Weihnachten, das Fest der Liebe und des Fressens«, pflegte ihr Vater zu sagen.
Sie sehnte sich zurück in die Unbeschwertheit und Geborgenheit ihrer Kindheit. Diese schönste Zeit des Jahres, besinnlich, voller Überraschungen und Vorfreude, voller Glauben, Liebe, Hoffnung. Jahr für Jahr jagte sie diesen Erinnerungen nach. Sie einzufangen, sie noch einmal zu spüren, das wäre so schön.
Doch auch wenn mit jedem Jahr ihre Kekse perfekter wurden, der Weihnachtsschmuck im ganzen Haus Tannenduft verbreitete, ihre Sehnsucht nach dem Vergangenen erfüllte sich nie. Es war ihr nie wirklich gelungen, dieses Glück ihrer Kindheit zu reproduzieren oder anderen zu vermitteln. Dem Sohn nicht, dem Mann nicht, sich selbst nicht. Sie hatte die Partitur des Weihnachtsglücks verlegt.
Wo war das kleine Mädchen, das aufgeregt jeden Tag die Bilder im Adventskalender betrachtete? Wo das Mädchen, das den Kater auf dem Schoß, den Hund zu ihren Füßen in den Weihnachtsbaum blinzelte, bis die Lichter der Kerzen scheinbar in einen einzigen wunderschönen Stern aus Glitzer verschmolzen?
Sie blieb Vergangenheit. Und kein noch so leckerer Bratapfel, kein Marzipan, kein nach altem Rezept gemachter Kartoffelsalat konnten ihr das Gefühl von Frieden und Hoffnung, wiederbringen.
Weihnachten war mit jedem Jahr mehr zu einem Beamten geworden, der in seiner Aktentasche eine wachsende To-do-Liste mit sich führte:
Weihnachtsdeko – check,
Plätzchen backen – check,
Geschenke – check …
Wann war aus glitzernder Wärme drohendes, einsames Sturmwolkenblau geworden?
War es die Hektik im Job, die gerade zum Jahresende hin einen Höhepunkt erreichte: dringender Projektabschluss hier, Jahresplanung da? Waren es familiäre Probleme?
Nein. Es würde nie mehr so werden, einfach, weil sie selbst nicht mehr so war wie das kleine, vertrauens- und hoffnungsvolle Mädchen unterm Weihnachtsbaum.
Es wurde endlich Zeit, einen neuen Anfang zu finden.
Weihnachten: das Fest der Liebe? Ja!
Die wichtigste Frage ist aber nicht, wer dich liebt, sondern, wen du liebst.
Autor*in: Donka Blog: onlybatscanhang
Quelle: Pixabay, Bearbeitung von mir
Zum Thema Inhaltshinweise/CN/Triggerwarnungen in den Adventüden bitte hier lesen.
Nachdem viele Teilnehmer*innen und Leser*innen das Fetten der vorgegebenen Wörter als störend empfunden haben, wurde darauf verzichtet. In einem Text, der maximal 300 Wörter umfassen durfte, waren (mindestens) drei der folgenden fünfzehn Begriffe zu verwenden:
Aktentasche, Bratapfel, Doppelgänger, Eistee, Geborgenheit, Glitzer, Kartoffelsalat, Kekse, Kopfzerbrechen, Marzipan, Partitur, Schneeregen, Sehnsucht, Sturmwolkenblau, Weihnachtsschmuck
Dieser Text erschien zuerst im Rahmen der Adventüden 2021, einem Projekt von »Irgendwas ist immer«.