden. Was für ein Irrtum! Ich hatte ja keine Ahnung, aus welchen Monstern dieser Haushalt bestand.
Während der Weihnachtsfeier selbst war es noch nicht so schlimm, denn zu diesem Zeitpunkt standen meine Kollegen und ich nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Aber ab dem nächsten Tag war die Schonfrist vorbei. Die Kinder – das ist so eine Art kleinerer Monster – taten mit unsereinem etwas, das sie »spielen« nannten. Es handelt sich dabei um Beschädigungen bis zum Tod. Nein, ich bin nicht zu dramatisch, genügend Opfer habe ich gesehen.
Dann gab es da die Mutter, die Erzeugerin der kleineren Monster. Offiziell aß sie keine Schokolade, aber nachts schlich sie zum Weihnachtsbaum, riss die essbaren Teile herunter und verschlang sie vor unseren Augen. Grauenhaft!
Der größte Schrecken aber war ein weiteres Familienmitglied, das anders aussah als die übrigen, aber ebenso todbringend war. Nach der ersten Begegnung hatte ich solche Angst, dass mein Glitzer speigrün wurde. Kein sehr erhebender Anblick. Dieses Wesen pflegte mit Körperteilen, die »Samtpfoten« genannt wurden, auf uns einzudreschen, dass uns Hören und Sehen verging. Die anderen Monster lachten dazu.
Nach diesem Arbeitsplatz musste ich mich sechs Monate lang in Behandlung begeben. Sie sehen, die zwei Wochen Arbeitszeit sind sehr relativ, wenn man bedenkt, dass wir an jedem einzelnen Tag Leib und Leben riskieren.
Deswegen bin ich heute auch Vorsitzende der Weihnachtsschmuckgewerkschaft, Abteilung Kugeln.
Autor*in: Myriade Blog: La parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.
Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:
Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck
Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.