Von Wald (2)

Meer und Wald

Draußen das bewegte Meer,
Ruheloses Tosen, Schäumen,
Hier im Walde ringsumher
Tiefer Frieden unter Bäumen.

Liebst Du Kampf und Streiteslust,
Mußt Du an dem Strand verweilen,
Gram und Sorgen in der Brust
Werden in dem Wald verheilen.

(Otto Bauer, Meer und Wald, aus: Sommerfrische, Online-Quelle)

Tiere im Wald

Wald, wie betreuend
verhüllst du die Tiere
in deinem unendlichen
Rauschen und Schweigen.
Fern den Menschen
sind sie am schönsten.
Geheim im Blau.
Selten, daß dir ein Reh
am Waldrand scheulos begegnet.
Den runden Tierblick
in deine Menschenaugen taucht.
– Und ward es dir nicht
wie ein geisterhaftes Berühren,
Wink aus dem Zwischenreich,
deine Sehnsucht schmerzend –?

Tiere und Bäume
sind sinnvoll verschwistert,
teilen des Waldes Geheimnis.

(Francisca Stoecklin, Tiere im Wald, aus: Die singende Muschel, 1925, Online-Quelle)

Aus grüner Waldnacht

Aus grüner Waldnacht ruft Gegurr der Tauben
Bald nah bald fern. Der Sonne Lichter irren
Ins Blätterdunkel. Kleine Vögel schwirren
Durch das Geranke und die Hopfentrauben.

Die großen Spinnen wohnen in dem Farne.
Voll blauen Scheines glänzt ihr Netz wie Tau.
Sie gleiten schnell auf ihrem schwanken Bau,
Und weben enger ihre weißen Garne.

Ein hohler Baum, vom Donner einst gespaltet
Vergeßner Zeit. Doch grünt noch sein Geäst.
Im Laube wohnt ein Schwan, der auf das Nest
Den schwarzen Mantel seiner Schwingen faltet.

Der alte Waldgott schläft im hohlen Baum.
Die Flöte graut von Moos, die ihm entsank.
In seiner Hand verflog der dünne Trank
Der kleinen Rehe in dem langen Traum.

(Georg Trakl, Aus grüner Waldnacht / Der Wald, aus: Der Himmel Trauerspiel, in: Dichtungen, München 1922, Online-Quelle)



Quelle: Pixabay

Ich mache mir einen ziemlichen Kopf um euch, die ihr im Süden Deutschlands lebt, wo der Regen im Übermaß fällt (wie steht es eigentlich mit Österreich?). Ich hoffe, euch allen geht es gut, ihr seid ohne Schäden und/oder Beeinträchtigungen an Haus, Leib und Leben davongekommen, und eure Liebsten auch.

Kommt gut und fröhlich in und durch die neue Woche!

 

 

 

 

29 Kommentare zu “Von Wald (2)

  1. Schöne Kollektion, liebe Christiane.
    Dankeschön für deine Präsentation!
    Heute morgen regnet es nach zig Tagen Dauerregen im Ländle mal nicht mehr. Gottlob, die Sintflutzeit hört wohl endlich auf … lasst uns wieder die Sonne genießen, egal ob am Meer oder im Wald 🌈🌞🙏
    Herzliche Morgengrüße vom Lu

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  2. Otto Bauer stimme ich insofern zu, dass das Meer eine Unruhe hat, die mir, je nach Wind, schon einmal zu viel werden kann, aber mit Streiteslust hat das für mich nix zu tun, allerdings finde ich oft die beruhigende Wirkung im Wald.
    „Tiere und Bäume
    sind sinnvoll verschwistert,
    teilen des Waldes Geheimnis.“ – Francisca Stoecklin hat hier etwas gespürt, das man nun wissenschaftlich belegen kann – die Vernetzung der Bäume untereinander …
    Für Trakl sage ich einfach nur Dankeschön!
    Ja, ich sorge mich auch um die Menschen im Dauerregengebiet, habe hier und da schon nachgehakt und bin froh, dass sie trockene Füße und Häuser behalten haben, mein Mitgefühl ist bei denen, die es so arg getroffen hat.
    Ich wünsche dir und uns eine freundliche Woche, liebe Christiane!

    Gefällt 5 Personen

    • Guten Morgen, liebe Ulli, ich bin immer wieder fasziniert, wie sehr sich die Deutungen zu Meer unterscheiden. Vielleicht konnte dieser Otto Bauer die Unruhe nur als Streit überhöhen? Vielleicht war Streit für ihn gar nicht so negativ besetzt?
      Stoecklin ist mir da auch näher. „Sinnvoll verschwistert“, ist das nicht schön? 🧡
      Und Trakl ist immer wieder erstaunlich. Das ist übrigens ein Gedicht aus dem Nachlass.
      Auch dir eine freundliche Woche!
      Vormittagskaffeegrüße ☁️🌳🎶☕🍪

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  3. Den Trakl kannte ich nocht nicht, finde ihn faszinierend, meist sind mir seine Gedichte zu düster.
    Trotz Dauerregen – aber keine Massen – sind die Flüsse noch alle in ihren Betten, zwar voll bis oben – Überschwemmungen gibt es eher zum Bodensee hin. Ich warte so sehnsüchtig wieder auf die Sonne, meine Rosenpracht leidet auch langsam unter der Nässe.
    Montagsgruß zu Dir – morgen entscheidet sich, ob Toni am Wochenende nach Hause darf –
    Karin

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    • Trakl: Dann schau mal in den Link zur Quelle, liebe Karin, die ist echt umfangreich, das könntest du mögen.
      Der Fellträger und ich warten auch auf die Sonne, hier ist es trüb und kühl. Bisschen mehr dürfte gern sein. Wie gut, dass bei euch das Wasser abfließen kann und offenbar keinen Schaden angerichtet hat! 👍
      Und für das Wochenende drücke ich ganz fest die Daumen. Wäre das dann übers Wochenende oder das Ende der Reha? Alles Gute!
      Vormittagskaffeegrüße ☁️🌳🎶☕🍪

      Gefällt 2 Personen

  4. aus dem Nachlass? Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass es nicht fertig sei. Fasziniert war ich seinen Bildern gefolgt, aber am Ende zerbröselt es, hat noch nicht seine endgültige Form gefunden, wollte mir scheinen.
    Drei bemerkenswerte Gedichte, mir unbekannt. Danke.

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    • Ich weiß genau, was du meinst. Ja, Nachlass, schau mal in die Quelle, die ich angegeben habe, da findest du mehr Infos und mehr Gedichte.
      Stoecklin ist nicht zum ersten Mal in den Montagsgedichten dabei, ich jage Gedichte von ihr, sie muss auch viel Schweres erlebt haben.
      Nachmittagskaffeegrüße ⛅⛅🌳🎶☕🍪

      Gefällt 1 Person

  5. Pingback: Tagebuch der Lustbarkeiten: Frieden unter Bäumen | GERDA KAZAKOU

  6. Wenigstens ab und zu möchte ich dir doch mein großen Kompliment für die exzellente Auswahl der Gedichte loben und danken. Es ist immer wieder ein Vergnügen von dir oft auf vorher nie gekannte Gedichte aufmerksam gemacht zu werden.

    Liebe Grüße, Joachim.

    Gefällt 2 Personen

    • Ich danke dir für deine Begeisterung. Inzwischen wiederholen sich viele Gedichte, aber ich bin immer noch glücklich, wenn ich eine neue Perle entdecke – es gibt so viel, was ich nicht kenne!
      Regenkaffeegrüße 🌧️🌳🎶☕🍪

      Gefällt 1 Person

  7. Ich lese die Zeilen von Francisca Stoecklinh und erinnere mich sofort an einen Moment vor einigen Jahren, als ich während eines Waldspaziergangs plötzlich meinen Augen nicht traute. Ich glaube, ich stockte mitten im Schritt, denn auf einer Lichtung, die sich plötzlich auftat, zwischen all den eben noch dichten Bäumen und Sträuchern, stand ganz still ein Reh, das mich genau so ansah, wie SIE es beschreibt.
    Es stand völlig bewegungslos und blickte mich an.
    Ich rührte mich nicht und es war für einen winzigen Moment so, als stünde die Zeit still.
    Dann hatte es mich wohl gewittert und war weg wie der Wind.
    Ein Augenblick, der in meiner Erinnerung immer abrufbar ist.
    Da treten die anderen Gedichte für mich natürlich erstmal zurück.
    Ich versinke in meiner Erinnerung…

    Lieber Gruß zum späten Abend von Bruni an Dich

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  8. Meer und Wald!!! Liebe Christiane, ich bin auf den Weg zurück in den Süden und durfte das Meer genauso genießen. Es ist eine Freude, so ausgesprochen zu werden wie in diesem Gedicht. Dankeschön. LG Doro

    Gefällt 1 Person

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