Der Mond ist wie eine feurige Ros’
Der Mond geht groß aus dem Abend
Steht über dem Schloß und dem Gartentor
Und läßt sanft glühend die Erde los.
Der Mond ist wie eine feurige Ros’,
Die meine Liebste im Garten verlor.
Mein Schatten an den steinernen Wänden
Geht hinter mir wie ein dienender Mohr.
Ich werde den Mohren hinsenden,
Er hebe die Rose vorsichtig auf
Und bringe sie ihr in den dunklen Händen.
(Max Dauthendey, Der Mond ist wie eine feurige Ros’, aus: Insichversunkene Lieder im Laub, in: Gesammelte Gedichte und kleinere Versdichtungen, Albert Langen, München 1930, S. 312)
Mein Garten
Schön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen,
Den Blättern, die mit Silbersäuseln zittern,
Dem Diamantentau, den Wappengittern,
Dem Klang des Gong, bei dem die Löwen träumen,
Die ehernen, und den Topasmäandern
Und der Volière, wo die Reiher blinken,
Die niemals aus dem Silberbrunnen trinken …
So schön, ich sehn mich kaum nach jenem andern,
Dem andern Garten, wo ich früher war.
Ich weiß nicht wo … Ich rieche nur den Tau,
Den Tau, der früh an meinen Haaren hing,
Den Duft der Erde weiß ich, feucht und lau,
Wenn ich die weichen Beeren suchen ging …
In jenem Garten, wo ich früher war …
(Hugo von Hofmannsthal, Mein Garten, aus: Die Gedichte 1891–1898, Online-Quelle)
Archaïscher Torso Apollos
Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;
und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.
(Rainer Maria Rilke, Archaïscher Torso Apollos, aus: Der neuen Gedichte anderer Teil, 1918, Online-Quelle, Hintergrund)
Quelle: Pixabay
Kommt gut in und durch die neue Woche!
Update: Karin empfiehlt, sich den Rilke anzuhören, gelesen von Konstantin Wecker. Dem schließe ich mich gern an. Danke, Karin!